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Polizei stellten. Er gab an, nicht zu wissen, welche Risiken ein Jude auf sich nahm, der sich nicht meldete. Über viele Seiten wird dokumentiert, wie dieser Polizeijurist sich zynisch herausredete. Und tatsächlich wurde er 1954 rehabilitiert. Ganzanders verläuft die Geschichte von Kommissar Charles Porte in Chartres, ein Freund und Mitarbeiter von Jean Moulin, der die Resistance bis zu seiner Verhaftung im Juni 1943 geleitet hatte. Porte half der Resistance mit falschen Papieren und war verantwortlich für ein weites Netz des Widerstandes in Chartres und Umgebung. 1943 erfuhr er, dass er beobachtet wird. Im März verließ er seinen Posten und ging in den Untergrund. Im Dezember 1943 wurde Porte in Paris von der Gestapo verhaftet. Bei der Durchsuchung seines Zimmers fand die Gestapo Waffen und Sprengstoff, weswegen Porte gefoltert und im April 1944 nach Auschwitz und Buchenwald deportiert wurde. Kaum zurückgekehrt aus den KZs, wurde am 20. Juni gegen ihn ein Haftbefehl ausgestellt. Porte ging wieder in den Untergrund, wo er sechs Jahre verblieb. Diesmal verfolgten ihn Kommunisten, die ihn, wie er später beweisen konnte, erschießen wollten. 1951 wurde Porte rehabilitiert und wieder als Polizeioffizier angestellt. Warum er von Kommunisten verfolgt wurde, erfuhr er erst zu diesem Zeitpunkt. Im Jänner 1942 wurde auf die Auslage der deutschen Bibliothek in Chartres eine Molotov-Cocktailflasche geworfen, weder Menschen noch Bücher kamen zu Schaden. Der Präfekt nahm die Sache ernst, denn die Besatzungsmacht wünschte, dass die Täter gefunden und bestraft werden. Porte, der eine Ahnung hatte, wer die Täter dieser nutzlosen Provokation gewesen sein könnten, ließ die Sache ruhen. Die Deutschen aber drohten, die Gestapo einzuschalten, der Präfekt in Panik drang auf Verhaftung. Porte, der u.a. für die Fallschirm-Aktionen der Region Chartres verantwortlich war, musste fürchten, dass diese auffliegen könnten, wenn die Gestapo oder die spezielle Brigade eingeschaltet werden würde. Porte wog ab und ließ sieben kommunistische Funktionäre — die für das „Attentat“ verantwortlich waren — verhaften. Er dachte, dass diesen eine milde Strafe drohen würde, doch nach einem in Paris verübten Attentat wurden vier der Verhafteten erschossen. M.O. Baruch stellte über die Beamtenschaft des Vichy-Regimes fest: „Einem Staat dienend, der die Juden als Feinde behandelte, wurden hohe Funktionäre, um ihren Beruf korrekt auszuüben, zu Antisemiten verschiedenen Grades. Sicher nicht rassistisch bewegt wie militante Nazis, sondern wie die gut erzogenen Menschen, die sie waren.“ SS-Standartenführer Helmut Knochen berichteteam 28.1.1941, dass es fast unmöglich sei, bei Franzosen antijüdische Gefühle aus ideologischen Gründen zu erzeugen, während man mit ökonomischen Angeboten leichter Sympathien für den „antijjüdischen Kampf“ gewinne. Manche, wiezum Beispiel Maurice Papon — der als einziger und erst Jahrzehnte später wegen seiner Beteiligungan der Deportation von Juden zu zehn Jahren Haft verurteilt wurde-, konnten nach der Befreiung im Staatsdienst bleiben. Er konnte seine Karriere — dank der Protektion sozialistischer Minister — nahtlos fortsetzen. Er wurde erst Gaullist, nachdem Charles de Gaulle 1958 an die Macht zurückkehrte und