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der Grillparzer-Gesellschaft mit dem Professortitel ausgezeichnet. Sein Engagement für die NSDAP wird dabei ausgeklammert; über sein Werk heißt es, dass er viele „österreichische Themen“ behandelt und durch ihre „Verbreitung propagandistisch für unsere Heimat gewirkt“ habe.!° Insgesamt kommt Christian Wiesler in seiner Diplomarbeit mit allen im Zsolnay Verlag erschienenen Büchern auf eine Auflage von über 700.000 Stück zwischen 1936 und 1981, wobei der Roman „Mirabell“ mit fast 300.000 Stück das am meisten verkaufte Buch Rainalters auch nach 1945 war. Stefan Zweig und Erwin Reinalter verbindet wohl eine sonderbare Freundschaft. Über Umwege kommt Krems durch Zweig abermals zu literarischen Ehren. Ohne den Kremser Rainalter namentlich zu erwähnen, ist er in einem viel bedeutenderen Werk Zweigs vertreten, nämlich in „Die Welt von gestern“. Die Hinweise, die Zweig bietet, die Bekanntschaft der beiden, die auch durch Briefe und Postkarten über einen langen Zeitraum belegt sind, nicht zuletzt auch der Aufenthalt Rainalters in Salzburg” legen den Schluss nahe, dass es sich bei der von Zweig geschilderten Person um Rainalter handelt. In dieser Bilanz eines Jahrhunderts schildert Zweig einen Vorfall, der sich unmittelbar, nachdem Adolf Hitler Reichskanzler geworden war, zutrug. Da diese geschilderte Begegnung mit einem Kremser stattgefunden hat und Krems eine Vorreiterrolle in Sachen Nationalsozialismus in Österreich geleistet hat'*, mutet dies fast wie ein Puzzle zu einem Gesamtkunstwerk an. „Ich hatte in Salzburg einen Jugendfreund, einen recht bekannten Schriftsteller, mit dem ich durch dreißig Jahre im innigsten, herzlichsten Verkehr gestanden hatte. Wir duzten uns, wir hatten uns gegenseitig Bücher gewidmet, wir trafen uns jede Woche. Eines Tages sah ich nun diesen alten Freund auf der Straße mit einem fremden Herrn und merkte, dass er sofort bei einer ihm ganz gleichgültigen Auslage stehenblieb und diesem Herrn mit mir zugewendeten Rücken ungemein interessiert etwas zeigte. Sonderbar, dachte ich: er muss mich doch geschen haben. Aber das konnte Zufall sein. Am nächsten Tage telefonierte er mir plötzlich, ob er nachmittags auf einen Plausch zu mir kommen könne. Ich sagte zu, etwas verwundert, denn sonst trafen wir uns immer im Kaffechaus. Es ergab sich, dass er mir nichts Besonderes zu sagen hatte trotz dieses eiligen Besuchs. Und es war mir sofort klar, dass er einerseits die Freundschaft mit mir aufrecht, anderseits, um nicht als Judenfreund verdächtigt zu werden, sich in der kleinen Stadt nicht mehr allzu intim mit mir zeigen wollte. Das machte mich aufmerksam. “'? Die Freundschaften von Stefan Zweig standen, wie zuletzt auch Ulrich Weinzierl in seinem Buch „Das brennende Geheimnis“ dokumentiert hat, unter keinem guten Stern. Fast meint man ein Muster zu erkennen, denn Erwin H. Rainalter war nicht der einzige, der sich später als (illegaler) Nationalsozialist entpuppte. Im Vergleich zu „Freunden“ wie Erich Ebermayer oder Benno Geiger ist Erwin H. Rainalter jedoch eine harmlosere Version des Wendehalses. Erich Ebermayer hat auch mit der Familie Mann verkehrt (Klaus Mann notiert in seinem Tagebuch: „Ihm nie wieder die Hand geben!“) In späterer Folge hat Ebermayer Geschichtsfälschung in eigener Sache betrieben, indem er nicht nur die Unterstützung durch Goebbels vergessen machte, sondern feststellt, dass sein Bleiben in Deutschland auf einen Ratschlag Zweigs zurückzuführen sei.”” Benno Geiger, der Zweigs Exhibitionismus „enthüllte“, bekannte sich in einem Brief an Felix Braun offen zu seinem Antisemitismus. „Ich bin kein Antisemit (...) Aber bei Stefan war das Herkunftsmäßige derart ausgeprägt, in Geste und Haltung, in Wort und Rede, dass selbst ein deftiger Jude zum Antisemiten durch ihn hätte werden müssen.“ Dem Kommentar von Ulrich Weinzierl ist nichts mehr hinzuzufügen: „Wer solche Freunde hat, brauchte keine Feinde mehr.“ ?! Als Stefan Zweig sich mit seiner zweiten Frau Lotte am 23. Februar 1942 in Petröpolis bei Rio de Janeiro das Leben nahm, war der Abdruck des Romans „Mirabell“ von Erwin H. Rainalter, der 1941 bei Zsolnay erschienen war und in der „Wiener Illustrierten“ als Fortsetzungsgeschichte abgedruckt worden war, bereits abgeschlossen. In der letzten Fortsetzung vom 21. Jänner 1942 heißt es in dieser Geschichte über den Fürsterzbischof Wolf Dietrich und seine Geliebte und Frau Salome Alt: „Die Jahre gingen hin. In deutschen Landen wogten Stürme, Menschen und Völker standen um ihres Glaubens willen gegeneinander, eine Weltenwende schien sich unter Qualen und Erschütterungen anzukündigen.“” Rainalter hatte sich längst in die Geschichte geflüchtet. „Mirabell“ ist ein unpolitischer historischer Roman, doch um nichts weniger programmatisch, denn nachdem Wolf Dietrich von den Bayern gefangen genommen wird und in Einzelhaft stirbt, bereut Salome nichts, „denn geblieben ist das Glück, das mir zugemessen war“. Eine Identifikationsfigur für jene Frauen der Jahre 1942ff,, deren Männer als Soldaten nicht heimkehren sollten. „Mein Leben war schön trotz allem, dachte sie, und ich würde es gerne noch einmal tragen vom Anbeginn bis zum Ende. Denn alle Not, die später kam, ist versunken und erloschen, wie die Sonne dort am Horizont versinken und erlöschen will. Aber geblieben ist das Glück, das mir zugemessen war. Ich wurde geliebt und ich durfte lieben.“ Um den Stellenwert eines unpolitischen Romans in dieser Zeit bestimmen zu können, ist auch das Umfeld zu bedenken, in dem dieser Roman zu sehen ist. Ein Blick in die „Wiener IIlustrierte* macht dies deutlich. Auf der Titelseite: ein Soldat im Profil, der im Schnee liegt, ein zweiter Soldat, von dem man nur den Stahlhelm und den Rücken sieht, ist gerade im Begriff zum Angriff überzugehen. Diese Soldaten werden wie es im Untertitel heißt „sofort nach der Artillerievorbereitung das Vernichtungswerk vollenden“. PicnerItfuftcicrte Gestorben wird nur beim Feind. Dem „Kampf im Osten“ mit Fotos und kurzen Bildtexten folgt auf der nächsten Seite „Hallo hier Vermittlung Smolensk“ auf Seite 3. Der Alltag der Nachrichtenhelferinnen, die mit hiibschen Hiitchen ausgestattet einen zerstörten russischen Panzer bestaunen. Die nächste Geschichte zeigt die „Luftwaffen-Sanität bei ihrer Ausbildung im Hochgebirge.“ Ebenfalls ohne viel textlicher Erklärung findet sich die Mai 2016 13