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„O, thank you, thank you, at last, thank God. Will I have the advantage of meeting you twenty minutes before, in order to stop shivering with fear considering this change in my old life?“ „According to your letter, you are just 43 years young and the mother of Jonatan (Sabra), a native Israeli. You have travelled a long way, whereas I, the clerk-lawyer have been sitting on the same chair for the last 25 years. There is no need to be afraid of a formality that millions of Jews have undergone before you. Just step in and be yourself.“ » Thank you, thank you, Mr. Andrew Cohen!“ Ich leg auf, atme tief, mach drei große Schritte in Richtung Kaffee und Kipferl, nehme beide vom Tisch und lande in unserem einzigen Fauteuil. Ich muss lachen — über mich natürlich. Dieses Fauteuil — einst ein eleganter „easy chair“ bei schr schr Reichen hierzulande, wie einst einer in Wien, und heute schäbig, aber brauchbar. Wie lang ist's denn her, dieses elegante „damals“ und das heutige „schäbig“? Dreißig Jahre und dreizehn Tage sind’s, vom „Anschluss“ und dem heutigen 26. März, dem ersten großen »Knacks“ — dem Knacks der verlorenen Kindheit. Die anderen Knackse, die da kamen im Laufe der Jahre, taten immer weniger weh. Und der heutige, mit meinem Kind an der Hand, war fast gerauschlos. So gehst du jetzt, nur leicht zitternd, mit Jonatan zum Supreme Court, dem obersten Gericht Amerikas. Ein riesiger Raum mit unzähligen parallelen Reihen begrüßt uns. Wir setzen uns in die vorletzte Reihe, wo noch zwei leere Sitze thronen, einer neben dem anderen. Vor mir gestikuliert ein Bäcker aus Tel Aviv mit unverkennbaren, hässlichen, „einheimischen“ Gesten, tut sehr aufgeregt, denn schreiben kann er nicht. Nicht von rechts und nicht von links. Ein junger Anwalt mit einer dicken Mappe unterzeichnet die Urkunde. Der Bäcker macht nur einen Klecks drauf. In blauer Tinte. Der Klecks sieht aus wie der meinige in dem österreichischen Pass von 1938, mit einem dicken orangefarbenen „J“ drauf. Das „J“ wurde mit den Jahren gelb. „Mrs. Marani next.“ (So hebräisierte ich meinen Namen fürs Reisen in der fremden Welt.) Ich trete vor. Mein Kleid ist dunkelblau und hochgeschlossen bis zum Hals. Hundertprozentig Lehrerin. Nur die Brille, der Zopf, die Warze auf der Nase fehlen. Wie willst du denn ausschauen, du über vierzigjähriger Dummkopf? Du bist das, was du warst. Sag Gott sei Dank. Du erhältst dich und dein Kind im neuen Land und du bastelst an einer Zukunft für es. Also bitte schweigen, gnädige Frau. 43 Jahre jung bist du alt. Also nimm deinen schwachen Realismus aus dem Ränzel und werde endlich für immer erwachsen. Dann steck ihn wieder ein und schreib weiter deine Gedichte, die keiner liest. Stefan Zweigs wurden von Theodor Herzls „Neuer Freien Presse“ angenommen. Deine nirgends. Tröst dich mit den paar Dollar, die du für deine Kurzgeschichten kriegst. Sie haben dir noch kein saftiges amerikanisches Steak gekauft. Nicht einmal eine koschere Gans. „Also das sind Sie, Frau Marani. Es ist mir ein Vergnügen, Sie kennenzulernen.“ „Ihank you, your Honour.“ Der Herr Richter thront hoch über mir aufseinem ehrwürdigen Richterpodium, in seinem langen schwarzen Talar, und ich bin eine Ameise. Nicht eine Ameise im frühlingsgrünen Wienerwald, sondern eine auf dem kalten, unpersönlichen, etwas abgenutzten Gerichtssaalboden. Aber mein Wien geistert auch hier herum. „Sehen Sie diesen dicken Klassair da in meiner Hand? Da drinnen lebt ihr Leben, auf amerikanische Art abgekürzt. Doch von dessen 44 ZWISCHENWELT Glanz und Charme haben wir nichts abgeschnitten. Also erschrecken Sie nicht, yes? You promise?