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Arthur Rimbaud in „Schlechtes Blut“ auflehnt, wie auch schon ansatzweise es Stefan Zweig 1907 beschrieben hat: „Quel siecle A mains!“ stöhnt er einmal auf. Der vorsichtige, logische Spiralenstieg zu den klaren Erkenntnissen empor widert ihn an: er ist Arbeit. “'! Anmerkungen 1 Tanja Gausterer: Die Literaturvermittler Joseph Kalmer. Versuch einer Annäherung. Dipl. Arb. 2003. FN 42, 111. 2 Tanja Gausterer: Die Literaturvermittler Joseph Kalmer. Versuch einer Annäherung. Dipl. Arb. 2003. 29. 3 Volker Kaukoreit: „... und bitte Sie Kalmer und Kramer von mir zu grüßen“ Otto Basils Kontakt zum englischen Exil nach 1945 am Beispiel von Joseph Kalmer und Erich Fried. In: Volker Kaukoreit, Wendelin Schmidt-Dengler (Hg.): Otto Basil und die Literatur um 1945. Wien 1998. 91. Hadwig Krautler 4 Konstantin Kaiser: Nicht fremde Weite. Der Lyriker, Journalist, Ubersetzer Joseph Kalmer. In: In: Mitteilungen des Instituts fiir Wissenschaft und Kunst (Wien) Jg.42, 2/1987, 52-59. Uberarbeitet in: Konstantin Kaiser: Ohnmacht und Empörung. Wien 2008.71-93. 5 Tanja Gausterer, Volker Kaukoreit: Der Journalist Joseph Kalmer — eine Spurensicherung. Mit einer bibliographischen Dokumentation seiner Beiträge in der antinazistischen Londoner „Zeitung“. In: ZW, Jg. 21, 3-4/2005. 30-37 und 87-88. 6 Raoul David Findeisen: I am a Sinologist and an Expert... — The Translator Joseph Kalmer as a Propagator of New Literature (Fe teJR EAN BE Re — ERE TEA BTC AY ER ZI. In: Studia Orientalia Slovaca 10,2 (2011), 387-409 7 Hans Jacob: Das Leben des Dichters Jean-Arthur Rimbaud. München 1921. 8 Alexander Emanuely: Avantgarde I. Von den anarchistischen Anfängen bis Dada — oder: wider eine begriffliche Beliebigkeit. Stuttgart 2015. 51. 9 Paterne Berrichon: La Vie de Jean-Arthur Rimbaud. Paris 1897. 10 Arthur Rimbaud: Ein Herz unter einer Soutane. Intime Aufzeichnungen eines Seminaristen. In: Sinn und Form. 2/1955, 269. 11 Stefan Zweig: Geleitwort. In: Arthur Rimbaud: Gedichte. Frankfurt a.M. 1964, 60. Alma S. Wittlin (1899-1992),! die aus dem vormaligen Habsburger Reich stammende, in Wien aufgewachsene und ausgebildete, und heute nur mehr in Fachkreisen (insbesondere im anglophonen Sprachraum) bekannte Museologin und Erziehungswissenschaftlerin?, hatte sich stets für eine klare gesellschaftliche Positionierung in Bezug auf die demokratische Organisation der Bildungseinrichtungen und für deren vorrangige Förderung eingesetzt.’ Ihren praktischen Erfahrungen und den Ergebnissen ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen entsprechend, bezog sie sich dabei vor allem auf außerschulische und ‚freie' Lernangebote, wie sie in Kulturzentren, Museen oder Ausstellungen für unterschiedlichste ‚user’* bereitgestellt werden können. Wittlins erst fragmentarisch erfasste Biografie? betrifft die Lebensgeschichte einer Schriftstellerin und Wissenschaflerin, pragmatischen Pazifistin und Feministin. Sie erlebte Schul- und Studienzeiten in Wien, erste berufliche Erfolge im Europa der Zwischenkriegszeit, Exil und Nachkriegsjahre in England, den Neubeginn und weitere 40 Jahre ab 1952 in den USA. Mein besonderes Interesse gilt Wittlins museologischen und erzichungswissenschaftlichen, den auch zu ihrer Zeit anerkannten Beiträgen mit interdisziplinären, innovativen und noch heute überzeugenden Forschungsansätzen. Schon in ihrer ersten Karriere, als Journalistin und Schriftstellerin im deutschsprachigen Raum, hatte Wittlin sich u. a. mit Folgen kriegerischer Auseinandersetzungen befasst, und dabei die Zusammenhänge zwischen elitärem Kunstbesitz, Kunstraub, Machtpolitik und Korruption thematisiert‘. Sie war überzeugt, solch zerstörerischen Entwicklungen sei längerfristig nur unter Zuhilfenahme demokratiepolitisch ausgerichteter Bildungsarbeit und mit öffentlichem Kultur- und Kunstdiskurs wirksam zu begegnen, wobei sie Museen und Ausstellungen wichtige Rollen zuschrieb. Wittlin vertraute darauf, dass allmählich, wenn auch wahrscheinlich nur in winzigen Schritten, Veränderungen und eine bessere Zukunft für die Menschheit erreicht werden könne.” Heute, mehr als 60 Jahre nach Wittlins aufrüttelnden Fragen nach der Funktion und den gesellschaftlichen Aufgaben von Museen, werden diese tatsächlich als besonders wirkungsvolle Kommunikationsmedien geschen: als allgemein offene und respektierte Orte, die mit den unterschiedlichsten interessanten Themen, mit exquisiten und ‚echten’ Objekten, mit attraktiv gestalteten Räumen, Metaphern, Impact und ‚Körperankern’ anders rum zu überzeugendem partnerschaftlichem Austausch und zum gemeinsamen Diskutieren und Lernen einladen können. Dieser Beitrag versucht, anhand von Wittlins Schriften aus der Zeit des Zweiten Weltkriegs, Einblick in die Hintergründe und Entwicklung ihrer Argumentation zu geben. Neben einem Interview, das 1961 in Boston mit Wittlin geführt wurde, und das persönliche Eindrücke wiedergibt, werden unter diesem Blickwinkel einige Archivalien und Publikationen aus den Jahren 1936 bis 1946° vorgestellt. Der Verlaufvon Wittlins Leben war vom europäischen Kriegsgeschehen im 20. Jahrhundert wiederholt direkt beeinflusst, speziell von der NS-Macht- und Verfolgungspolitik. Mit Flucht und mehrfachem Sprachwechsel bot es nicht die besten Voraussetzungen, weder für eine wissenschaftliche Tätigkeit, noch für Eigenständigkeit oder Selbstbestimmtheit. Biografische Artefakte und Archivmaterial aus mehreren Ländern und die (teils publizierten) Ergebnisse von Wittlins lange währender wissenschaftlicher Tätigkeit (bis weit in ihre 80er Jahre)? belegen, dass sie neben vielen Aufenthaltsorten, sehr unterschiedliche institutionelle Strukturen und kulturelle Kontexte erlebte. Es lässt sich auch klar ablesen: Wittlin hat trotz persönlich erlittener Verluste und großer finanzieller Schwierigkeiten (wobei sicher die Flucht 1937 aus der deutschsprachigen Umgebung am gravierendsten zu werten ist), eine grundsätzlich positive Lebenshaltung bewahrt, gekennzeichnet von Mut, sozialem Engagement und demokratischer Einstellung. !" Oktober 2016 17