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Gedichtband „Blinder Sommer“ er herauszubringen hilft, und mit dem aus Czernowitz stammenden Bildhauer Bernhard Reder, der mit seinen Ausstellungen in New York Triumphe feiert, hält Vorträge, publiziert Rezensionen und Essays. 1966 erhält er den österreichischen Iheodor-Körner-Preis, 1973 wird er in den Österreichischen PE.N.-Club aufgenommen. Doch hinter dieser äußeren Kulisse, die den Schein des Erfolgs vortäuschen kann, verbergen sich seine Unzufriedenheit und Depression. Materielle Schwierigkeiten belasten ihn auch weiter und verhindern cs, sich ganz der Literatur zu widmen. Immer wieder ist er auf der Suche nach einem neuen Job, macht sogar eine Ausbildung bei dem psychiatrischen Hospital in der Bronx und erhält dort bald eine Stelle als Sozialarbeiter und später als Bibliothekar in der kleinen Hospital-Bücherei. Viele seiner literarischen Projekte bleiben aber unrealisiert, so z.B. konnte er weder ein Theater noch einen Verlag für seine bereits Ende der 1950er Jahre geschriebenen Bühnenstücke „Zetdam“ und „Um den Essigkrug“ finden oder für sein 1961 abgeschlossenes Musical „Klischee aus Übersee“ interessieren. Auch gelingt es ihm erst 1969 seine Sammlung von satirischen Geschichten „Grünhorns Blues“ nur in stark reduzierter Form unter dem Titel „Happening in der Park Avenue“ zu publizieren (lediglich 7 von 25 Erzählungen)”. Zum Teil kann man diese Misserfolge seiner Kompromisslosigkeit und seinem schwierigen Charakter zuschreiben, durch die er sich nicht selten selbst geschadet hat (so z.B. seine dauernde Fehde mit dem Programmleiter des New Yorker Goethe House Peter Stadelmayer). Die Reputation eines „unbequemen“ Menschen hat ihn dann in kulturellen Kreisen unbeliebt gemacht, und so geriet er immer mehr in Isolation. Im Grunde hatten aber diese Misserfolge viel tiefere Wurzeln. Es war wahrscheinlich ein fataler Fehler von Alfred Gong gewesen, Europa zu verlassen und nach Amerika zu gehen. Zu weit war er dort vom deutschsprachigen Literaturbetrieb, von deutschsprachigen Verlagen, von literarischen Beziehungen mit deutschsprachigen Redakteuren und Autoren entfernt. Die schöpferische Intensität, die er in New York entwickelte, konnte seine Wahlheimat Amerika nicht adäquat erkennen - ihre deutschsprachige Literaturszene war zuschmal, zu dürftig. Vielleicht hat der Dichter es auch selbst verstanden, als er Ende der 60er-, Anfang der 7Ver-Jahre einen Versuch unternahm, nach Europa zurückzukehren — dieses Ziel verfolgten seine mehrmaligen Wien-Besuche. Doch die Unterstützung der Österreichischen Gesellschaft für Literatur, die er sich erhofft hatte, war nicht nachhaltig genug. Verwirrt und enttäuscht über die Wiener Zustände kehrt Gong nach Amerika zurück. Schon längst hat er sich zwei literarische Identitäten ausgesucht, die jetzt eine neue Bestätigung finden: Odysseus und Robinson. Mit ergreifender Eindringlichkeit hat er die Exilsituation in seinem Gedicht „Odysseus“ aus dem Band „Gras und Omega“ dargestellt: Als transatlantischer Odysseus des 20. Jahrhunderts und „Robinson auf dem Eiland Manhatten“ — einsam, heimatlos, von der deutschsprachigen Welt abgeschnitten —, so kommt er sich selbst auch jetzt vor. Obwohl er schon seit vielen Jahren einen amerikanischen Pass in seiner Tasche trägt, fühlt