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BERICHTE Manfred Wieninger Der Wiener „Gerechte unter den Völkern“ ist Namenspatron einer Bundeswehrkaserne in SachsenAnhalt. Der aus Wien stammende, 1939 zur Armee Hitler-Deutschlands eingezogene und dort zum Feldwebel avancierte Anton Schmid war 1967 einer der ersten Osterreicher (und der erste Wehrmachtsangehörige überhaupt), der von der israelischen Holocaust-Erinnerungs- und Forschungsstätte Yad Vashem als „Gerechter unter den Völkern“ anerkannt und ausgezeichnet wurde. Von rund 18 Mio. Wehrmachtssoldaten war er mutmaßlich der Einzige, der von der hitlerdeutschen Militärjustiz zum Tode verurteilt und hingerichtet worden ist, weil er Juden zu retten versuchte. Unter (Militär-)Historikern in Deutschland, Litauen und vielen anderen europäischen wie außereuropäischen Ländern gilt Anton Schmid mittlerweile als so etwas wie eine „Ikone des militärischen Rettungswiderstandes“ gegen das NS-Regime. „Eine historische Gestalt, ein mündiger Soldat wie Feldwebel Schmid, der sein Gewissen über seine Angst stellte, hätte natürlich auch eine wichtige Vorbildfunktion für die militärische Traditionspflege und Erinnerungskultur heutiger Armeen“, schrieb der Verfasser in seiner bisher umfassendste Biographie Schmids, „Die Banalität des Guten. Feldwebel Anton Schmid“. Während das österreichische Bundesheer sich bis dato nur dazu durchringen konnte, einen Lehrsaal an der Heeresunteroffiziersakademie Christel Wollmann-Fiedler in Enns nach dem „Gerechten“ Schmid zu benennen, hat die deutsche Bundeswehr am 22. Juni 2016 die bisherige „Harz-Kaserne“ in Blankenburg (Sachsen-Anhalt) ehrenhalber in „Feldwebel-Anton-Schmid-Kaserne“ umbenannt. Es handelt sich dabei um eine Sanitätskaserne, und zwar um das „Versorgungs- und Instandsetzungszentrum Sanitätsmaterial Blankenburg“, von dem aus alle Bundeswehrstandorte im In- und Ausland mit medizinischen Geräten und Medikamenten versorgt werden. Teile des Komplexes, der unter Tage in einem Felsmassiv bei Blankenburg im Nordharz liegt, wurden in der NS-Zeit von KZ-Häftlingen des KZAußenlagers Blankenburg-Regenstein errichtet. Die Initiative für die Umbenennung der „Harz-Kaserne“ in „Feldwebel-Anton-SchmidKaserne“, der sich natürlich auch der Verfasser dieser Zeilen angeschlossen hat, ging von dem deutschen Theologen und Publizisten Jakob Knab aus und wurde von zahlreichen Persönlichkeiten aus Deutschland und dem europäischen Ausland, darunter viele Historiker und anderen Wissenschaftler, Militärs, Künstler und Prominente unterstützt. Im Vorjahr ist eine dementsprechende österreichische Initiative des Verfassers dieser Zeilen, die Melker „Birago-Kaserne“, aufderen Gelände 1944/45 eines der größten Außenlager des KZ Mauthausen untergebracht war, in „AntonSchmid-Kaserne“ umzubenennen, vom österreichischen Verteidigungsministerium leider 1967 besuchte Rachel Hirsch aus Ramat Gan in Israel zum ersten Mal nach dem Verlassen Deutschlands 1939 ihre Geburtsstadt Berlin. Das Jüdische Krankenhaus in der Iranischen Straße wollte sie sehen, wollte wissen, wo sie zur Welt gekommen war und die Familie Hirsch gewohnt hatte. Der Vater, Professor Dr. Hermann Hirsch, war in diesem Krankenhaus Oberarzt der Gynäkologie bis 1939. Rachel wurde am 26. Juli 1937 in dieser Enklave, im Jüdischen Krankenhaus in der Iranischen Straße, geboren, in einer Zeit, in der die jüdische Bevölkerung bereits im gesamten Land drangsaliert und gedemütigt wurde. Als Charlotte Hirsch wurde sie seinerzeit geboren, Rachel wurde sie später und blieb es bis heute. Mutter und Vater waren Hamburger, studierten beide in Freiburg im Breisgau und lernten sich dort kennen. Hermann Hirsch, Sohn von Henri Hirsch, dem Arzt in der Rothenbaumchaussee in Hamburg, studierte Medizin, wurde 1905 in Irier geboren, wuchs in Hamburg auf. Rita Neumann, die Mutter, stammte ebenfalls aus Hamburg, wurde dort 1908 geboren, studierte Philosophie bei Heidegger in Freiburg. 1931 heirateten sie in Hamburg. 1933 wurde die Tochter Elisabeth in Freiburg geboren. Eine Assistenzarztstelle hatte Hermann Hirsch an der Universitätsklinik in Freiburg, habilitierte im Fach Gynäkologie. 1933 kam Hitler an die Macht, Juden wurden abschlägig beschieden worden. „Österreich ist halt anders“, kommentiert Wieninger nun. In einem seiner letzten Briefe an seine Frau und seine Tochter legte Anton Schmid am 9. April 1942 ein bescheidenes Bekenntnis ab: Glaube dir, meine liebe Stefi u. Gertha, daß es ein harter Schlag ist für uns, aber bitte, bitte verzeiht mir. Ich habe nur als Mensch gehandelt und wollte ja niemandem weh thun. Wenn Ihr, meine Lieben, das Schreiben in Euren Händen habt, dann bin ich nicht mehr auf Erden. Werde Euch auch nichts mehr schreiben können, aber eines seid Ihr sicher, daß wir uns einstens wiedersehen in einer besseren Welt bei unseren lieben Gott. ]...] Dieses gebe ich den Pfarrer. In meiner Stube sind 6 Mann von 17-23 Jahren, die dasselbe Los haben. Wegen Fahnenflucht und Feigheit v. Feinde. Alles wird so verurtheilt. Auch Juden sind Feinde, es ist eben so. Gestern sind 10 Mann, zum Tode Verurteilte gekommen. Lauter ältere Kameraden, einer mit 4 Kindern. Es wird keine Rücksicht genommen. Das kennt man nicht. Wo das noch hin führt, weiß niemand. Am 13. April 1942 wurde Anton Schmied in Wilna hingerichtet. Manfred Wieninger: Die Banalität des Guten. Feldwebel Anton Schmid. Wien: Verlag der Theodor Kramer Gesellschaft 2014. 192 S. Euro 21,Im gutsortierten Buchhandel und bei der Theodor Kramer Gesellschaft (office @theodorkramer. at, Tel. +43 1 720 83 84) erhiiltlich. von öffentlichen Einrichtungen endassen, auch Dr. Hirsch. Er fand in Berlin eine Stelle am Jüdischen Krankenhaus. Familie Hirsch zog also in die Reichshauptstadt. Professor Hirsch ahnte Bevorstehendes und schmiedete Ausreisepläne für die gesamte Familie. Die „Reichskristallnacht“ bestätigte seine Befürchtungen. Professor Joseph, der damalige Vorstand der Klinik, hielt sie für lächerlich und wollte ihn abhalten. Am 1. März 1939 schiffte sich Familie Hirsch in Hamburg nach Chile ein. Kurz vor Chile drehte sich das Schiff drei Tage im Wirbelsturm im Meer und Frau Hirsch bangte um das Leben der Familie. Vor Hitler hatten sie sich in letzter Minute gerettet und nun Oktober 2016 49