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Homepage später eine ausführliche, von Nachfahren Otto Kallirs veröffentlichte Gegendarstellung”, in der es einleitend heißt: „Leider erwecken unvollständige Zitate und unrichtige Interpretationen aus den betreffenden Dokumenten den Eindruck, als hätte Otto Kallir, ein jüdischer Flüchtling und prominenter Österreicher in Amerika, eine Bindung zu den Nazis gehabt. Dass dies keineswegs der Fall war, ist aus den historischen Dokumenten und aus den eigenen Ermittlungen des FBI ersichtlich.“ Daran anschließend wurde Gerhardt Plöchls Text, soweit er sich mit Otto Kallir befasst, von der Familie ergänzt und berichtigt. Diese machte die damaligen Konflikte dafür verantwortlich, dass Otto Kallir am 12. Dezember 1942 einen schweren Herzinfarkt erlitten hatte. Nach einer langen Phase der Rekonvaleszenz war er aus der „Austrian-American-League“ ausgeschieden und hatte von da an nichts mehr mit Politik zu tun haben wollen. Die „Washington Post“, in der ein Artikel über seine angeblichen NS-Verbindungen erschienen war, veröffentlichte ein Entschuldigungsschreiben, und das FBI stellte die Ermittlungen auf Befehl von J. Edgar Hoover als auf Verleumdungen basierend ein. Otto Habsburg schrieb am 14. April 1942 in einem Bericht an das Office of Strategic Services (OSS, die Vorläuferorganisation der CIA): „Kallir war vielen Angriffen ausgesetzt. Es scheint, diese Angriffe waren unberechtigt. Kallir ist ehrlich, hat aber eine sehr ungliickliche Hand in der Politik.“*” Zu Kallirs angeblichen Kontakten zum NS-System und der ihm zur Last gelegten Verwicklungen in den NS-Kunstraub nehmen Jane, John und Evamarie Kallir folgendermaßen Stellung: „Viele Beschwerden über Kallir waren kleinlich und unbedeutend. [Lyle] Kennedys schwerwiegende Anschuldigungen erwiesen sich entweder als völlig falsch oder als bösartige Verdrehungen von harmlosen Tatsachen. Zum Beispiel geschah die Änderung des Familiennamens ‚Nirenstein‘ auf ‚Kallir‘ 1933, d. h. fünf Jahre vor dem Anschluss, und natürlich nicht als Deckname in der Neuen Welt.”® Die Postkartenfirma American Views war kein Spionageunternehmen, sondern nur, was der Name besagt: eine (leider nur kurzlebige) Postkartenfirma. Die Behauptung, Kallir sei Hitlers Agent zum Ankauf von Bildern gewesen, war reine Erfindung. Anlass dazu war vielleicht ein einziger Vorfall unter dem furchtbaren Druck der Anschlusszeit, als Kallir gezwungen wurde, ein Waldmiiller-Gemalde an Bruno Grimschitz, den Direktor der Osterreichischen Galerie, zu verkaufen. Grimschitz handelte im Auftrag von Goebbels und in zweiter Linie auch Hitlers. Kallir verdiente keinen Groschen an dieser Transaktion. Zufällig wurde Kallir mit Reinhold Hanisch, einem frühen Genossen Hitlers, bekannt, aber Bilder Hitlers — echte oder gefälschte — verkaufte er nie. Einem anderen Gerücht zufolge (laut Kennedy) hätte Kallir den Besitz österreichischer Aristokraten in Paris verkauft und den Erlös unterschlagen. Auch eine Lüge! Kallir verfügte tatsächlich eine Zeitlang über ein großes Konto, welches die Rothschild Bank ihm, als Treuhänder, anvertraut hatte. Das Konto diente keinem ungehörigen bzw. unerlaubten Zweck, sondern um zirka 80 Österreichern die Einreise in die USA zu ermöglichen. Besonders heimtückisch war Kennedys Erklärung, dass Kallir die Ausreise ‚erlaubt‘ wurde obwohl er ein ‚Semit‘ war. Mit andern Worten: Um sein Leben zu retten, musste ein Jude mit den Nazis paktieren! Diese Beleidigung wird von Gerhardt Plöchl übernommen, indem er einen Fall aus dem Jahr 1942 zitiert. Nach vier Jahren