er sich in Amerika immer noch fremd, und Europa, wo er sich heimischer gefühlt hätte, schließt vor ihm sein Tor. In den 1970er Jahren begann der Dichter in seiner New Yorker Isolation immer mehr zu resignieren, da er keinen Widerhall seiner Dichtung mehr zu spüren glaubte. Erst 1980 erschien auf Initiative J.P. Strelkas sein dritter und letzter Gedichtband „Gnadenfrist“, der seine zum Teil überarbeiteten Bukowina-Gedichte aus dem Band „Manifest Alpha“, aber auch neue, in den letzten Jahren geschriebene Texte enthält, darunter einen ergreifenden, beinahe frenetisch klingenden Zyklus von vier Gedichte Liebesgedichten unter dem Titel „Äquinoktien“, die zu den stärksten Artikulierungen dieses Themas in der zeitgenössischen Lyrik gehören. AAbOPEA TOHT Das lyrische Werk von Alfred Gong PR zeichnet sich durch die Ah Vielfalt existenzieller Problematik aus. Es behandelt Themen des Humanismus und der Barbarei, der Liebe und des Todes, des Umweltschutzes und der atomaren Bedrohung, der Sehnsucht nach einer besseren Welt und der Suche nach dem Sinn des Lebens. Mit beißender Ironie, scharfem Sarkasmus und unnachahmlicher Groteske geladen, experimental in Rhythmus und Form, brechen seine Gedichte gesellschaftliche, moralische und psychologische Tabus, kultivieren einen „niedrigen“ Stil, der Dialekt und Jargon nicht scheut, aber nicht selten auch Begriffe aus verschiedenen wissenschaftlichen Bereichen aufgreift, z.B. aus der Sphäre der biblischen, antiken und nordischen Mythologie, der Kunstgeschichte, Astronomie oder Biologie. Im letzten Jahrzehnt seines Lebens wagt Gong noch einige weite Reisen nach Europa, er besucht Italien und die Schweiz, aber auch Israel und Rumänien, wo er einige Jugendfreude aus Czernowitz trifft. Vielleicht wollte dieser unruhige Odysseus doch noch irgendwo in der Alten Welt seinen Anker auswerfen, denn Amerika hatte ihn ganz ausgesaugt, er konnte dort nicht mehr schreiben. Die Zeit war aber schon sehr knapp bemessen. Das Bewusstsein der schöpferischen Ohnmacht, die Nachrichten vom Tod seiner dichterischen Schulkameraden Paul Celans und Immanuel Weißglas stürzen ihn in dauernde Depressionen. Immer öfter suchen ihn die Gedanken vom Misslingen seiner dichterischen Mission heim, von der Unsinnigkeit seiner Existenz. Auch gesundheitliche Probleme häuften sich von Jahr zu Jahr. Der Titel seines dritten Gedichtbandes erwies sich somit als prophetisch — nur eine Gnadenfrist wurde ihm noch beschieden. ,,Alt bin ich und vergessen/ und ohne Feinde geblieben“ - stellt er im abschließenden Gedicht des „Gnadenfrist“-Bandes bitter fest. Am 18. Oktober 1981 erliegt Alfred Gong seinem schweren Krebsleiden. Sein reicher Nachlass mit vielen unveröffentlichten Werken wurde bald von seiner Witwe dem Bibliotheksarchiv der University of Cincinnati übergeben. Odysseus hatte endlich seinen letzten Hafen erreicht. In den Jahrzehnten, die seit dem Tode des Dichters vergangen sind, nahm das Interesse an Gongs dichterischem Werk unaufhörlich zu, wovon mehrere Neuausgaben seiner Texte zeugen. Bereits in den 1980er Jahren erschien im amerikanischen Columbia eine repräsentative Ausgabe seiner frühen Gedichte („Early Poems“)'” und bald darauf die von Joachim Herrmann vorbereitete Ausgabe seiner Gedichte aus dem Nachlass („Israels letzter Psalm“)'!. Auch Mai2016 7