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Interviews, Originaldokumente und Objekte wie z.B. Zeitspiegel-Artikel und die Free Austrian Movement-Anstecknadel. Nun kann man sich ein Bild machen, was es für jugendliche ÖsterreicherInnen bedeutet hat, ihre Heimat, Freunde und Familienmitglieder zu verlieren und dennoch an ein besseres Österreich zu glauben. Mein Großvater und Freunde waren mit dem jungen Schriftsteller Jura Soyfer im KZ Buchenwald eingesperrt. Nach seinem Tode haben Young Austria und später die Nachfolgeorganisation Freie Osterreichische Jugend seine Werke bekannt gemacht. Jura Soyfers Prasenz begann schon im Exil mit Theateraufführungen von Young Austria mit Otto Tausig. Die Jugendlichen, die sich 1939/1940 als Flüchtlinge in einer fremden Welt verloren gefühlt hatten, entwickelten sich in den Kriegsjahren zu selbstbewussten jungen Menschen. Zu dieser Entwicklung hat Young Austria wesentlich beigetragen. Auch ihr weiteres Leben war durch ihre Erfahrungen im Krieg und mit Young Austria geprägt. Zumeist wurden diese Jugendlichen im Exil KommunistInnen, blieben diesen Ideen treu oder verabschiedeten sich von der KPÖ schon nach dem Slansky-Prozess, die Mehrheit aber nach der Niederschlagung des Prager Frühlings. Young Austrias großer Einsatz gegen Faschisten und die Geschehnisse - von damals bis heute — wirken vor allem durch die vielen Fotos. Die Bücher YOUNG AUSTRIA, ÖSTERREICHERiNNEN IM BRITISCHEN EXIL 1938 — 1947. Für ein freies, demokratisches und unabhängiges Österreich thematisieren u.a. die Kindertransporte und andere Fluchtwege nach Grofbritannien und die Wiedersehenstreffen in Wien und London mit Heimgekehrten und im Exil Gebliebenen. Viele jahrliche Treffen organisierte meine Großmutter mit Erich Herzl. Ihm ist nicht nur der Anstoß zur Young AustriaDokumentation zu verdanken, die ich ab 2010 leitete und dabei drei Bücher mit hunderten Bildern aus Leidenschaft (zu einem günstigen Preis) produzierte, sondern die begleitenden Ausstellungen, Diskussionsabende und Lesungen im In- und Ausland. Leider konnten weder Erich Herzl noch der Mitbegründer Fritz Propst unsere Londoner Präsentation der Gedenktafel für das chemalige Austrian Centre im November 2015 miterleben. Diese bleibende Erinnerung für den öffentlichen Raum, für nachfolgende Generationen gelang mir mit einer dem Außenministerium zugesandten Unterschriftensammlung, wobei schließlich das Austrian Cultural Forum und das Research Centre for German and Austrian Exile Studies in London großartig weiterwirkten. HOME OF THE AUSTRIAN CENTRE MARCH 1939-JANUARY 1947 PROVIDING SUPPORT FOR SEVERAL THOUSAND REFUGEES IN BRITAIN AND WORKING FOR A FREE AND DEMOCRATIC AUSTRIA Das erste Buch veröffentlichte ich im März 2012 mit ausgewählten Geschichten von A-Z im OGB-Verlag, das bei der Ausstellungseröffnung mitdem damaligen britischen Botschafter Simon Smith in der Volkshochschule Hietzing vor hunderten Besuchern präsentiert wurde. Auf Wunsch des Volkshochschuldirektors Dr. Robert Streibel wurde das Material zu den in der Ausstellung repräsentierten Mitgliedern aber nach deren britischen Aufenthaltsorten sortiert. Das Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes erhielt von der ersten Auflage meine hunderten digitalisierten Bilder; diese sind somit ZeithistorikerInnen zugänglich. Zwei Jahre später, 2014, erfolgte die Präsentation des 2. verbesserten Bandes im Alsergrund. Dieser wurde um 18 alphabetisch gereihte Biografien erweitert und um eine DVD mitgefilmten ZeitzeugInnen-Interviews ergänzt. Somit konnte ich über 90 Lebensgeschichten dankenswerterweise im Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft veröffentlichen. Die thematisch geordnete Ausstellung erhielt diesmal den Schwerpunkt