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Fäden und Spuren, vielfach verwoben, sich kreuzend und überschneidend. Österreicher in Spanien, Spanier in Österreich. Von den über 7.000 nach Mauthausen deportierten republikanischen Spaniern kamen rund 5.000 ums Leben, nur 2184 erlebten die Befreiung des Lagers 1945. Etliche von ihnen, die auch nach der Befreiung in Österreich geblieben sind, hat Erich Hackl in einer Radiosendung in den 1980er Jahren porträtiert- under hatihnen in seiner Erzählung "Der Anarchist von Leonding", in der er das Leben des spanischen Anarchosyndikalisten Francisco Comellas nachzeichnet, ein bleibendes Denkmal gesetzt. Eine "Spurensicherung" ganz im Sinne des italienischen Historikers Carlo Ginzburg, der in einem seiner letzten Bücher "U filoe le tracce" (Der Faden und die Spuren) beschreibt, wie Historiker auf der Basis von Spuren - also Zeichen auf Papier, Fotos, abgegriffenen Gegenständen etc. — mittels einer kreativen Rekonstruktion vergangene Welten wieder auferstehen lassen. Historische Verfahren als Prozess, der es uns erlaubt "to build the truth on fiction and true history on the ficticious" ("Wahrheit auf der Basis von Fiktionen aufzubauen und wahre Geschichte auf Fiktivem"). Treffender, so finde ich, lässt sich Erich Hackls Balanceakt auf dem schmalen Grat zwischen literarischer Fiktion und historischer Faktentreue kaum beschreiben. Erich Hackl nimmt heute mit dem Willy und Helga VerkaufVerlon-Preis, wenn ich richtig gezählt habe, seine 20. Auszeichnung entgegen. Lieber Erich Hackl! Das langjährige Verhältnis zwischen Ihnen und dem DÖW war nicht immer spannungsfrei, doch auch wenn die Mitarbeiter des DÖW und Sie nicht immer einer Meinung waren darüber, was wichtig und was notwendig ist auf unserem Weg, so denke ich doch sagen zu können, das Ziel ist uns gemein. Oder wie es der nicaraguanische Dichter und Erzähler Mario Cajina Vega in seinem für die politische Poesie Lateinamerikas so emblematischen Gedicht "Cartel" (Das Plakat) formulierte: La revoluciön es el hombre es el amigo que no piensa lo mismo y vota en contra y sigue siendo el mismo amigo. La revolucién es el indio. La revoluciön es un libro y un hombre libre. Die Revolution, das ist der Mensch und der Freund, der nicht dasselbe denkt und dagegen stimmt und weiter derselbe Freund bleibt. Die Revolution, das ist der Indio. Die Revolution ist ein Buch und ein freier Mensch. Die Zitate aus Gedichten Roque Daltons und ihre Ubersetzungen sind entnommen aus dem von Erich Hackl und Tina Leisch herausgegebenen und übersetzten Buch: Roque Dalton: ;Fusilemos la nocheV/Erschießen wir die Nacht! Gedichte. Klagenfurt/Celovec: Verlag Johannes Heyn 2015. Gerhard Baumgartner, geb. 1957 in Oberwart (Burgenland), istein österreichischer Journalist und Historiker. Seit 201 ister wissenschaftlicher Leiter des DÖW Er studierte Englisch, Geschichte und Uralistik an der Universität Wien. Bis 2011 war er programmverantwortlicher Redakteur des ORF Burgenland für ungarischsprachige Sendungen. Die Forschungsschwerpunkte in Baumgartners wissenschaftlicher Tätigkeit 18 _ ZWISCHENWELT liegen in den Bereichen Widerstand und Verfolgung 1938-1945, der Verfolgungsgeschichte der Roma und Sinti und der Geschichte der nationalen Minderheiten des Burgenlands. Nach Forschungs- und Lehrtätigkeiten an diversen Universitäten in Österreich, Ungarn und Israel war Gerhard Baumgartner Projektleiter der Burgenländischen Forschungsgesellschaft: "Roma und Sinti im Burgenland 1945-2000. Zur aktuellen Situation einer Volksgruppe". 2000-2008 war er ProJektleiter der Österreichischen Historikerkommission, betraut u.a. mit der namentlichen Erfassung der im Nationalsozialismus ermordeten österreichischen Roma und Sinti. 2010 wurde er FH-Lecturer der University of Applied Sciences Graz und 2011 Faculty Member der Donau Universität Krems. 2012-2013 war er als Senior Research Fellow am Wiener Wiesenthal Institut für Holocaust-Studien tätig. Alexander Emanuely Writers in Prison Day 2015. Ein Bericht Das Writers in Prison Committee des Österreichischen PEN-Clubs und die Theodor Kramer Gesellschaft haben am 12. November 2015 gemeinsam den Writers in Prison Day im Weltmuseum Wien organisiert. Als Ehrengäste waren die beiden jüngst aus der Haft entlassenen Autoren Enoh Meyomesse aus Kamerun und Omar Hazek aus Ägypten eingeladen. Omar Hazek konnte nicht zu seiner Lesung kommen, da ihm von Seiten der österreichischen Behörden ein Einreisevisum verwehrt wurde. Die Begründung der BeamtInnen war, laut Der Standard vom 1.12.2015, dass man davon ausgehen musste, der Schriftsteller würde nicht mehr nach Alexandria zurückkehren wollen. Am Writers in Prison Day, auch „Internationaler Tag der AutoiInnen hinter Gittern“ oder „Tag der inhaftierten und verfolgten AutorInnen“ wird an verfolgte, inhaftierte und ermordete SchriftstellerInnen sowie JournalistInnen erinnert. Initiiert wurde der Gedenktag im Jahr 1980 durch das 1960 gegründete Writers in Prison Committee des Internationalen PEN in London. Laut PEN sind zurzeit weltweit über 900 AutorInnen, VerlegerInnen, RedakteurInnen, IllustratorInnen und JournalistInnen inhaftiert. 2014 wurden fast 100 von ihnen ermordet, hingerichtet oder verschleppt. Um den verfolgten AutorInnen zu helfen, werden viele von ihnen von den verschiedenen PEN-Zentren der Welt zu Ehrenmitgliedern ernannt. Ehrenmitglieder des Österreichischen PENs sind Enoh Meyomesse und Omar Hazek. So war es auch Löcker, der als weltweit erster Verlag im Rahmen der „Edition pen“ die Übersetzung eines Werkes Meyomesses veröffentlichte. Dies hat wesentlich dazu beigetragen, die Kampagne zur Freilassung Meyomesses zu beschleunigen. Der Autor und sein Übersetzer Jürgen Strasser stellten seinen neuen Gedichtband „Blumen der Freiheit“ vor. Weiters präsentierte Ishraga Mustafa Hamid das Werk Omar Hazeks, welches teilweise ebenfalls in der „Edition pen“ bei Löcker erscheint. Über die vergangenen und weiteren Aktivitäten des Committees und des PEN-Clubs berichteten Helmuth A. Niederle, Wolfgang Martin Roth und Philo Ikonya. Die Gedichte wurden von Enoh Meyomesse selbst und von Wolfgang Böck einem zahlreich erschienenen Publikum vorgelesen. In den nächsten Ausgaben ZW wollen wir in Zusammenarbeit mit dem Committee AutorInnen und deren Schriften vorstellen.