OCR
Adornos Negativer Dialektik. Aus seinem aktuellen Buch „Kritik des politischen Engagements“ werden wir heute Auszüge hören. Gerhard, mit dem ich in letzter Zeit einige gemeinsame Veranstaltungen planen durfte, stieß mich vor nicht allzulanger Zeit auf einen Text von Max Horkheimer, dessen Schlusspassage mir für das Wirken beider Autoren zutreffend erscheint: Die kritische Theorie hat (...) keine spezifische Instanz für sich als das mit ihr selbst verknüpfte Interesse an der Aufhebung des gesellschaftlichen Unrechts. (...) An der Existenz des kritischen Verhaltens (...) hängt heute die Zukunft der Humanität. Eine Wissenschaft, Stefan Horvath Über einen Regenbogen Ein besonderer Traum In meinen Träumen möchte ich ein Adler sein, der hoch am Firmament schwebt. Scheinbar schwerelos, nur getragen vom Wind. In meinen Träumen würde ich auf dieser Erde gerne nur Mensch sein. Doch dort habe ich nie das Sein. Verachtet und ausgegrenzt bin ich, bin einfach nur ein Zigeuner. Habe nie ein Land und habe nie eine Heimat. Doch hier über den Wolken, hoch oben am Firmament, da bin ich ein Adler, der frei im Wind tanzt. Und meine Heimat und mein Land ist der endlose Himmel. Und dem Wind bin ich auch willkommen. Bereitsein Beinahe zu Asche und Staub zerfallen liegt ihr hier. Hier, auf den mit Blut durchtränkten Feldern liegt ihr gemeinsam mit der Erde, die eure Knochen gnädig aufnahm. Und wollt heut Zeugnis ablegen und anklagen. Aber der Wind, er bläst unbarmherzig den Staub vor sich her und legt die letzten Reste der namenlosen Knochen frei. Frei für die Sonne, deren sengende Strahlen ihr Werk vollenden und die Knochen zu Staub werden lassen. Bereitsein für den Tag wart ihr, bestimmt von einer braunen Macht. Bereitsein für ihre Helfer wart ihr, die das furchtbare Feuer bedienten. Bereitsein für das Wehklagen wart ihr, doch dafür blieb euch keine Zeit. Bereitsein für die Nummer wart ihr, wie bei einem Stück Vieh in den Arm gebrannt. Bereitsein zum Sterben wart ihr in einem unbekannten Land. Bereitsein fiir das Feuer wart ihr, und bereit fiir die Glut. Staub zu Staub. Der Wind blast ihn vor sich her. Manchmal ganz sanft, und dann schwillt plötzlich sein Atem zu einem Orkan, damit man die erstickten Schreie der namenlosen Opfer nicht hören kann. Und niemand ist da, der dem Wind Einhalt gebietet. Und niemand ist da, der je die Namen der Opfer erfahren wird. die in eingebildeter Selbständigkeit die Gestaltung der Praxis, der sie dient und angehört, bloß als ihr Jenseits betrachtet und sich bei der Trennung von Denken und Handeln bescheidet, hat auf die Humanität schon verzichtet. (Horkheimer 1937, S. 55f.) Horvath der Kämpfer, Scheit der Verfechter, sie sind Vertreter einer solchen kritischen Theorie und Praxis, mit ihrer Literatur und ihren Essays, ihren Vorträgen und ihrer Herausgebertätigkeit, mit ihren öffentlichen Auftritten und ihrer Hartnäckigkeit und letztlich in ihrem Engagement zur Aufhebung des gesellschaftlichen Unrechts. Und niemand ist da, der für sie betet. Aber heute bin ich da, um mit dem Wind zu reden, auf dass er kurz innehält und mir von eurem Schicksal erzählt. Währenddessen wird dann die Sonne ihr Antlitz verhüllen, damit der Himmel endlich weinen kann. Und heute bin auch ich dafür bereit. Verstehen Gern würde ich über den Wolken sein und von oben herab alles sehen, was so unsichtbar ist auf dieser Welt. Verstehen würde ich auch gerne alles Unverständliche und verstehen auch jedes unausgesprochene Wort der Stummen an die Tauben. Von den Blinden würde ich auch gerne ihre Sichtweisen verstehen und von den Gläubigen ihren Glauben. Von den Scheinheiligen ihre Frömmigkeit und von den Vorauseilenden ihren bedingungslosen Gehorsam. Verstehen möchte ich die Gewaltbereiten und auch den Sanftmut der Stillen. Verstehen möchte ich auch all die Grausamkeiten dieser Welt und auch den Edelmut der Barmherzigen. Verstehen möchte ich die Guten, doch auch die Bösen. Aber vor allem möchte ich die Menschen verstehen, die nicht Mensch sein wollen. Heimkehr Wenige Schritte stehe ich vor dem kleinen Dorf, wo einst die Kindheit ich verbracht. Über meinem Kopf sehe ich die Krähen ziehen wie damals vor der letzten Nacht. Behutsam setz ich nun den nächsten Schritt und hab beinahe die Ortstafel erreicht. In meinem Kopf hör ich plötzlich Stiefel marschieren und dazu hör ich noch das laute Geschrei „Weg mit dem Gesindel und weg mit der Brut“, denn dann sind wir endlich von ihnen befreit. Dezember 2016 29