OCR
Ankündigung des Films „Anuschka“ mit Hilde Krahl. In diesem Umfeld ist der Abdruck „Mirabell. Der Roman einer Frau“ zu sehen. Das „Unpolitische“ hatte eine eindeutige Funktion an der Heimatfront zu erfüllen und sollte so etwas wie Normalität vorspielen. Bevor Rainalter 1960 in Wien verstarb, wurde er noch mit dem Preis der Stadt Krems ausgezeichnet. Ein Straßenschild für einen griechischen Widerstandskämpfer eröffnet eine neue Welt und zeigt gleichzeitig, welche geistigen Landschaften bisher noch nicht vermessen wurden. Das Verhältnis zwischen Erwin H. Rainalter und Stefan Zweig gehört dazu. Anmerkungen 1 Im Roman des Verfassers „April in Stein“ (Residenz Verlag 2015) wird die Geschichte, die jener von Gerasimos Garnelis ähnelt, erzählt. Im Roman heißt der griechische Häftling Kostas Gernidis. Dass Gerasimos Garnelis verarmt starb und erst nach einer Intervention des Autors ein würdiges Begräbnis erhielt, sei an dieser Stelle angefügt. Der Artikel ist auch unter: hetp://streibel.at/wer-dreimal-stirbt-gerasimos-garnelis/ abrufbar. 2 Siehe: https://de.wikisource.org/wiki/Buchmendel 3 Matjaz Birk, Thomas Eicher (Hg.): Stefan Zweig und das Dämonische. Würzburg 2008. S. 128. Ulrich Weinzierl. Stefan Zweigs brennendes Geheimnis. Wien 2015. S.10. 4 Siehe: Frank Geuenich: Die fiktionale Welt des Stefan Zweig: Verzeichnis der Figuren in seinen Erzählungen und Romanen 2014. (http://stefan-zweig. sbg.ac.at/pdf/Figuren_Zweig.pdf) Paulus Adelsgruber Kein Wahlfieber in Weißrussland. Eine Reise nach Polozk, Witebsk und Minsk Mitarbeit: Marie- Therese Kainzner Vilnius — Grenze Es kommt selten vor, dass man bei dreisprachigen Aufschriften auf Lebensmittelpackungen kein einziges Wort versteht. Die für den baltischen Markt hergestellten getrockneten Apfelringe zwingen den Slawisten aber in die Knie: D£iovinti obualiai — Zäveti äboli — Kuivatatud öunad steht auf der, Gott lob, durchsichtigen Verpackung, die ich am Bahnhof Vilnius kaufe. Der zweimal wöchentlich zwischen Kaliningrad und St. Petersburg verkehrende Zug errettet mich aus dem unverstandlichen Sprachenkosmos — ein sowjetisches Stahlmonster, von der Spatsommersonne aufgeheizt und bis auf den letzten Platz belegt. Erstes Ziel ist Polozk im Norden von Weißrussland. Hier will ich an einer Konferenz teilnehmen und Freunde treffen, und mir danach das Land, in dem Präsidentschaftswahlen anstehen, genauer ansehen. Eine halbe Stunde nach der Abfahrt kündigt sich die Schengengrenze zwischen dem litauischen Kena und dem weißrussischen Smorgon mit Stafetten von Scheinwerfern und Wärmebildkameras an. Der litauische Grenzer wirft nur einen kurzen Blick auf meinen Pass, sein weißrussischer Kollege Pavel D. zieht alle Pässe durch einen tragbaren Scanner und sammelt die 14 ZWISCHENWELT 5 Unter anderem: Storchenburg und sein Knecht, Günther-Verl., 1938; Die Pfaffenberger Nacht oder Ein alter Weinberg an der Donau, Zsolnay, 1947 6 Christian Wiesler: Erwin Herbert Rainalter, der Schriftsteller und Dr. Hugo Jury, der Arzt. Zwei Österreicher im Sog des Nationalsozialismus. Diplomarbeit 2009. S.158. Wenngleich die Diplomarbeit vom wissenschaftlichen Ansatz zweifelhaft ist (z.B. „Im Sog des Nationalsozialismus“) bietet sie doch interessante Details zur Biographie von Erwin H. Rainalter. 