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Meine Fingerknöchel schlagen ans Türholz: Mach auf! Nimm mich in Schutz! Hier ist deine Geliebte aus alter Zeit. Mich hast du auf die Staffelei gezeichnet mit Linien: grüner als das Kleid des Frühlings. Meine Augen bewegen sich hier ohne Scheu, so wie ein Fluss die Landschaft durchströmt. Mach auf! Nimm mich in Schutz! Kein Laut! Leider! Nur das Heulen des Sturms, das sich an den Wanden bricht. Meine Hand schiebt die Türe auf, aber mein inneres Auge zeigt mir ein Haus, leer vom Duft seines Atems. Wo ist die Wärme seiner Stimme hin? Ich verliere mich in zerstörerischen Gedanken. Keine Kerze brennt auf seinem Schreibtisch, der Ofen hockt wie eine Bruthenne auf seinem Haufen Asche. Auf der Staffelei halbfertig ein neuer Horizont. Ein Hauch von Gähnen liegt in dem Bild, Mit den Fensterläden spielt der Sturm. Ich stehe neben dem Klappern fiebrig und krank. Wie ein Raubtier hat mich die Nacht im Auge, umkreist mich wieder und wieder. Eine Wolke zieht dunkel dahin, sinnlos und ohne fruchtbringenden Regen. In meinem Herzenskeller gärt der herbe Trübmost über: mein Hass. Aber auch der Vogel Hoffnung wird überwältigt von neuer Regung, breitet die Flügel aus, als träume er vom Frühling, und trinkt aus der goldenen Schale des hochsteigenden Morgens Licht und Gesang. Zukunft, du Glutsonne meines Begehrens! Ich werde wachen an diesem Fenster, bis ich aus dem Blumenstrauß meiner Eigenschaften dir eine Blüte ins goldene Haar stecken kann. Reiß auf das Hemd des Horizonts, beeile dich, zeig dich, komm aus diesem Versteck und brenn hinweg das hässliche Antlitz dieser Zeit. Teheran, 1979 Bedürfnis Bei Sonnenaufgang, bei jeder Morgendämmerung, wenn Erde und Sonne sich dem Beischlaf hingeben, wachse ich aus der erwärmten Eizelle der Erde. 60 _ ZWISCHENWELT Bis hin zur Höhe der Herrlichkeit des Morgens werde ich der lebhafteste Lobpreis der Liebe, von Kopf bis Fuß: Gesang! Im blauen Himmel des Lebens breitet mein Blick die Flügel aus, und mein orientalisches Herz, leidenschaftlich, zigeunerhaft, beginnt ein anderes Pochen... Versperrte Brücken überspannen, einschüchternd wachende Stacheldrähte überfliegen, die fünf Kontinente furchtlos durcheilen, — da ist der fiebernde Puls der Menschheit. In der klaren Weite meiner Gedanken: Meine vielrassigen, hungrigen Kinder, kränkelnd, die Zukunft erbrechend, blasse Träume gähnend, wartend auf Brot. Die Menschheit schreit, und mein orientalisches Herz schlägt für die wesentlichen Bedürfnisse: Brot Frieden Freiheit 1986 Raureif Meine Heimatstadt! Wo ist dein grünes Fenster zum Frühling?! Wo ist der singende Harfenspieler, deines Sprühregens?! Schurkerei hagelt schwer über Kopf und Gesicht der Zeit. Wo ist der schützende Schirm deiner Zuneigung?! Der Schmiedehammer der Tyrannei, schlägt auf die Zweige ein. Wo ist die Begeisterung deiner Bäume, über das Wachstum?! Im Winter wurde mein Seufzen zu Raureif. Wo sind die Küsse deiner leuchtenden Sonnenflammen?! Wer bist du? Wer bist du dass du den Frühling die verbotene Jahreszeit nennst und die Frische auf der jungen Haut zweier, die murren, die Geburt der Sünde