war die Lage aber ungleich viel schwieriger. In den ersten Monaten nach dem Anschluss konnten immerhin Tausende von Juden aus Österreich fliehen. Ein Anwalt half Kallir, die Schikanen und Formalitäten der Ausreise zu bewältigen. Derselbe Anwalt half übrigens auch der Familie Sigmund Freuds. Rasches Handeln war unerlässlich. Je länger man wartete, umso schwieriger wurde es. Kallir begann seine Vorbereitungen am Tag nach dem „Anschluss“ und im Juni 1938 befand sich die Familie in Sicherheit in der Schweiz. Beziehungen zu den Nazi-Behörden wurden nicht in Anspruch genommen und waren auch nicht erforderlich, um wenigstens einen Teil von Kallirs Sammlung zu retten. In den ersten Monaten durften Juden noch ihre Wohnungseinrichtung, inklusive Kunst, ins Ausland mitnehmen. Die meisten Künstler in Kallirs Sammlung waren entweder noch am Leben (Oskar Kokoschka, Alfred Kubin) oder erst kürzlich verstorben (Gustav Klimt, Egon Schiele), sodass eine Ausfuhrbewilligung unnötig war. Außerdem galten die meisten als „entartet“ und [waren] von keinem Interesse, weder für die Nazibonzen noch für die Zukunft des deutschen Reiches. Im Ausland waren die meisten dieser Künstler so gut wie unbekannt und daher von geringem Wert, was die Ausfuhr von Kallirs Sammlung erleichterte. Für mehrere Werke in eher traditionellem Stil wurde die Ausfuhr verweigert und das beträchtliche Inventar der Galerie wurde Eigentum seiner „arischen“ Sekretärin. Außerdem beschlagnahmte die Gestapo Kallirs Automobil und seine Amateur-KurzwellenSendestation. Kallir war bestrebt, unter außerordentlich schwierigen Verhältnissen moralisch und menschlich zu handeln. Die Arbeit in der Austrian-American League, welche Plöchl so bedrohlich schien, war schließlich uneigennützig gemeint. Kallirs aufopfernde Bemühungen halfen vielen Juden zur Flucht aus Österreich und unterstützten österreichische Mitbürger in den USA. Obgleich er natürlich nicht allwissend war (Provenienzinformation über Kunstwerke war schr dürftig, besonders in Bezug auf Graphik), tat er sein Möglichstes, um nicht mit Kunstwerken zu handeln, hinter denen er Nazi-Enteignungen vermutete. Kallir gehörte nicht nur zu den wenigen, denen „Raubkunst“ schon damals ein Begriff war, sondern nach dem Krieg setzte er sich aktiv ein, um verschiedene Bilder an ihre früheren Besitzer zurückzuerlangen. Solch einen Menschen als Nazi-Agenten zu prangern, ist eine schreiende Ungerechtigkeit.“ Gerhardt Plöchls Buch erschien 2007, also fast 30 Jahre nach Kallirs Ableben. 2009 erhob der US-amerikanische Historiker Jonathan Petropoulos, ein Experte für die Geschichte des NSKunstraubs, neue Vorwürfe gegen Otto Kallir, wenn auch in differenzierterer Form. Während Otto Kallir in einem Artikel im „New York Oberserver“ 2007 als „Dealer with the Devil“ bezeichnet worden war”, wies Petropoulos in einem Aufsatz“! darauf hin, dass man einige der berühmtesten Kunsthändler, die vor den Nationalsozialisten aus Deutschland oder Österreich geflüchtet waren, bis dahin ausschließlich als NS-Opfer betrachtet und sich auf ihren bedeutenden Beitrag zum Kulturleben ihrer neuen Heimat konzentriert habe. Dies sei zwar weitgehend richtig, doch nicht die ganze Wahrheit. Diese Sichtweise versucht Petropoulos am Beispiel von Otto Kallir und Curt Valentin darzulegen,‘ die er in mehrfacher Hinsicht für repräsentativ hält. Es gehe ihm, so betont er, nicht um die Zerstörung ihres Rufes, sondern vielmehr darum, die Kräfte zu verstehen, die diese talentierten und bedeutenden Kunsthändler dazu veranlasst hätten, sich in multiple Grauzonen zu begeben.“ Mai 2016 51