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als schmaler Sinn zu erscheinen; die einem als Erstes auffallen, bevor man sich seine Lyrik tiefer erschließen und auch den übergreifenden Traum seiner Verse deuten kann. Es gibt Kreise, die sich schließen und andere, die sich verbiegen und nicht mehr einrenken lassen, und über den Windungen bleibt ein Geruch von Versuch und Freiheit. „Wie eine Zahl im Kopf, seine Spur hinterlassend im Sand, stapelt sich der Ozean im Dunkeln, jahrmillionenlang wiegt sein totes Kräuseln einen Span.“ Symbol des Seins (das eigentlich keines ist, sondern mehr ein Werden, das sich an das Sein erinnert) ist für ihn das Meer oder noch genauer: die Welle. Das Leben als eine endlose Welle, die kommt und sich zurückzieht, die dich erklärt und sich dir dann entzieht, die weitergeht und doch niemals zurückkommt, sondern immer neu ist. Dieses Symbol macht seine Gedichte teils traurig, teils schön, teils nicht gänzlich auslotbar, weil ihre Strömung ein ewiges „panta rhei“ ist, das auf den Fluten der Gedichte blitzt. „Mit der Summe seiner Winkel überrascht es uns, ohne Tausch — fällt immerzu das Ding doch aus unserer Wortwelt heraus.“ Man muss sie schätzen, ja cher schon lieben, diese— nicht zwingend optisch — langen Gedichte, die einem mehr entzogen werden als gegeben, sodass man oft während der Lektüre mehr im Blick, in Händen hat als danach. Unverwechselbar scheint jede Zeile einem literarisch einwandfreien Gefüge entsprungen, ohne Anspannung, beflissen kryptisch und doch eigentlich, wenn genauer beschen, das ahnende Abbild einer in Worten kaum erfassten Angelegenheit, Substanz einer unsichtbaren Regung, die nur kurz wieder entsteht, wenn du an sie erinnert wirst. Der Radar des Lebens übersieht sie meist; wer soll davon wissen? „Nacht über San Marco. Ein Passant mit zerknittertem Gesicht vergleichbar in diesem Dunkel mit dem vom namenlosen Finger abgestreiften Ring kaut an den Nägeln und schaut umfangen von der Stille in jenes >Nirgendwohin< wo der Gedanke vielleicht verweilen kann, die Pupille — kaum.“ Sprachlich ist Brodsky sicherlich einer der forderndsten Dichter, was nicht einmal an seiner Gelehrsamkeit oder seinem Wortschatz liegt — vielmehr an seinem Ehrgeiz immer wieder Neues und Alternatives in seine elegischen Töne miteinzubringen; noch mehr Gedanken, noch mehr Falten, noch mehr, über das sich nicht einfach so mit dem Finger fahren lässt; der Wunsch, die Elegie auf jedes Wort auszuweiten, das ihrem Ton, ihrer Idee dienen kann. Das Einbinden von Mythen, die Erforschung, Erweiterung und gewundene Verlustigung von Sprache, das Einfangen der ziellosen Gedanken, die Aufbereitung eines Moments in metaphysischer Hinsicht, das Aufwärmen einer Erinnerung, das Imitieren und Parodieren durch das Sprachrohr einer Anleihe - alles Themen seiner Verse und doch alle festhaltend an dem eigenen Ton, dieser werdenden Rille, die sich immer dreht, um neue Perspektiven einzufangen, die nicht stillsteht und auch nicht vorprescht; mit dem Ziel beides zu sein: das Licht und das Beleuchtete, immer weiter zu reichen, ohne ganz zu er-reichen. Und zu bestehen, in dem schmalen Raum, den die Zeilen eines Gedichtes, für sich selbst, erschaffen. „Und in diesem Turm, dem babylonischen Urenkel, dem Turm der Wörter, 42 ZWISCHENWELT nie vollendet, lass mich kein Dach finden, hörst du, ich bitte dich drum!“ „Die Liebe ist ein Akt ohne Verbum als letztes.“ Es kommt einem so vor, als bewahrten Brodskys Verse gleichsam ein Schweigen und doch unermessliche Ansagen. Und wissen kann man es nicht, was von beidem es ist, weil keine Vorgaben gemacht werden und beides im jeweils anderen zu ruhen scheint. „Ich weiß, dass ich vorm Abgrund steh. Und mein Bewusstsein kreist gleich einem Schaufelrad um seine Achse, die unbiegsam ist.“ Und bei all diesem ist seine Lyrik letztendlich auch ein Versuch der Abbildung von Welt als einer Erfahrung, die wir alle, wenn auch oft in unbewussten Momenten verkapselt, bereits erlebt haben oder wenn nicht, dann doch als Fxistenzzustände erkennen können - nur sind sie eben oft konkav und nicht immer nur an ein äußeres Bild, sondern auch an Prozesse im Innern gekoppelt. Sie gehen über dieses Innere hinaus, in die Spiegel, zwischen die Spiegel, den Horizont nach Erkenntnis filternd — und bleiben, verharren doch darin; verschwinden darin. Aber dennoch: Es steckt oftmals der Kern einer sehr menschlichen Regung oder Beobachtung in ihnen. „Wenn ich ‚Unendlichkeit‘ sage, so meinte ich doch immer die Kunst ohne Rest einen Liter Wodka durch drei zu teilen bei Sternenlicht, und den Überfluss an Distanzen — besser nicht.“ „Ließ in meine Träume das Aug des Wachsoldaten, fraß das Brot der Fremde und keine Rinde ließ ich. Erlaubte meinen Stimmbändern alles, bloß keine Klagen. Ging über ins Flüstern. Nun bin ich vierzig. Was soll ich denn sagen vom Leben. Es dauert schon lange. Solidarisch fühle ich mich allein mit dem Kummer. Doch solange sie mir das Maul nicht mit Lehm vollschlagen, wird aus ihm nichts als Dankbarkeit kommen.“ Wie beschreiben? Wie beschreiben? Brodskys Worte suchen nach Antworten, aber seine Verse geben sich einfach dem Strom hin, der die Antworten nicht mitnimmt, der nie eine Antwort mitnimmt, denn Antworten sind begrenzt, und das Fließen ist unbegrenzt. Darin liegt eine elegische, tiefgreifende Substanz; Brodsky verehrte sie und kämpfte doch gegen sie an. Beides zugleich. Seine Gedichte erzählen davon. „Ein Vers ist zu dem andern wie ein Bruder, obwohl sie zueinander Hüstern: Rück ein wenig. Doch jeder ist soweit vom Himmelstor entfernt, so arm, so dicht, so rein, dass — Einigkeit sie füllt.“ Dankbarkeit, Demut und Wachsamkeit, Verhängnis, dünn, und das Greifen nach den Glauben, sie alle haben ihren Stand in den Texten. Doch nirgendwo, und das ist vielleicht das Bemerkenswerte und einzig wirklich auf alle Texte zutreffende Merkmal (und vielleicht das einzige, in dem ich mir sicher bin, Brodsky richtig gedeutet zu haben), ist Zögern. Brodsky selbst zögert nicht: er hat das Zögern umsublimiert in seine Gedichte - es liegt darin und lebt sich als Abschweifen in Gedanken, als Beobachtungspunkt, als Strom der Eindrücke und Bilder, als Wörter findende und suchende Kraft aus. Es überwindet sich selbst. Und bleibt. Und erschafft. „Der Mond oben guckt wie ein verlorener Ball über menschenleeren Tennisplätzen.“ „Zeit ist größer als Raum. Denn Raum ist — das Ding allein. Die Zeit aber ist ihrem Wesen nach Gedanke