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Jannis Kouvaräs Gedichte Aus dem Neugriechischen übertragen von Dietmar Pickl und Jozej Strutz Die Zeiten der Mörder — die Zeiten der Unschuld . nach Auschwitz ein Gedicht zu schreiben, ist barbarisch ... Th.W. Adorno Mitten im Hochsommer der Autobus, ein Sardinenfass Omoniaplatz — Loutsa schaukelt uns schläfrig — Salz beginnt sich zu bilden in den Salinen der Achseln — Eine ältere Frau mit der Geographie des Schmerzes im aristokratischen Gesicht klammert sich an den Haltegriff unauslöschlich eine Zahl auf ihren Arm tätowiert (Das Logo von Auschwitz) „Haben Sie eine Telefonnummer auf Ihren Arm geschrieben, damit Sie sie nicht vergessen?“, fragt unwissend der kleine Junge „Ja, mein Lieber, wir dürfen nichts vergessen.“ Hier in der ahnungslosen Menge wiederkäuend den täglichen Tod Und der Dichter der vor Schwäche den Kopf neigt wenn seine zerbrechlichen Wörter stimmlos in den Abgrund stürzen und er es nicht halten kann das ungeschriebene ohnmächtige Poem Die Frau im Spiegel der Erinnerung Die betrübt fragenden Halbmonde deiner Augenbrauen die tiefen Kanäle deiner Augen die Rettungsboote deiner Lider ich segle verliebt mit dem Schiff Panagia mazi su — Die Muttergottes mit dir dein Erdbeermund deine Schultern die Doppelmonde des August Heliotrop deines Bauches Lyra deiner Hüften krause Weinrebe deines Schamhaars 48 _ ZWISCHENWELT die warmen Ströme deiner Beine die im Jordan deines Leibes münden die Knospen deiner Knöchel die erblühen lassen noch einmal den Frühling Eros Frühling Luft Poesie Nicht splitternackt auch nicht zugedeckt rätselhaft halb entblößt so wie die Frau einem Mut macht Homo Faber Nach N. Karouzo Mit dem Auto unserem wohlbekannten Rollstuhl kehrt der homo sapiens (fauler Mensch)* zurück zum Gang auf allen Vieren. *Wortspiel: homo sapiens/sapios anthropos = fauler Mensch Tränen des Herbstes Eine Woche feiern sie Aphrodite Dionysos einen Monat lang Die Zeit deiner Verehrung hält über den ganzen Sommer Nachher geht die Heuchelei der Kleider verloren du überlässt das Meer und den Jordan den Bewunderern Die heilige Eucharistie Meine Freunde ich trage nichts in die Kunst den Schrecken nur schläfere ich ein Das Alte verwerte ich wieder ich mache urbar ich tilge nicht die Schuld Aufs Rad der Zeit geflochten