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zusammenpferchte. Später wurde Gong in ein Arbeitslager nach Moghilev-Podolski verschleppt, konnte jedoch mit Hilfe eines literaturfreundlichen Wehrmachtofhiziers, der von seinen Kenntnissen der deutschen Literatur fasziniert war, dem Lager entkommen. Nach anderen Angaben soll Gong „arische“ Papiere von einem Bekannten, dem vagabundierenden rumänischen Dichter Dimitrie Petrescu, der unter dem Namen Dimitrie Stelaru („der Sternige“) schrieb, bekommen haben, mit denen er sich dann legal bewegen konnte. Seine abenteuerliche Odyssee führte ihn dann durch mehrere Länder und Städte der Welt. 1943 verschlug es ihn über Odessa nach Bukarest, wo er zuerst illegal als Schwarzmarkthändler, Privatlehrer und Bibliotheksangestellter lebte und später als Journalist und Filmkritiker, freier Mitarbeiter der Tageszeitung „Capitalä“ wirkte. Er macht hier erneut den Versuch, sein Studium abzurunden und besucht, allerdings wieder nur zwei Semester lang, die Universität Bukarest. Von Gongs Lebensstationen dieser Zeit zeugen seine Gedichte „Im Raum von Odessa“ und „Bukarest, Juli, 44“. Bukarest bedeutete in den Kriegsjahren für Gong eine existentielle Rettung, aber auflängere Zeit wollte er dort nicht bleiben. Nach der kommunistischen Machtübernahme (das Wesen des Regimes hatte er schon im Czernowitzer „Russenjahr“ durchschaut) entschloss er sich, die rumänische Hauptstadt zu verlassen und nach Wien zu flüchten. In seinem Gepäck hatte er etwa 160 Gedichte und zwei Dramen, die in Bukarest entstanden waren („Der letzte Diktator“ und „Nacht würgt Europa“). Als Gong aber vermutlich im Frühjahr 1946 das ersehnte Wien endlich erreichte, wartete auf ihn dort eine große Enttäuschung. Am besten gibt diesen trostlosen Zustand sein Gedicht „Wien, Silvester, 46“ wieder, in dem die österreichische Metropole als „Stadt der möblierten Zimmer/ (der Spione aus aller Herren-/ und DPs aus aller Sklaven-Länder)“ dargestellt ist, wo das lyrische Ich einen Strick aus drei Krawatten binden will, um seinem mühseligen Leben ein Ende zu setzen. Aber allmählich lichtet sich der Horizont. Die erste Zeitin Wien arbeitet Gong als Privatlehrer und Journalist und unternimmt einen neuen Anlauf, sein Studium zu absolvieren — er inskribiert sich für die Romanistik („Doktorat in Philologie“) an der Universität Wien, doch die Notwendigkeit, das tägliche Brot zu verdienen, hält ihn vom Studium immer wieder ab, so dass auch diesmal dieses Vorhaben ergebnislos bleibt. Später bekommt er eine nicht allzu gut bezahlte Stelle des Dramaturgen am Kleinen Theater im Konzerthaus, das die Aufführung eines der ersten Nachkriegsstücke der deutschen Literatur - Wolfgang Borcherts „Draußen vor der Tür“ — seiner Wahl verdankt. In diese Zeit fällt die Begegnung Gongs mit seinem Czernowitzer Schulkameraden Paul Celan, die bald in eine freundschaftliche Beziehung übergeht. In der ersten Jahreshälfte 1948 treffen sich beide öfters, wobei sie auch literarische Probleme besprechen. Gong zeigt Celan seine frühen Gedichte und bittet ihn um ihre kritische Durchsicht. Das in Gongs Nachlass erhaltene Manuskript trägt zahlreiche stilistische Korrekturen von Celans Hand. Aber mit der baldigen Abreise Celans nach Paris wurde diese Freundschaft immer lockerer und mit Gongs Auswanderung nach Amerika versiegte sie völlig. In Wien entwickelt Gong rege literarische Aktivitäten. So gründet er Anfang 1949 eine kleine humotistische Zeitschrift „Die Spulke“, die an die Tradition des jüdischen Witzes angelehnt und nur kurzlebig ist - es sind insgesamt 13 Hefte erschienen. Im selben Jahr liest er zum ersten Mal öffentlich unter dem Dichternamen Alf Gong aufeiner von dem österreichischen Lyriker, Erzähler und Essayisten 6 _ ZWISCHENWELT Hermann Hakel initiierten PE.N.