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Klaus Pumberger “Wie viel ich noch lernen muss“! Die Eltern. Der frühe Tod des jüdischen Vaters? Ludwig Beer kommt am 27. März 1919 im Sanatorium „Hera“ in Wien-Alsergrund in der Löblichgasse 14 auf die Welt. Sein Vater Louis Beer, Sohn einer jüdischen Zuwandererfamilie aus Pressburg (heute: Bratislava), ist als Journalist tätig und leitet seit 1904 den Börse-Teil der liberalen Neuen Freien Presse. Seine Mutter Rosa Beer, geborene Ecker, kommt aus Wesenufer an der Donau bei Engelhartszell, Tochter der dortigen Kirchenwirtleute. Sie arbeitet in Wien seit 1906 als private Pflegerin in jüdischen Familien. Anfang Januar 1919 halten Louis Beer und Rosa Ecker standesamtliche Hochzeit, Mitte Mai 1919 heiraten die beiden auch nach „dem Ritus der katholischen Kirche“. Ludwig Beer wird katholisch getauft. Zugleich bleibt Vater Louis Beer weiterhin Mitglied in der jüdischen Gemeinde. Rosa Beer bringt ihren zehnjährigen ledigen Sohn Eduard Ecker mit in die Ehe, den Louis Beer als Pflegekind annimmt. Als sein Vater im März 1921 an Darmkrebs stirbt, ist Ludwig Beer knapp zwei Jahre alt. Ludwig Beer wächst zusammen mit seiner Mutter und seinem Bruder in der Rudolfinergasse 8 in Wien-Döbling auf. Nach der Volks- und Realschule beginnt Ludwig Beer 1933 eine Tischlerlehre, die er im Mai 1937 mit der Gesellenprüfung („guter Erfolg“) abschließt. Für eine höhere Schulbildung und ein Studium fehlen Rosa Beer die Mittel. Das gesamte Vermögen ihres Mannes ist durch die extreme Hyper-Inflation während des Verlassenschaftsverfahrens zwischen 1921 und 1923 aufgefressen worden. Rosa Beer muss als alleinerziehende Mutter ihre beiden Buben durchbringen. Sie ist weiterhin als private Pflegerin bei verschiedenen jüdischen Familien tätig. Zudem wird sie unterstützt von Verwandten und bekommt Zinseinnahmen für das verpachtete DOBLING NUR TER TEE Louis Beer (Wien, um 1918). Foto: Gwendalina Kusch 36 ZWISCHENWELT Anwesen, das die Beers in Wesenufer im Oktober 1917 gekauft haben, ursprünglich angelegt als Soemmers- und Alterssitz.? Sportler, Tischlerlehrling und Kommunist. Gesichter des jungen Ludwig Beer’ Ludwig Beer ist ein begeisterter Sportler. Wandern, Schifahren und Fußball sind seine großen Leidenschaften. Er kickt in der Schüler- und Jugendmannschaft der Vienna. Der Sport führt Ludwig Beer in Jugendgruppen, zunächst in den „Reichsbund der katholischen deutschen Jugend Österreichs“, dann zu den sozialdemokratischen Arbeiterturnern. Hier beginnt sich Ludwig Beer zu politisieren. Dieser Prozess wird durch seine Erfahrungen mit seinem ersten Lehrherrn verstärkt, der ihn regelmäßig zu Arbeiten anhält, die mit dem Tischlerberuf nichts zu tun haben, und ihn zudem immer wieder schlägt. Als knapp 15-Jähriger bekommt Ludwig Beer die Kämpfe im österreichischen Bürgerkrieg unmittelbar vor Ort mit. Es ist dies der erste Wendepunkt in seinem politischen Leben. Zwischen Sommer 1934 und Frühjahr 1935 schließt er sich dem Kommunistischen Jugendverband (KJV) an, der nach den Februarereignissen von mehreren ehemaligen Aktivisten des Verbandes sozialistischer Mittelschüler in Wien-Döbling gegründet worden ist. Im Juli 1935 wird Ludwig Beer im Zuge einer Verteilaktion von Flugblättern der illegalen Freien Gewerkschaften Österreichs gemeinsam mit Teddy Prager verhaftet. Als sein Meister von der Verhaftung erfährt, wird er auf der Stelle entlassen. Als 17-Jähriger gehört Ludwig Beer zum engeren Führungskreis des KJV in Wien-Döbling, zugleich ist er illegaler Jugendfunktionär Ludwig Beer (Wien, 1937). Foto: DÖW, Spanienarchiv