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die Gedichtbände „Gras und Omega“? und „Manifest Alpha“? sind heute dank Joachim Herrmann in einer korrigierten Neuauflage zugänglich. Der Anfang des neuen Jahrhunderts brachte die Entdeckung von Gongs dramatischen Werken mit sich — die in den USA Iehrende Germanistin Bärbel Such veröffentlichte drei dramatische Stücke aus dem Nachlass des Dichters: „Die Stunde Omega“, „Um den Essigkrug“ und „Der letzte Diktator“'‘, in denen die Gefahren des technischen Fortschritts, der Nivellierung der menschlichen Persönlichkeit und das Wesen totalitärer Regime problematisiert werden. Im Jahre 2009 erschien auch die erste Monographie über den Czernowitzer Dichter — das Buch der in Deutschland wirkenden ukrainischen Germanistin Natalia Shchyhlevska „Alfred Gong. Leben und Werk“", das nicht nur die wichtigsten Stationen seiner Biographie wiedergibt, sondern auch eine eingehende Analyse seiner Texte verschiedener Gattungen enthält. All diese Neuerscheinungen bilden eine solide Grundlage für die weitere wissenschaftliche Auseinandersetzung mit dem gesamten dichterischen Werk Alfred Gongs, das lange Zeit vernachlässigt wurde. 1995 wurde in Osnabrück auf Initiative von Jerry Glenn und Joachim Herrmann die „Alfred-Gong-Gesellschaft“ gegründet, die sich Pflege, Erforschung und Popularisierung seines poetischen Werkes zum Ziel gesetzt hat. Bisher gab es nur wenige Versuche, Gedichte von Alfred Gong in andere Sprachen zu übersetzen, obwohl schon zu Lebzeiten des Dichters einige von ihnen ins Englische, Rumänische und Ungatische übertragen wurden. Eine zweisprachige deutsch-ukrainische Ausgabe umfasst 80 Gedichte aus allen drei zu Lebzeiten des Autors erschienenen Gedichtbänden sowie einige Proben von seinem Früh- und Nachlasswerk und kann als ein repräsentativer Querschnitt durch sein lyrisches Schaffen betrachtet werden. Viele Gedichte Alfred Gongs enthalten poetische Reminiszenzen an die Ukraine („Im Raum von Odessa“) und an seine Heimat Bukowina („Bukowina“, „Topographie“ u.a.), die heute ein unentbehrlicher Bestandteil der Ukraine ist. Dieser Umstand, wie auch die Tatsache, dass Alfred Gong seinerzeit eine Reihe von Gedichten des bedeutenden russischen Lyrikers Sergej Jessenin ins Deutsche übersetzte, ist eine gute Voraussetzung für eine intensive Rezeption des Dichters im slawischen Kulturraum. Zu Peter Rychlo vel. in diesem Haft Christel Wollmann-Fiedlers Bericht über die Verleihung des Georg Dehio-Preises an ihn. Anmerkungen 1 Paul Celan: Der Meridian und andere Prosa. Frankfurt/M.: Suhrkamp 1990, S.37. 2 Hugo Gold: Geschichte der Juden in der Bukowina. Bd. 1. Tel Aviv: Edition Olamenu 1958, S. 81. 3 Siehe: Joachim Herrmann: Alfred Gong. In: Literatur und Kritik (Salzburg). Marz 1996, S. 104. 4 Joseph P. Strelka. Exilliteratur. Grundprobleme der Theorie, Aspekte der Geschichte und Kritik. Bern, Frankfurt/M., New York 1983, S.205. 5 Siehe: Strelka, wie Anm. 4, $. 206; Joachim Herrmann: Leben und Werk von Alfred Gong. In: Die Bukowina. Studien zu einer versunkenen Literaturlandschaft. Hg. von Dietmar Goltschnigg u. Anton Schwob unter Mitarbeit von Gerhard Fuchs. Tübingen: Franke 1990, S. 389; Natalia Shchyhlevska. Alfred Gong. Leben und Werk. Oxford, Bern, Berlin u.a.: Peter Lang 2009, S. 21. 6 Alfred Gong: Gras und Omega. Heidelberg: Lambert Schneider 1960. 7 Alfred Gong: Manifest Alpha. Gedichte. Wien: Bergland 1961. 