-Veranstaltung „Junge Dichter sehen die Zeit“. In der von Hakel herausgegebenen Zeitschrift „Lynkeus“, im „Wiener Tagebuch“ sowie in der Anthologie-Reihe Rudolf Felmayers „Tür an Tür“ erscheinen bald mehrere seiner Gedichte, die von der Leserschaft und der Wiener Literaturkritik sehr positiv rezipiert werden. In Wien arbeitet er auch an seinem bis heute unveröffentlichten Roman „Die Entmenschlichungsmaschine“, von dem einzelne Kapitel ebenfalls bei einem literarischen Abend vorgestellt werden. Diese Intensität seiner literarischen Betätigung lässt vermuten, dass Gong in Wien einen guten dichterischen Aufstieg haben könnte. Doch aus ungeklärten Gründen entscheidet er sich 1951 für die Ausreise in die USA. Sich in der Neuen Welt zu etablieren, war allerdings nicht einfach. Zuerst schwankte er noch zwischen New York und Richmond (Virginia), doch nach einigen Erfahrungen und Überlegungen ließ er sich fest in New York City nieder. Seine neue Existenz war hart genug, vor allem in materieller Hinsicht. Davon zeugen bereits die zahlreichen „Berufe“, die er ausüben musste: Bankbote, Sozialarbeiter, Bibliothekar, Kellner, Buchhalter, Fremdenführer, Verkäufer, kommerzieller Übersetzer... Außerdem besucht er Englischkurse und verbringt viel Zeit in der Public Library. Eine gewisse Stabilität tritt 1957 nach seiner Heirat mit der Schweizer Emigrantin Norma Righetto ein, die ihm dank ihrem kleinen, aber regelmäßigen Einkommen, das sie als Krankenschwester verdient, eine bescheidene finanzielle Unabhängigkeit sichert und sein chaotisches Leben etwas ordnet. Das Ehepaar zieht nun aus dem „Steinmeer“ Manhatten in die Bronx um, wo die Straßen viel ruhiger und die Häuser zwar niedriger, aber menschenfreundlicher sind. Die 1950er Jahre erweisen sich für Gong in schöpferischer Hinsicht recht produktiv. Er publiziert viel in Wiener Zeitschriften („Neue Wege“, „Das Jüdische Echo“, „Neue Welt“), in den deutschsprachigen Presseorganen Amerikas („Aufbau“, „New Yorker Staats-Zeitung und Herold“, „American-German Review“), doch der entscheidende Durchbruch bleibt aus. Zwei Gedichtbände und eine Anthologie der Texte deutschsprachiger Autoren über Amerika, deren Manuskripte er einigen Verlagen anbietet, werden abgelehnt. Vor diesem Hintergrund sollte aufihn die Verleihung renommierter Literaturpreise an seinen Schulkameraden Paul Celan (Bremer Literaturpreis 1958, Georg-Büchner-Preis 1960) schmerzhaft wirken. Erst nach erneuten Versuchen gelingt es ihm, seine beiden Gedichtbände „Gras und Omega“ (1960) und „Manifest Alpha“ (1961) sowie die Anthologie „Interview mit Amerika. 50 deutschsprachige Autoren in der neuen Welt“ (1962)? zu veröffentlichen, was er als „späte Erfüllung“ bezeichnen wird. In dieser Zeit findet er zu seiner Kindheit und Jugend in der Bukowina zurück, zu dem, was er vorher verdrängt hat. Gesammelt im Zyklus „Entichtes Ich“ aus dem Gedichtband „Manifest Alpha“, geben Gedichte wie „Nativität“, „Beim Kochen der Mamaliga“, „Die Steine gedenken“, „Bukowina“, „Topographie“, „Mein Vater“ u.a. plastische Bilder seines Heimatlandes wieder, die jetzt unter seiner Feder lebendig werden. In den 1960er Jahren wird Gong allmählich zu einer überragenden Figur der deutschsprachigen Literaturszene Amerikas. Er verkehrt im Goethe House und Austrian Institute von New York, pflegt Kontakte zu vielen Intellektuellen — so zum Berliner Historiker Bodo Scheurig, dem Germanisten und Literaturwissenschaftler Joseph P Strelka, dem deutschen Schriftsteller im amerikanischen Exil Hans Sahl, steht seit seiner Wiener Zeit im regen Briefwechsel mit Max Brod, trifft sich oft mit seiner ebenfalls in New York lebenden Landsfrau Rose Ausländer, deren