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und mit Freude nicht dazuzugehören. Sie würde gerne „Brücke“ oder „Mörtel“ spielen. In den aktuellen Entwicklungen beobachtet sie mit Besorgnis eine Wiederkehr der abgrenzenden „Tradition des EntwederOder“, beispielsweise Aufklärung oder Irrationalismus, Erklären oder Spüren. Diese Entweder-Oder-Sicht erschwert den Umgang mit der ambivalenten Moderne. Statt Widersprüche zu umgehen, sollte man lehren und lernen, mit ihnen umzugehen. Der Theodor Kramer Preis wird mit Rücksicht auf literarische Qualität vergeben. Wer den meisterlichen, treffenden und kreativen Sprachumgang der Preisträgerin kennt, wird solche preiswürdige Qualität bestätigen. Der Preis wird aber auch für „Haltung“ und Preisbegründung der Jury Als ein Kind von aus dem Exil nach Österreich Zurückgekehrten wußte Hazel Rosenstrauch, ihren eigenen Worten zufolge, „daß die Zivilisation schon untergegangen war“, daß es für sie also nicht mehr möglich war, einfach an die Konvention anzuknüpfen und ihren Platz im Gegebenen zu suchen. So sensibilisiert uns die Essayistin Rosenstrauch für die Fragen, die wir uns stellen und nicht stellen. Unsere Fragen, die gestellten und vor allem die nicht gestellten, transportieren oft genug — selbst im kritischen Habitus — einen Konformismus, der unser Verhalten stärker noch beeinflußt als die Antworten, die uns gegeben werden. Deshalb führt Rosenstrauch einen unablässigen Feldzug gegen all die Etikettierungen, Phrasen und falschen Identifikationen, die Ungeklärtes, Uneingelöstes, noch Offenes zuzudecken oder zu blockieren suchen. Wesentlich ist für Rosenstrauch, Nicht-Übereinstimmung mit vorherrschenden Tendenzen des kulturellen und sozialen Lebens zu vermitteln und zugleich verloren scheinende Ansätze einer lebendigen Vernunft zu rekonstruieren. So vergegenwärtigen ihre Bücher über Protagonistinnen und Pro\ „Schicksal“ vergeben. Ich meine, dass diese Bereiche untrennbar verwoben sind und dass es keinen Zweifel daran geben kann, dass auch nach diesen Kriterien die Jury die richtige Entscheidung getroffen hat. Gabriele Matzner-Holzer ist Schrifistellerin und Malerin. Sie war von 1971 bis 2010 Diplomatin, außenpolitische Mitarbeiterin der Bundeskanzler Bruno Kreisky und Fred Sinowatz, Stellvertretende Direktorin der Diplomatischen Akademie Wien und zuletzt österreichische Botschafterin in Bratislava, Tunis und London. 2015 erschien der Roman „Gefahr im Anzug. Fast ein Wien-Krimi“. Sie war bis 2013 im Vorstand der TKG. wie der „empfindsame Henker“ Karl Huß- eine Periode kühner Neuorientierungen mit ihren Widersprüchen und intellektuellen Errungenschaften. Weit reicht die Thematik ihrer Essays, gerade weil sie nicht in den Grenzen einer Betriebspublizistik verharren, die ihre Enge durch ein Ungefähres verbirgt, das dann Aufgeschlossenheit genannt wird. Vom ritualisierten Gedenken, der falschen Identifikation mit dem Jüdischen, den Sackgassen eines Erinnerungsbetriebs ist in den entsprechenden Texten von Hazel Rosenstrauch zu lesen. Auf diese Weise zeigt sich das brennende Interesse am geschichtlichen Prozess des Gegenwärtigen, das von der subjektiven Erfahrung nicht zu trennen ist. Der Theodor Kramer Preis 2015 wurde gefördert von der Kunstsektion des Bundeskanzleramtes:Österreich, der Stadt Wien - Kultur, vom Land Niederösterreich, von der Bezirksvorstehung Leopoldstadt, der Marktgemeinde Niederhollabrunn, dem Kulturverein Niederhollabrunn und der Grazer Autorinnen Autorenversammlung (GAV). KooperationspartnerInnen waren das Psychosoziale Zentrum ESRA Wien, das Literaturhaus Salzburg und das Stifterhaus Linz. 2.