8 Interview mit Amerika. 50 deutschsprachige Autoren in der Neuen Welt. Hg von Alfred Gong. Miinchen: Nymphenburger Verlagshandlung 1962. 8 — ZWISCHENWELT 9 Alfred Gong. Happening in der Park Avenue. New Yorker Geschichten. München: Piper 1969. 10 Alfred Gong: Early Poems. A Selection from the Years 1941-1945. Edited by Jerry Glenn, Joachim Herrmann und Rebecca S. Rodgers. Columbia, South Carolina: Camden House 1987 [Studies in German Literature, Linguistics, and Culture, Vol. 38]. 11 Alfred Gong: Israels letzter Psalm. Gedichte. Mit einer Auswahl aus dem Nachlass herausgegeben von Joachim Herrmann. Aachen: Rimbaud 1995 [Texte aus der Bukowina. Hrsg. von Theo Buck. Bd. 3]. 12 Alfred Gong: Gras und Omega. Gedichte. Mit sieben Gouachen von K.O. Götz. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Joachim Herrmann. Aachen: Rimbaud 1997 [Texte aus der Bukowina. Bd. 5. Hg. von Theo Buck; Redaktion: B. Albers; Schriften der Alfred Gong Gesellschaft. Bd. 2. Hg. von Jerry Glenn und Joachim Herrmann]. 13 Alfred Gong. Manifest Alpha. Gedichte. Hg. und mit einem Nachwort versehen von Joachim Herrmann. Aachen: Rimbaud 2001, S.10. [Texte aus der Bukowina. Bd. 13. Hg. von Bernhard Albers und Reinhard Kiefer; Redaktion: B. Albers; Schriften der Alfred Gong Gesellschaft. Bd. 3. Hg. von Jerry Glenn und Joachim Herrmann] 14 Barbel Such: Die Stunde Omega / Um den Essigkrug . Zwei dramatische Werke aus dem Nachlass Alfred Gongs. Oxford, Bern, Berlin u.a.: Peter Lang 2007 [New American Studies, General Editor Don Heinrich Tolzmann, Vol. 27]; Alfred Gong: Der letzte Diktator. Tragödie. Hg. und mit einem Nachwort von Bärbel Such. Aachen: Rimbaud 2012. 15 Natalia Shchyhlevska, wie Anm. 5. Auf Initiative von „Fleischerei Mobil / Projekt Theater Studio“ (Eva Brenner) wurde am 29. Oktober 2015 eine Gedenktafel für Jura Soyfer am Hause Lindengasse 41, 1070 Wien, enthüllt. Bei der Enthüllung sprachen u.a. Konstantin Kaiser, Thomas Blimlinger (Bezirksvorsteher Neubau), Herwig Hösele (Zukunftsfonds der Republik Österreich) Hier wurde nach der Festnahme Jura Soyfers am 17. November 1937 bei wiederholten Hausdurchsuchungen das Manuskript des Romans „So starb eine Partei“ beschlagnahmt. Der Koffer, in dem es sich mit anderen Papieren befand, ist immer noch verschollen. Der Text auf der von der Künstlerin Susanne Kompast entworfenen Tafel lautet: JURA SOYFER/ 1912 — 1939// IN DIESEM HAUS WOHNTE DER/ DRAMATIKER UND LYRIKER/ JURA SOYFER.// ER WURDE AM 17. NOVEMBER 1937/ VERHAFTET./ AM 16. FEBRUAR 1939 STARB ER/ IM KZ BUCHENWALD.// MIT IHM GING EINE DER GROSSTEN/ HOFFNUNGEN DER/ ANTIFASCHISTISCHEN LITERATUR/ IN ÖSTERREICH VERLOREN./ UND DENNOCH SCHLIESST/ DIE AUGEN NICHT! DEM STURME BLICKT/ INS ANGESICHT,/ DENN IHR SOLLT ALLES WISSEN! / (JURA SOYFER)// Errichtet 2015 mit Unterstützung des Nationalfonds der Republik Österreich für Opfer des Nationalsozialismus, des Zukunftsfonds der Republik Österreich, der Stadt Wien und des Bezirks Neubau Das auf der Gedenktafel zitierte Gedicht „Sturmzeit“ soll Soyfer 1936 in Reaktion auf die Rückschläge der Republikaner nach dem Ausbruch des Spanischen Bürgerkriegs (17.7.1936) geschrieben haben. Er baute es dann in sein Mittelstück „Der Lechner Edi schaut ins Paradies“ ein. In leicht veränderter Fassung wurde es am 14. Februar 1937 in der Wiener Zeitung „Der Tag“ gedruckt. (Vgl. „Das Gesamtwerk“, hg. von Horst Jarka, Wien u.a. 1980, S. 793).