“ „I promise, your Honour.“ „Es ist nämlich unsere Pflicht, den Charakter und die Lebensweise jedes Einzelnen, der die amerikanische Staatsbürgerschaft anstrebt, gründlich zu prüfen. So mussten wir Ihre Nachbarn im hübschen bescheidenen Forest Hills, wo Sie wohnen, über Sie ausfragen. Wir mussten feststellen, ob Sie Ihre Pflichten als Mutter und als Lehrerin in dem besten Gymnasium der Stadt auch wirklich erfüllen. Es freut uns, Ihnen mitteilen zu können, dass unsere Arbeit, die ein ganzes Jahr lang erforderte, zu unserer absoluten Zufriedenheit beendet wurde. Glauben Sie mir das, Frau Marani? Do you?“ „Ido. With pleasure, your Honour.“ „Das freut mich“, sagt der hochgewachsene Mann, der aussicht wie die Priester in Kreta, der freundlichen griechischen Insel zwischen Triest und Haifa, denen wir, meine Schwester und ich, vom Schiffsdeck der „Cielo“ aus zuwinkten. „Also, Sie sind ja wirklich im schönen Wien geboren.“ „Yes, indeed, your Honour.“ „Da haben Sie ja auch die Indianerkrapfen bei Demel gegessen und die Sachertorte bei Sacher.“ „Of course, your Honour.“ „Und schmeckten Ihnen die Cremeschnitten in der ‚Aida‘-Konditorei?“ „Certainly, your Honour. And, your Honour, do you know — meine liebste ‚Aida‘-Konditorei war direkt unter den Säulen der Oper. Ich ging dort schon mit acht hin. Stehplatz, vierte Gallerie. Dort hört man am besten. Das erste Mal wurde ich im Schnee ohnmächtig und so nahm mich meine Mutter mit in die ‚Aida‘-Konditorei zu Cremeschnitten. Dann kaufte sie zwei Sitzplätze unterm früher kaiserlich-königlichen Dach. Es war Puccini, your Honour.“ „Soso, the young lady liked Puccini, my famous countryman.“ „And you, your Honour, were you perhaps in Vienna? Because I am surprised that you know the names of the city’s best bakeshops.“ Der Herr Richter lächelt mich an und mir wird warm ums Herz. „Ich bin gebürtiger Italiener. Ich komme aus dem südlichsten und dem ärmsten Teil Italiens, aus Kalabrien, dem Fuß des italienischen Stiefels. Und von meinem ersten Richtergehalt in Amerika fuhr ich nach Europa. Unserer beider Heimat. Und Ihr Wien war natürlich auch dabei. Ich heiße Pastore und ich fing an, als ganz armer kleiner Zeitungsjunge mein Leben in Amerika aufzubauen. So wie Sie auch jetzt, nicht wahr? Aber wenn man nur will, kann man etwas aus sich machen in diesem gesegneten Land.“ Also Pastore heißt er. Und „Ihr“ Wien hat er gesagt. Und es ist ein bisschen Puccini und ein bisschen Sonne aus Venedig. Er darf dir gefallen. Mach um Gottes Willen kein Gedicht draus. Dein Gesicht darf sich ruhig erhellen, wie damals unter Herrn Felix Weingartners Dirigieren und Herrn Richard Taubers Singen in „La Boheme“. Gustav Mahlers zerknittertes Gesicht hat sich bestimmt auch erhellt vor dem Publikum der Wiener Staatsoper, dem erlesensten Publikum der schönsten Oper der Welt. Dummkopf, warum hast du dir nicht deine knallrote israelische Seidenbluse angezogen, mit dem großen Decollet& und der jemenitischen Silberstickerei. Das hätt ihm besser g’fallen, dem Herrn Pastore, als dieser dunkelblaue Fetzen. Noja, aber wie konnt’ ich wissen... Ich kam da hergetrippelt als armselige Lehrerin, die ihre Staatsbürgerschaft wechselt wie einen Schuh. Das dritte Paar Schuhe. „Und haben Sie wirklich auf der Hebräischen Universität in Jerusalem studiert?“ yl did, your Honour. Ich bin in demselben Jahr geboren wie die „Hebrew University“, im Jahr 1925.“ Der Herr Richter nickt gefällig. Ich hab das nicht gern. Es macht mich unsicher. Denn das Wiener Kinderfett, basierend auf der koscheren Gans und