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grüblerisch zu umfangen“. Die moderne Lyrik misstraue daher einem „wortprunkenden, aber gedankenleeren Ästhetizismus“. „Sie träumt gleichsam erkenntniskritisch“, so Kreutz. Gerade finde eine „Renaissance“ der Lyrik statt — und diese Renaissance gehe von „starken und eigenwüchsigen Dichtern“ aus. Eine einzige Gedichtstrophe dieser neuen Dichter könne „Ausblicke aufreißen, unvergesslicher als die Horizonte sämtlicher Romanfolianten der Welt“. Denn nur das Gedicht könne „den höchsten Sinn eines Kunstwerks“ erfüllen, nämlich im Leser „jene Stimmung zu erzwingen“, die der Dichter erreichen wollte. Auch Theodor Kramer habe dieses „Bezwingende“; es ergebe sich „durch die rückhaltlose Ehrlichkeit seiner Innenschau und durch die Leidenschaft seines Menschentums“. Seine Zustandsschilderungen könnten daher „an Plastik nicht überboten werden“. » Lheodor Kramer kommt wie wir alle bildnerisch vom Kriege her“, sagte Kreutz weiter. Kramers Kriegserlebnisse hätten ihn „zum Dichter erweckt“. Kramer sei aber „kein Ankläger“ dessen, „was er im Schützengraben sah und erlitt“. Vielmehr berichte Kramer „scheinbar unbeteiligt“ — „dennoch und gerade daher“ wirkten Kramers Dichtungen „in einem seltenen Maß erschütternd“. In dieser Rede griff Kreutz auf Gedanken zurück, die er schon einmal geäußert hatte, und zwar in einem Artikel in der „Neuen Freien Presse“ vom 9. August 1931 mit dem Titel „Erkenntnis der Zeit durch das Gedicht“. In dieser Rezension hatte Kreutz Kramers damals erschienenen Gedichtband „Wir lagen in Wolhynien im Morast“ besprochen. Schon in dieser Rezension war die Rede gewesen von der Suche nach Trost „im dichterisch erfühlten Wort“ angesichts der „Ödnis zweckdienlicher Sachlichkeit“, von der Rückbesinnung „des dichterischen Menschen im weitesten Sinne“ weg von der Technik hin zur Erde, von der „von vielen jungen Talenten zähe vorbereiteten Renaissance der Lyrik“. Und auch ein ausdrückliches Lob für Kramer hatte in der Rezension nicht gefehlt: „Die ganze, den Krieg verdammende Romanliteratur hat das fiir ihn Symptomatischste — animalisch dumpfes Dösen und Warten auf Kampf und Tod, resigniertes Verlorensein an das Fatum in Graben und Kaverne — nicht ergreifender nachgeformt als Theodor Kramer in seinem Versbuch , Wir lagen in Wolhynien im Morast‘.“ In seiner Rezension war Kreutz darüber hinaus auch auf die Schwierigkeiten der modernen Lyriker eingegangen: „Sie haben es nicht leicht, diese spröden, in Herbheit verkapselten Begabungen, denn ihre Erdverbundenheit hat nichts billig Schmeichlerisches im Sinne geheiligter Lesebuchüberlieferung.“ Noch dazu werde Kramer, so Kreutz in seiner Rezension, von 12 Z2WISCHENWELT denjenigen Lesern abgelehnt, „die Romantiker der Idee geblieben sind, die alles Elend der Welt verschuldet hat und weiter verschulden wird: des heroisierten Soldatenideals“. Die wesentlichen Aussagen seiner Rezension von 1931 und seiner Rede zum "Theodor-Kramer-Abend 1934 sollte Kreutz in der „Neuen Freien Presse“ vom 22. November 1936 wiederholen, als er über Kramers Neuerscheinung „Mit der Ziehharmonika“ schrieb. Sein Fazit zu diesem Buch: Denen, „die