Alsergrunder Young Austrians, da viele Funktionäre schon als frühere Rote Falken-Mitglieder in diesem Bezirk aktiv waren. Die Bezirksvorsteherin Martina Malyar, eine treue Freundin unseres Vereines, eröffnete gerne diese wichtige Gedenkpräsentation. Weitere Themen waren österreichische SoldatInnen in der britischen Armee und Künstler und Künstlerinnen wie Erich Fried, Otto Tausig und Free Austrian Movement-Mitbegründerin Anna Mahler - Tochter von Gustav und Alma Mahler. Zum Anlass 70 Jahre nach der Befreiung Österreichs konnte ich österreichische und britische Förderer u.v.m. für unser London-Projekt begeistern, insbesondere die britischen Historikerinnen Dr. Marietta Bearman und Charmian Brinson vom Research Centre. Sie förderten die Buchpräsentation im Austrian Cultural Forum in London, die Produktion der Gedenktafel für das Austrian Centre und unterstützten meinen neuen Young Austria-Katalog und die Ausstellung Young Austria, Austrian Refugees in Britain in the Fight Against Fascism in WWII in der London School of Economics. Mein vierfarbiger englischsprachiger A4-Katalog stellt nicht nur Mitglieder und Freunde des Austrian Centre von der umfangreichen 2. deutschen Auflage vor, sondern 8 übersetzte biografische Erzählungen, u.a. Erich Fried und den 1912 (!) geborenen Wiener und in London lebenden früheren Austrian Centre-Fotografen und Kameramann Wolf Suschitzky. Zu unser aller großen Freude kam Suschitzky am 11. November 2015 zur Buch- und Filmpräsentation ins Austrian Cultural Forum. Er unterhielt sich dort mit vielen aus der 2. und 3. Generation, wobei Suschitzky schmunzelnd meinte, es sei schon erfreulich, ihn mit seinem stolzen Alter von 103 Jahren noch zu den Young Austrians zu zählen. Die Rede schloss ich mit der Bitte an alle, eine Gratulationskarte für das in Bournemouth lebende Young Austria-Ehepaar Herta und Walter Kammerling zu signieren, da sie wegen einer kürzlich erfolgten Operation verhindert waren und eigentlich am selben Abend ihren 71. Hochzeitstag mit uns feiern wollten. Die Gäste kamen dieser Bitte gerne nach und Wolf Suschitzky wünschte dem Jubelpaar schr geistreich: nochmals 70 Jahre. Am Abend des 16. November wurde unsere historisch-biographische Ausstellung in der London School of Economics eröffnet. Wir stellten die Geschichten der Mitglieder thematisch geordnet aus, wie z. B. Krankenschwestern, Woman War Worker und KünstlerInnen. Ein Teil des dort gezeigten Materials isteinzigartig und war bisher unveröffentlichtund damiteine wichtige Ressource für Studenten und Historiker. Der österreichische Botschafter, Dr. Martin Eichtinger und der frühere britische Botschafter von 1988, Robin O’Neill, heute Vorsitzender der Anglo-Austrian Society, begleiteten unsere Präsentation mit Vorworten fürs Buch und persönlichen Ansprachen. Die von unserem Botschafter in der London School of Economics präsentierte Gedenktafel soll am Gebäude des ehemaligen Austrian Centre in Paddington nach der Renovierung des Gebäudes voraussichtlich im Oktober 2016 angebracht werden. Im Zuge eines von Robert Neumüller erstellten Porträts von Elizabeth T. Spira besuchten beide unsere Veranstaltung, da die Geschichte von Spiras Eltern auch in der London School of Economics Teil der Ausstellung war. Der ORF wird einen Teil unserer Gedenkausstellung und Präsentation im Rahmen ihres Porträts im Sommer 2016 senden. Das 2. erweiterte deutschsprachige Buch und der neue englischsprachige Katalog sind in der "Theodor Kramer Gesellschaft erhältlich und wären ohne die Hilfe von Young Austrians, Angehörigen, Kindern und Enkelkindern, meiner Familie und Team-Mitarbeitern, inländischen und britischen Politikern, Organisationen und britischen Historikern niemals so lebendig geworden. Mai 2016 85