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Alexander Emanuely Die Sterne zitterten Widerstand und Exil in Frankreich am Beispiel einiger SurrealistInnen Auch wir haben „Erlesenen Leichnam“ gespielt. Mit gefaltetem Papier, aber auchanders. Ermordet, erschossen, vernichtet in den KZs, gefallen mit der Waffe in der Hand, acht Tote, das ist viel, wirklich viel für eine Gruppe, die so wie alle Gruppen dieser Art, nicht mehr als 15 Personen auf einmal, höchstens 20 bis 25 am Höhepunkt, gezählt hat. Die Toten, ganz still und ganz vergessen, lähmen uns: sie waren und sie sind noch immer unsere abgetrennten Glieder. Jean-Frangois Chabrun in den 1970er-Jahren' Jean-Francois Chabrun war 1939 ein 19-jähriger Dichter in Paris. In diesem Jahr schloss er sich mit seinem Schulfreund, dem Dichter Jean-Claude Diamant-Berger, der von André Breton, Diego Riviera und Leo Trotzky in Mexiko gegriindeten ,,Fédération internationale de Part révolutionnaire indépendant“ (Unabhängigen Internationalen Föderation revolutionärer Künstler, FLA.R.I.) an. Es galt den Faschismus zu bekämpfen und die Revolution, anders vielleicht als von der KP erwünscht, zu verwirklichen. Einige Monate nach diesem Beitritt brach der Weltkrieg aus und bald sollte der Sohn des sozialistischen Abgeordneten und Staatssekretärs Cösar Chabrun und der Menschenrechtsaktivistin und Kommunistin Marthe Chabrun als Beamter des Gesundheitsministeriums dem Netzwerk der Widerstandsgruppe „Prosper-PHYSICIAN “angehören und der Resistance Medikamente organisieren. Doch nicht von der Föderation oder der „Prosper-PHYSICIAN “ist die Rede, wenn Jean-Frangois Chabrun von einer Gruppe spricht, sondern von dem in den Monaten nach der Niederlage vom Lyriker und engen Mitarbeiter Andre Bretons Robert Rius gegründeten Zusammenschluss junger DichterInnen „La Main 4 Plume“ (Die Hand an der Feder). Der Name der Gruppe war ein Vers aus Arthur Rimbauds Prosa-Gedicht „Schlechtes Blut“. Ich verabscheue jedes Handwerk. Meister und Arbeiter, alle Bauern, niedrig. Die Hand an der Feder ist so viel wert wie die Hand am Pflug. — Welch eine Zeit für Hände!” Robert Rius, 1944 als Maquisard von den Nazis ermordet, war 1942 der letzte namhafte Surrealist, der in Paris verblieben war, befanden sich doch André Breton, Max Ernst, Benjamin Péret, Wolfgang Paalen im Exil. Und die in Frankreich untergetauchten Dichter Louis Aragon und Paul Eluard verstanden sich ihrerseits schon seit langerer Zeit nicht mehr als Surrealisten. Die meisten der anderen Mitglieder von ,,La Main a Plume“ hatten, so wie Jean-Francois Chabrun oder Jean-Claude Diamant-Berger, gerade einmal ihre Matura hinter sich. Les Réverbéres »Die Hand an der Feder“ hatte eine Vorgeschichte, die mit einer Gruppe namens „Les Reverberes“ (die Straßenlaternen) im Zusammenhang stand, welche im Zuge der Weltausstellung von 1937 Tita, Porträt von Jean-Francois Chabrun, 1941, Tusche. Cover des BUches von Chabrun: Qui fait la pluie et le beau temps, Paris 1943. von jungen KünstlerInnen gegründet worden war. Leon Blum hatte als Regierungschef den KuratorInnen der Weltausstellung den Auftrag erteilt, so viele in Parislebende KünstlerInnen wie nur möglich für die Gestaltung der französischen Pavillons arbeiten zu lassen, als quasi indirekte Kultursubvention. Dabei sollten auch NachwuchskünstlerInnen zum Zug kommen. Michel Tapie war einer von ihnen und zugleich Ko-Kurator? der Weltausstellung. Zum Kreis von Tapie gehörten KünstlerInnen und JazzmusikerInnen, so auch der Maler und Jazzliebhaber Jean Marembert, der sein Atelier in der 55, rue du Cherche-Midi hatte. 1938 riefen Tapie und Marembert die Zeitschrift „LES REVERBERES“ ins Leben, um Dada und dem Jazz zu huldigen. Man organisierte in kleinen Lokalen oder Kellerlokalen und in Kooperation mit dem „Hot Club de France“ Jazz- und Tanzfeste, welche bald Maturanten wie Jean-Francois Chabrun oder Jean-Claude Diamant-Berger oder Kunststudenten wie Asger Jorn‘ anziehen sollten. Diese Mischung aus Jazz, Kellerlokal und Intellektuellen als BetreiberInnen und Publikum wird nach 1945 vielerorts in Europa weitergeführt werden, so in Paris im „Tabou“ oder in Wien im „Strohkoffer“. Einige Monate nach dem Ende der Weltausstellung und der Regierung Blum, am 5. April 1938, an Pablo Picassos Geburtstag, fand in Paris die erste Aufführung der „Reverberes“-Gruppe unter dem Titel „Hommage A Dada“ statt. Man spielte Tristan Tzaras Antipyrine-Stück aus dem Jahr 1920, beidem am Ende mehrfach das Wort „Reverberes“ deklamiert wird — daher auch der Name der Gruppe. Neben vielen weiteren Programmpunkten sang die Sopranistin Olga Luchaire Lieder von Francis Poulenc und Arthur Honegger. Der von Theodor W. Adorno bewunderte deutsche Komponist Erich Itor Kahn begleitete sie am Klavier.’ Erich Kahn wird, wie Andre Breton und viele tausend andere, zwei, drei Jahre später mit Hilfe von Varian Fry das besetzte Frankreich verlassen Mai 2016 57