ohne Stimme sind“, wie es im Gedicht heißt, „hat Kramer sein starkes Buch gewidmet“. Kreutz schloss seine Rede am 17. Mai 1934 mit den Worten: „Sie haben, meine Damen und Herren, durch Ihr zahlreiches Erscheinen erwiesen, dass Ihnen der Kulturbegriff Österreich, zu dem wir uns rückhaltlos bekennen, am Herzen liegt. Wir können aber dieses größte Aktivum unserer Heimat nur dann vor Verkümmerung, ja vor Vernichtung retten, wenn wir jene schützen, die das Kulturgut bewahren und — wenn man sie nicht ganz verhungern lässt — vermehren: die Künsder. Indem wir ihnen helfen, helfen wir uns selbst.“ Nach der Rede von Kreutz las Aurel Nowotny „eine Reihe von Gedichten, die die Eigenart ihres Autors nachdrücklich betonten“. Diese Gedichte waren aus Kramers Buch „Die Gaunerzinke“.‘ Danach, so die „Volkszeitung“, habe Inge Halberstam-Kramer „mit schöner, warmer Stimme Verse voll Kraft und Rhythmus“ vorgelesen, und zwar, wie die „Neue Freie Presse“ anmerkte, „zartere, kindhaft rührende und ergreifende Naturbilder“ aus dem Manuskript. „Den Abschluss des Abends“, schrieb die „Volkszeitung“, „bildeten Gedichte, in denen das Erlebnis des Krieges sich zu gewaltiger Wirkung formt.“ Diese Gedichte stammten aus „Wir lagen in Wolhynien im Morast“, so die „Neue Freie Presse“, und wurden von Wilhelm Klitsch gelesen. Für die „Volkszeitung“ war Klitsch, „den man selber so überaus selten hört“, ein „meisterhafter Interpret der starken erlittenen Lyrik, ein Dolmetsch, der wohl dem Dichter gibt, was des Dichters, aber darüber hinaus dem Werk noch seine eigene, gewaltige Persönlichkeit, sein reiches Können leiht.“ Leopold Liegler — Sekretär der österreichischen Akademie der Wissenschaften? — urteilte in der „Wiener Zeitung“, Nowotny, Halberstam und Klitsch hätten „mit erfreulichem Geschick und großer Hingabe“ gelesen.‘ „Mit liebevollstem Verständnis“ hätten die drei gelesen und die Gedichte dadurch „zu stärkster Wirkung“ gebracht, schrieb das „Neue Wiener Abendblatt“. Wie Kreutz in seiner Rezension wies auch Liegler in der „Wiener Zeitung“ auf Kramers Schwierigkeiten hin, breite Anerkennung zu finden - die Dichtung „dieses hochbegabten Wiener Lyrikers“ sei ja „zufolge seiner absichtlichen Härte und der Unterstreichung manches Absonderlichen und Ungewöhnlichen nicht gerade geeignet, beim gewöhnlichen Lesepublikum starken Anklang zu finden.“ Dennoch, so Liegler, zeige das, „was an diesem Abend aus Manuskript und Buch vorgelesen wurde“, den „echten Künstler, der als ein verschämt Leidender und Mitleidender der Welt und den Menschen gegenübersteht, belastet mit dem furchtbaren und unaufhebbaren Erlebnis des Krieges und zermürbt von dem brennenden Schmerz sozialer Not“. Als Liegler 1936, zwei Jahre später, in der gleichen Zeitung Kramers „Mit der Ziehharmonika“ rezensierte, sagte er über den Autor: „(...) Kramer hat sich nie seine Stellung leichtgemacht, er ist seiner Lyrik treugeblieben und hat es immer abgelehnt, marktgängigere Prosa zu schreiben, das muss ihm hoch angerechnet werden.“* Zufrieden war aber nicht nur der Kritiker, sondern auch das Auditorium: Die „Neue Freie Presse“ vom 24. Mai 1934 erwähnte den „warmen Beifall“, mit