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Ozenfant, Jacques Lipchitz, Pavel Tchelitchew, Kurt Seligmann und Eugene Berman zu schen. Bei der Eröffnung waren auch fast alle Künstler anwesend, und das großteils dank Varian Frys Fluchthilfe in Marseille. Die Stempel-Schmiede Wir denken, dass man nur Dichter sein darf, wenn man die internationale, marxistische Revolution des Proletariats mit allen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten unterstützt. Wir denken, dass der Dichter alles vergessen muss, was keine intellektuelle und soziale Revolution darstellt, und niemals sein politisches Engagement zu Gunsten poetischer Spielereien aufgeben darf, die wiederum nur die intellektuelle Seite des Egoismus und der Feigheit des Bürgertums darstellt. Und da ihr nicht nur nicht unseren Standpunkt teilt, sondern euch auch weigert, uns diesen in eurer Publikation ausrufen zu lassen, nehmt bitte unseren Austritt an. Jean-Francois Chabrun, Jean-Claude Diamant-Berger, 1939"? Mit diesen Worten hatten sich im März 1939 Jean-Frangois Chabrun und Claude Diamant-Berger von der „Reverberes“-Gruppe verabschiedet. Bald schlossen sie sich Robert Rius, den sie noch von der EL.A.R.I. kannten, an. Dieser gehörte zum Kreis rund um den Bildhauer Rene Iche, mit dessen Tochter, der Dichterin Laurence Iché, er verheiratet war. Das Atelier des Bildhauers in der 55, ruedu Cherche-Midi wird für die Resistance eine zentrale Rolle spielen, da er dieses in ein Hauptquartier der Resistance verwandeln wird. Im September 1940 war Rene Ich Mitbegründer der Resistance-Zelle des „Musee de Homme“ (Museum des Menschen), der ersten Widerstands-Gruppe in Paris und Frankreichs überhaupt. Somit war er einer der ersten prominenten Intellektuellen und Künstler der Resistance.'? Sein Atelier wurde aus mehreren Gründen berühmt, erstens, weil er dort bzw. im Keller die Archiv-Unterlagen des Dreyfus-Prozesses versteckt hatte, Unterlagen, welche die rechtsextremen Offiziere in Vichy sicher gerne vernichtet hätten. Weiters diente Rene Ich&s Adresse ab Juli 1942 als Briefkasten für den Geheimdienst de Gaulles in Paris, genauer gesagt für die Gruppe „Cohors-Asturies“, der wahrscheinlich bedeutendsten Spionage-Organisation in Paris.'* Der Bildhauer war auch Ausbildner und brachte zukünftigen AgentlInnen bei, wie man amtliche Stempel fälscht. Diese Stempel waren neben den Gewehren, die in Gipsabgüssen versteckt wurden, wohl die wichtigsten Waffen der Iché-Schmiede. In seinem Atelier wurden auch von der Gestapo gesuchte Personen versteckt, und das wahrend deutsche Offiziere versuchten, Arbeiten von Iché zu erwerben. Ubrigens haben Jean Marembert und die Geliebte von Philippe Pétain im selben Haus gewohnt.” La Main a Plume 20 bis 25 Mitglieder wird die ,,La Main 4 Plume“-Gruppe zahlen, es waren nicht nur FranzésInnen, es gab auch Mitglieder aus Spanien und der Tschechoslowakei, allesamt Flüchtlinge. Der Gründer der Gruppe, der Dichter Robert Rius, war in den späten 1930er-Jahren als eine Art Sekretär Andre Breton zur Seite gestanden und hatte diesem beim Aufbau der 1937 eröffneten Galerie für surrealistische Kunstwelten „Gradiva“ geholfen. Robert Rius war auch bei der Gründung der schon erwähnten EI.A.R.l. beteiligt gewesen und hatte bei deren Zeitschrift „Cle“ (Schlüssel) mitgewirkt, deren Chefredakteur Maurice Nadeau war und als deren Herausgeber André Breton, der Maler André Masson und der Filmregisseur und chemalige Sekretär Trotzkis Yves Allegret fungierten. In „Cle“, aber auch in der „Partisan Review“ in New York, im „London Bulletin“ und in der Zeitschrift „Clave“ in Mexiko-Stadt war Leo Trotzkis und André Bretons in MexikoStadt verfasstes Manifest fiir eine revolutionare Kunst publiziert worden.'° Nachdem die Deutschen Paris besetzt hatten, war Robert Rius nicht wirklich gefährdet. Er war zu unbekannt und er war nicht Jude. Somit musste er das Land nicht verlassen, wie Andre Breton oder Benjamin Péret, der 1941 dank der Hilfe des mexikanischen Konsuls Gilberto Bosques nach Mexiko flüchten konnte. In Robert Riusens Wohnung in Montparnasse wurde im Mai 1941 zum ersten Mal die Zeitschrift ,,La Main & Plume“ hergestellt. Und in der Nahe seiner Wohnung wohnte in der 9, rue Campagnepremiere ein weiteres Mitglied der „Main & Plume“-Truppe, die tschechoslowakische Malerin Edith Hirschovä (oft auch Hirshowa geschrieben), besser bekannt unter ihrem Künstlernamen Tita. Thr Atelier lag im 1889 erbauten Atelier-Haus „Cite des artistes“, welches noch heute die Funktion erfüllt, Arbeitsplatz für KünstlerInnen zu sein.'” An der gleichen Adresse hatten in einem der 128 Ateliers über kurze oder längere Zeit in den Jahrzehnten zuvor auch Foujita, De Chirico, Modigliani, Giacometti, Kandinsky, Mirö, Picasso, Max Ernst, Paula Modersohn-Becker gearbeitet, eine Zeit lang Rainer Maria Rilke gelebt."* Edith Hirschova war 1934 oder 1935 von Prag nach Paris gekommen und gehörte, wie auch Greta Freist und Gottfried Goebel, zu jenen Pariser KünstlerInnen aus aller Welt, die der Kunstkritiker Andre Warnod 1925 „L’Ecole de Paris“ genannt hatte. Zur Einzelausstellung Titas in der Galerie Billiet-Vorms im Juni 1936 verfasste der berühmte Kunsttheoretiker einen kleinen Text.!? In der von Pierre Vorms geleiteten Galerie waren 1924 übrigens zum ersten Mal Arbeiten George Grosz’ in Paris zu schen gewesen, damals kuratiert von Marcel Ray, später dann welche von Josef Sima und kurz nach Tita 1937 einige von Anton Raderscheidt, der übrigens auch im Haus Lalo&s und von Max Ernst lebte.*° 1942 wird sich der exilierte Maler mit seiner Familie in die Schweiz retten können. Tita malte nicht nur, sondern schrieb auch, so schickte sie von der Weltausstellung 1937 kleine Berichte und Zeichnungen nach Prag, dieim von 1933 bis 1938 existierenden „Prager Mittag“ veröffentlicht wurden, für den auch Friedrich Torberg oder Joseph Roth schrieben. Chefredakteur war Franz Hoellering, der dann wie André Breton ab 1942 in New York für das „Office of War Information“ arbeitete, bald als Leiter der deutschen Abteilung der „Voice of America“. Die Fälscherin Tita und ihre FreundInnen mussten jedoch von etwas leben, außerdem galt es die bald regen Publikationstätigkeiten der Gruppe zu finanzieren. So wurden Bilder der Moderne gefälscht und vergleichsweise günstigan wohlhabende und kunstsinnige PariserInnen, aber auch an Deutsche verkauft. Man produzierte Dalis, Max Ernsts, Tanguys, Mirös, Picassos. Mit dem Geld wurden Mai 2016 59