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Das Entscheidende Da kam mir das Wort entgegen, bevor ich es dachte. Da wurde es zum Bild und geräuschlos. Und es wurde, nach allem, wie denn auch nicht, eine Farbe. Und lief zur Uhr. Der Mittag war rot. Aber die Füße vom Rot waren Grüngrau und Blau wie dein Blick. Um 15 Uhr verirrte sich ein Farbtropfen in eine Leerzeile zwischen Himmel und hier. Und fiel. Die aufschwappende Farbe begegnete zufällig deiner Hand. Ein Stern entstand. Hier schreiben wir Meinungen groß, ähnlich wie Hundskraut und Schneeball. Oder: Wie gut wir es hatten. Das Wort war schon körnig, als ich es hörte. Langsam rollte es aus der Zeit. Von Ziegel zu Ziegel geschwungener Farbpinsel, Fellrot des Fuchses. Die ganze Stadt im Wort. Die schwarze Spur, der eine Katze folgte. Das körnige, in die Enge getriebene Wort. Das Wortknäuel, lose Fäden. Ein Rätsel, herbstlich verästelt. Wolle, war es, ein Bär oder derartig Fremdes, das ich erkannte. Aber was, wenn nicht? Denn als es Geräusch war, sah ich nicht hin. Ich tippte aufs Sandkorn. Es lag nicht dort. Dort, wo es nicht liegt, tickt die Zeit, ihm zum Trotz. Dort, wo es nicht ist, was es ist, kläfft hörbar ein Abgrund von Mensch zu Mensch. Fremdsein Kalte Himmelswüste, leere Kronen Brüchiges Dasein, ein Spruch von Barmherzigkeit Flattern im Wind Erinnerung an Kanäle, Weitergetriebenes Kalte Hände, kalte Füße, Himmelswüste Bettelnde Hunde, Flattern im Wind Hingewehtes Gelalle vom Hiersein und Dortsein Das starre Weiß zwischen den Sätzen, LeerRäume, Platz fürs dunkel-aschige Augenpaar, dort Abschiedsworte, Vorfieberstunden All das Schwere, Gewichtlose Widmung War das ein bekanntes Gesicht dort, wo der Mond schroff herbeisprang? Immer das glühende, reglose Auge. Alles, was das eine Auge betrachtet, entpuppt sich zum Schmetterlingstag. Wir jagen flatternden Stunden nach. Alte Freunde rudern in Sichtweite, fern und unberührbar. Käme jetzt eine Hand auf mich zu, ich fragte: Was will diese Hand? Lege sie da zum Beweis auf den Tisch, Lege sie du zuerst zu den unbewaffneten Dingen! Afamia Al-Dayaa, geb. 1985 mit syrischen und südkoreanischen Wurzeln, lebt in Wien. Studium klassisches Klavier in Trossingen, Brüssel und Wien sowie Sprachkunst in Wien. Letzte Veröffentlichungen: vor dem schnee (und andere gedichte) in: Reisen. Rasen. Rasten. (2015, edition w2, Wien). inzwischen das meer in: Lyrik von Jetzt 3 (2015, Wallstein Verlag, Berlin). In ZW Nr. 1/2016 erschien ihr Gedichtzyklus „erinnern“. Dezember 2016 4/7