ihn zum Chefder Pariser Polizei machte. Am Ende seiner Karrier wird Papon 1978 noch drei Jahre Finanzminister sein. 1981 publizierte die satirische Wochenzeitung „Le Canard enchainé“ von Papon 1943 und 1944 gezeichnete Dokumente, die auf seine Verantwortung für die Deportation von Juden hinwiesen. Er wurde deswegen 1983 angeklagt und erst 15 Jahre später verurteilt. Seitdem der Figaro-Journalist und Autor Eric Zemmour am 4. Oktober 2014 im TV2 erklärte „Petain rettete die französischen Juden“ istviel Wasser die Seine hinuntergeflossen. Dass ausgerechnet ein aus Algerien stammender jüdischer Intellektueller diese Legende verbreitet, hat mit der politischen Agenda seines Bestsellers Der französische Selbstmord zu tun, zu der die „dunklen Flecken“ der Vergangenheit nicht passen. 2015 erschien eine 601 Seiten umfassende Neuauflage des 1981 erschienenen Werkes Vichy und die Juden von Michael R. Marrus und Robert O. Paxton, das die Geschichtsverdrehungen der PétainApologeten offenbarte. Tatsächlich richteten sich die ersten antijüdischen Maßnahmen in erster Linie gegen ausländische oder gegen kurze Zeit davor eingebürgerte Juden. Bereits ein Monat nach der Kapitulation, am 22. Juli 1940, wurde ein Gesetz beschlossen, das die Überprüfung sämtlicher Einbürgerungen seit 1918 vorsah, was dann dazu führte, das fast 80 Prozent der Verleihungen der französischen Staatsbürgerschaft an Juden rückgängig gemacht wurden. Der Besatzungsmacht war von Anfangan bekannt, dass Vichy eine antijüdische Politik betreiben wollte. Otto Abetz, deutscher Botschafter in Paris, berichtete nach einem Gespräch mit Ministerpräsident Laval: „Die antisemitische Strömung im französischen Volke ist so stark, dass sie von unserer Seite keiner Förderung mehr bedürfe.“ Bereits in seinem ersten Buch zitierte Paxton das Telegramm von SS-Hauptsturmführer Theodor Dannecker an Eichmann vom 6. Juli 1942: „Präsident Laval hat vorgeschlagen, beim Abschieben jüdischer Familien aus dem unbesetzten Gebiet auch die unter 16 Jahre alten Kinder mitzunehmen. Die Frage von im besetzten Gebiet zurückbleibenden Judenkindern interessiert ihn nicht.“ 1939 lebten ungefähr 300.000 Juden in Frankreich, davon waren 190.000 Franzosen und der Rest Ausländer, hauptsächlich Flüchtlinge aus Osteuropa und Deutschland. Die Vichy-Regierung ließ 80.000 ausländische und französische Juden in die Vernichtungslager deportieren. Davon waren 24.000 Franzosen und 56.000 Ausländer. Präsident Jacques Chirac brach 1995 mit der Tradition De GaulleMitterrand und bekannte die Schuld Frankreichs und Prasident Francois Hollande schloss sich dem 2012 an. Literatur Thomas Fontaine, Denis Peschanski: LA COLLABORATION. VICHY PARIS BERLIN 1940-1945. Paris: Editions Tallandier, Archives nationales et Ministére de la Défense 2014 Jean-Marc Berliére avec Laurent Chabrun: Policiers frangais sous POccupation. D’aprés les archives de l’épuration. Paris: Editions Perrin 2009 Michael R. Marrus & Robert O. Paxton: Vichy et les Juifs. Paris: Calmann-Lévy 2015 Marc-Olivier Baruch: Servir [’Etat francais, administration en France de 1940 a 1944. Paris: Fayard 1997 Film Marcel Ophiils: Originaltitel Le Chagrin et la Pitié. (Das Haus nebenan, Chronik einer französischen Stadt im Krieg), auf DVD absolut Medien Gmbh, www.absolutmedien.de Oktober 2016 /