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zu sein,’ während das cher sorgende und unterstützende Handeln weiblich illustriert wird. So säuberlich getrennt ist auch die illegalisierte Reisewelt nicht, aber es gilt auch hier, an alternativen Angeboten zu bauen und dahingehende Initiativen konkret zu unterstützen. In Rabat wurde im Februar 2015 eine RasthausWohnung? für Frauen und ihre Kinder eröffnet, um durch eine sichere Unterkunft auch eine bessere Planung der weiteren Reise zu unterstützen. Erst wurde eine Dreizimmerwohnung in der Hauptstadt Marokkos angemietet, um bis zu zehn Personen versorgen zu können, ab November steht nun eine weitere Etage des Hauses zur Verfügung. Formen struktureller Benachteiligung treten auf der Flucht mit mindestens ebenso großer Vehemenz auf und alle Versuche, diese systematische Diskriminierung auszugleichen, sollten auch hier angewendet werden, Frauenhäuser bilden eine dahingehende Möglichkeit. Grundsätzlich muss jede Situation der Knappheit, die das Durchsetzungsvermögen der Stärkeren begünstigt, vermieden werden. Statt Benimmregeln für Flüchtlinge zu formulieren, sollte man den einen oder anderen Gedanken darauf verschwenden, warum an drei Tagen 3,3 Millionen Besucher beim Donauinselfest oder die ebenso jährliche Millionenzahl beim Münchner Oktoberfest so problemlos verköstigt werden können, sodass ein Großteil danach auch rechtschaffen betrunken ist, während es schier unmöglich scheint, ein paar Tausend Refugess mit der gebotenen Freundlichkeit und dem jeweils Benötigten zu versorgen. Am 27. August 2015 wurden 72 Tote in einem Kühllastwagen an der Autobahn bei Parndorf gefunden. Diese Toten wenige Kilometer vor Wien wirkten offenbar eindrücklicher als das tausendfache Sterben der letzten Jahre im Mittelmeer. Erinnern wir uns an die Bilder vom Bahnhof Keleti in Budapest: Am 1. September hatte die ungarische Regierung beschlossen, diesen für Refugees zu sperren. Unter dem Kollektivnamen Erszebeth Szabo, einer weitgehend unbekannten ungarischen Antifaschistin, ging am 3. September die Facebook-Seite „Konvoi Wien-Budapest Schienenersatzverkehr für Flüchtlinge“ online. Innerhalb von 48 Stunden bekannten sich 3000 Leute dazu, FluchthelferInnen zu sein und das Zögern der AktivistInnen angesichts von Verhaftungen wegen Schlepperei in Budapest nahm ein Ende, als sich hunderte Refugees zu Fuß vom Keleti nach Österreich auf den Weg machten. Am Sonntag, den 6. September waren 170 Autos und zahlreiche internationale MedienvertreterInnen am Parkplatz des Wiener Praterstadions, die Polizei assistierte freundlich und geleitete uns professionell bis zur Stadtgrenze, am Ende eines langen Tages kamen im Konvoi 380 Reisende am Wiener Westbahnhof an. Solche und ähnliche Initiativen gab es davor und danach, Einzelpersonen und Konvois aus Leipzig, Berlin und Amsterdam boten Freerides für Refugees. Das Kollektiv Erszebeth Szabo wurde stellvertretend dafür auf der ISS mit dem Lisa Fittko Preis ausgezeichnet. Den Weg über die Pyrenäen, den Lisa und Hans Fittko von September 1940 bis April 1941 oftmals gingen, die von Varian Fry (19071967) so bezeichnete F-Route, war Teil der von ihm geleiteten Fluchthilfeorganisation, des Centre Americain de Secours, einer Vorfeldorganisation des Emergency Rescue Committee (Emerescue)". Insgesamt gelang mit Hilfe dieser Organisation mehr als 2000 Menschen die Flucht aus Frankreich. Am 25. Juni 1940, drei Tage nach Unterzeichnung des deutschfranzösischen Waffenstillstands, wurde das Emerescue in New York gegründet. Varian Frys Mission war es, „namhaften europäischen Schriftstellern, Journalisten, bildenden Künstlern, Musikern, Komponisten, Schauspielern, Wissenschaftlern, Gewerkschaftsführern und Politikern, die von den Nazis nach Frankreich geflohen waren, die Ausreise und Einwanderung nach Amerika zu ermöglichen.“® Dafür hatte er aus den USA 200 Einreise-Visa mitbekommen. Gerade dieses Unbehagen gegenüber den Kriterien der Personenwahl sollten wir heute festhalten und kontrastieren. Wenn wir die Bedingungen, die Menschen damals wie heute zwingen, andernorts Schutz und ein lebenswertes Leben zu suchen, auch nicht bestimmen können, so können wir doch in der Weise wirken, dass sichere Fluchtwege und Asyl ein politisches Faktum sind und für alle gelten. Dies war auch schon Varian Fry bewusst, der, che er aus Frankreich ausgewiesen wurde, statt bloß den geplanten 200 Prominenten wesentlich mehr Menschen die Flucht ermöglichte. Die naheliegenden Forderungen des Kollektivs Erszebeth Szabo umfassen „Fluchtzeuge“, die MigrantInnen direkt an ihr gewünschtes Ziel bringen, sichere Fähren über das Mittelmeer und ein Kreuzfahrtschiff, das die Donau stromaufwarts von Beograd bis Passau fahrt. Diese Strecke umfasst sechs nationale Grenzen, ein schönes Symbol für alle LiebhaberInnen der Binnenschifffahrt und des Kollektiven, der guten nachbarschaftlichen Beziehungen. „Am Anfang war es schwer, die Menschen zu begreifen - es ist nicht nur die Sprache (die vierte seit unserer Emigration), man versteht nicht, wie sie es meinen. Doch jetzt sagen wir, wie alle anderen, mahana, wenn wir meinen: vielleicht bald.“'° Heide Hammer (Philosophin) und Kurto Wendt (Autor) machen anti-identitäre Politik im Mantel der Kunst, indem sie Kollektive mitbegründen, die sich nach den jeweiligen Aktionen wieder auflösen. Darunter „Statt Wien“, „Goldenes Wienerherz‘, „Neigungsgruppe Donauschwimmen“ oder eine übergroße Kollektivromangruppe mit dem Titel wollen schon (Herbst 2015, zaglossus). Der abgedruckte Beitrag erscheint zeitgleich bei www.migrazine.at, Ausgabe #14 2015. Anmerkungen 1 Lisa Fittko: Mein Weg über die Pyrenäen. Erinnerungen 1940/41. München 2013, 284. 2 Berlin (dpa): Immer mehr Schleuser gefasst - nur wenige Verurteilungen. In: Die Zeit, 7.11.2015. http://www.zeit.de/news/2015-11/07/migration-immermehr-schleuser-gefasst---nur-wenige-verurteilungen-07124202 (9.11.2015) 3 Ebd. 4 2. Internationale Schlepper- & Schleusertagung München 2015. http:// iss2015.eu/ (9.11.2015) 5 Andrea Di Nicola, Giampaolo Musumeci: Bekenntnisse eine Menschenhändlers — das Milliardengeschäft mit den Flüchtlingen. München 2015. 6 Träger des Projekts ist Afrique-Europe-Interact, Spenden werden vom Verein Globale Gerechtigkeit e.V. angenommen. Kontoverbindung und weitere Projektinformationen: http://afrique-europe-interact.net/1830-Kontoverbindung.html (9.11.2015) 7 Lisa Fittko: Mein Weg über die Pyrenäen, 310ff 8 Ebd., 310 9 Aktives Museum (Hg.): Ohne zu zögern. Varian Fry: Berlin-MarseilleNew York. Berlin 2007. 10 Ebd., 295f Dezember 2015 55