7 Christian Wiesler. $.159. 8 Die Ostmark erzählt. Vorwort von Erwin H. Rainalter. Berlin 1941. S.5f 9 Erwin H. Rainalter: Das Bugtheater. In: Neues Wiener Tagblatt. 8.4.1938. S.26. 10 Neues Wiener Tagblatt 9.6.1938.S.1f. 11 Neues Wiener Tagblatt 20.12.1938.S.2. 12 Neues Wiener Tagblatt 23.3.1938.S.2. 13 Neues Wiener Tagblatt 22.4.1938.S.7. 14 Neues Wiener Tagblatt 2.10.1938.S.2. 15 Neues Wiener Tagblatt 19.5.1938.S.2. 16 Christian Wiesler. S.218. 17 Rainalter lebte in den zwanziger Jahren fünf Jahre in Salzburg und arbeitete für das „Salzburger Volksblatt“. 18 Krems war die erste Stadt, wo bei einem Gauturnfest der „Arierparagraph“ zur Anwendung kam, zur Erholung zog sich Georg Ritter von Schönerer nach Krems zurück, in Krems gab es bereits 1932 einen nationalsozialistischen Bürgermeister. Es war dies Karl Rohrhofer zwischen 22.6.1932 und 10.5.1933. Und in Stein war das NSDAP-Mitglied Franz Retter zwischen 29.5.1933 und 6.6.1933 Bürgermeister. Ein Attentat gegen christlich-deutsche Turner im Alauntal bei Krems am 19. Juni 1933 führte zum Verbot der NSDAP in ganz Österreich. Siehe auch: Robert Streibel: Krems 1938 — 1945 Eine Geschichte von Anpassung, Verrat und Widerstand. 526 Seiten. 2014. 19 Stefan Zweig: Die Welt von gestern. 3. Auflage 2014. S. 430. 20 Ulrich Weinzierl: Das brennende Geheimnis $. 156. 21 Ebd. S. 185. 22 Wiener Illustrierte (61. Jg, Nr.3) 21.1.1942. S.8. Emigrationskarten ein. Mit einer Speziallupe macht er sich auf die Suche nach Falschungen. Während der sechsstündigen Fahrt kommt man im beengten Platzkartenwaggon schnell ins Gespräch mit anderen Fahrgästen. Man schwitzt und fächelt. Meine Nachbarin, eine Pensionistin, hat ihren Bruder in Kaliningrad besucht und fährt jetzt nach Velikie Luki in der nordwestrussischen Oblast Pskow zurück. Kaliningrad sei „europäischer“ als ihre Heimatregion: die Architektur, der Austausch mit den Nachbarländern Polen und Litauen. Ich ziehe mich in den kühleren Restaurantwagen zurück und versuche ebenso krampfhaft wie vergeblich meinen Konferenzvortrag fertigzustellen. Ich lande in der Gesellschaft zweier im Baumanagement tätiger junger Russen, die sich leidenschaftlich einem Fachgespräch über Leasingkosten von Betonpumpen und Kränen hingeben: Igor aus Kaliningrad kann über den Maschinenfuhrpark am Handydisplay von Sergej aus St. Petersburg nur so staunen. Alles ist dort größer und moderner, aber auch teurer. Korruption und Misswirtschaft gehören offenbar zur Baubranche wie Beton: Sergej geißelt den gigantomanischen Stadionneubau in St. Petersburg: Die anlässlich der Fußballweltmeisterschaft 2018 angelegte Arena habe bereits jetzt 35 Milliarden Rubel verschlungen, rund eine halbe Milliarde Dollar. Igor kann von anderen dubiosen Geschäften berichten: Ein Kaliningrader Kumpel baut die verrücktesten Schiffsmodelle aus Bernstein. Den