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aneinandergebunden, aber nicht mit dem Kopf verbunden, sondern eine Kraft über ihnen ließ sie vorwärtstreiben. Das Treiben ging langsam aufwärts mit zunehmend tieferen Atemzügen. Einige waren auf die Vorderen gestoßen und hatten diese umgeworfen. Ein unruhiges Rasseln aus Bronchien kam an sein Ohr, Schaufeln stießen aneinander. Weiter, schrie ein Wachtler, Abstand halten. Der rasselnde, schnaufende Irupp zog schwerfällig weiter, dazwischen leise unverständliche Stimmen. Felix de Mendelssohn Gedichte FÜR MEINE MUTTER ein glas wasser am ende wollte sie nur das kristallglas billigster massenware voll reinem wiener leitungswasser da ihr nichts mehr schmeckte und es blieb nur noch die luft zum atmen nur noch ein letztes trinken wie ich es ihr brachte den ersehnten trank schlief sie schon und röchelte leise und ich ging ins wohnzimmer und wachte dort die nacht durch bis zum morgen ihres gestorbenseins CATULL IM COMPUTER stichwort abnormal probe aufs exempel ein gesicht nach dem andern stimme Hüchtig mechanisch registriert für später morgen wird sich einiges ändern siehst du wenn ich endlich scheiße auf alle diese fragen krieg ich den apparat so bald als möglich? sind die bäume bereit? und abendwolken dicht um uns? für die kalte luft gerüstet? speicherkapazität ist noch vorhanden noch ein tausend elektrikküsse schwester ein tausend digitale sensationen sind nach unserem tod gelöscht für immer ABENDGESELLSCHAFT es war an einem gesitteten abend als durch die macht der beiläufigkeit eingefleischt in zwischenphrasen alles steinern zusammenfloss die toten standen wieder auf im blonden widerschein der raumgestank 36 ZWISCHENWELT Bruno Schernhammer wurde 1957 geboren und wuchs in Oberösterreich, an einer Autobahnbrücke in Vorchdorf auf. Von 1978 bis 1985 arbeitete er in der Voest-Alpine (Stahlindustrie) in Linz. Von 1981 bis 1985 war er Herausgeber der politischen Zeitschrift „Breitmaulfrosch“. Seit 1986 lebt er in Wien und studierte Philosophie und Soziologie. Er publiziert seit mehr als 25 Jahren im arbeitsmarkipolitischen Kontext. die qual unter uns zu sein zerstörte glieder eines zeitabschnitts wer hört was ein anderer denkt hält gespenstern die tür offen wer glücklich hier nicht fragt nichts wissend ist unter lauter fremden zuhause ganzgebliebenes porzellangeschirr von damals es hat beides überstanden krieg und exil aber wie ist der riss in den gesichtern zu kitten — wer macht einen sprung über unseren geselligen abgrund? NACHTS IM FREIEN nachts lege ich mich zusammen weich und fest der muskel des planeten spannt den schlaf sanft über die vorstadt um eine häuserecke kreischt kurz ein moped auf und die laternen surren wieder bei meinen eingefleischten sternen ich und die erde unter einer dünnen decke horchend wo ordnung unerklärliches verwarf auf ein leises verlassenes wort das eigene nest wie ein ufo das ich baue um hineinzufahren ins wüste universum meiner vielen vielen toten und ungeborenen die mich stumm umgeben mit schattenfingern greifen sie mein leben lösen es nächtens auf wie einen knoten und opfern es auf unsichtbaren altären MEINE STADT zögernd begannen einzelne zu singen auf der straße der verrückten keiner grüßte alle waren in eile zwischendurch wurde geschossen nur die bettler blieben wo sie waren ein kind rannte um zigaretten das graue licht fiel immer schwerer