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Soonim Shin Rudolf Jeremias Kreutz oder Zweiter Teil Fortsetzung von ZW Nr. 4/2016, wo die ersten vier Unterkapitel des Aufsatzes zum Leben und Wirken von RJ. Kreutz zu lesen waren, und zwar: 1) Kreutz und der Theodor-Kramer-Abend am 17. Mai 1934 im Hotel de France 2) Die Vereinigung sozialistischer Schriftsteller und der PE.N. 3) Das „schwachmütige“ Auftreten der österreichischen PE.N.-Delegation im Mai 1933 und die „legendäre“ Resolution vom 27. Juni 1933 4) Der Auftritt von Kreutz beim Theodor-Kramer-Abend: Politisches Bekenntnis oder ein bloß literarischer Termin? 5) Kein Diener der Schuschnigg-Regierung Kreutz könnte aber 1935, als Schuschnigg Kanzler war, zum Diener der „neuen Herren“ in Österreich geworden sein: Hatte er doch „im Namen und im Auftrag des derzeitigen Vorstands des Wiener Penklubs“ Hans Hammerstein am 29. Oktober 1935 darum ersucht, wieder in den PE.N. einzutreten und sich dann zum Präsidenten wählen zu lassen.'?° Hammerstein war von 1934 bis 1935 Staatssekretär für Sicherheitsfragen!” — und damit einer der „neuen Herren“ Österreichs. Aus der Korrespondenz zwischen Hammerstein und Kreutz geht aber hervor, dass Kreutz — wie auch die im Brief genannten Mitglieder des Vorstands, unter ihnen Auernheimer, Gliicksmann, Schalit und Erwin Rieger — kein Diener der Schuschnigg-Regierung wurde. Auf das Angebot von Kreutz antwortete Hammerstein am 31. Oktober 1935, er sei „gerne bereit, (...) die Präsidentschaft zu übernehmen“.'® Am 25. November 1935, nachdem Hammerstein mit Schuschnigg über die Sache gesprochen hatte, schrieb er Kreutz dagegen, dass die „Regenerierung des Wiener PE.N. Clubs ausgeschlossen“ sei und es daher auch nichts nütze, wenn er Präsident des PE.N. werde'??: Und zwar könne sich der PE.N. deswegen nicht regenerieren, weil Hammersteins Gespräche mit „führenden Schriftstellern sowohl der katholischen als der neutralen als der heimattreu-nationalen Gruppe bezüglich Wiedereintritt (...) überall auf eine (...) vollkommene Ablehnung“ gestoßen seien. Die Ablehnung werde auch damit begründet, „dass es bei der dermaligen Zusammensetzung des Clubs ganz unmöglich sein würde, eine arische Majorität zu erlangen“. Ein Weg sei daher „die Auflösung und völlige Neukonstituierung des Wiener Clubs“, und „der zweite Weg (...) wäre der, dass man (...) nur die (...) bedeutenden Schriftsteller behält“. Kreutz entgegnete darauf am 27. November 1935, dass sich an der Tatsache, dass die meisten PE.N.-Mitglieder Juden seien, „kaum etwas ändern“ lasse'?°; „Es gibt unter den Juden eben eine beträchtliche Anzahl qualifizierter Schriftsteller (...). Gleichschaltung nach berühmtem Muster hingegen, das heißt Ausmerzung der Juden (...) würde den Wiener Klub zu einer lokalen Vereinigung herabdrücken, die der internationalen Bedeutung verlustig ginge.“ Kreutz setzte sich durch: Der PE.N.-Club durfte unter dem Präsidenten Hammerstein weiterbestehen — und die jüdischen Mitglieder durften bleiben. 6) Die Resolution vom 27. Juni 1933 und die Folgen für Kreutz: Literarischer „Selbstmord“ und „Auslöschung“ seines Namens Ludwig Ullmann schrieb im September 1933, es sei „menschlich begreiflich“, dass gewisse Wiener Schriftsteller keine Erklärung gegen Hitler-Deutschland unterzeichnen wollten: Niemand lasse sich gerne „das deutsche Absatzgebiet und damit vielleicht überhaupt seine ganze Existenzbasis“ ruinieren.'?' Und Neumann sagte, dass nach der Resolution vom 27. Juni 1933 nicht nur österreichische Nazis aus dem PE.N. ausgetreten seien, sondern auch „eine Anzahl Vorsichtiger, die es sich mit Nazideutschland nicht vorschnell verderben wollten“; dazu hätten „ausgezeichnete Männer“ wie etwa Felix Salten oder Paul Zsolnay gehört.'? Es schien also vielen Schriftstellern gefährlich, die Resolution vom 27. Juni 1933 zu unterzeichnen. Und auch wenn sie nicht unterschrieben hatten, scheuten sie sich nach der Verabschiedung der richtungsweisenden Resolution sogar, weiter im österreichischen PE.N. Mitglied zu sein. Ihre Furcht war, „das deutsche Absatzgebiet zu verlieren“, wie Ullmann sagte. Diese Gefahr war real: Nachdem Csokor auf dem Kongress in Dubrovnik im Mai 1933 öffentlich gegen die Verfolgung von Schriftstellern in NaziDeutschland protestiert hatte, wurden seine Bücher in Deutschland verboten.'* In einem Brief vom 1. Juni 1933 schrieb er, dass seine Biicher und Stiicke in Deutschland ,,nicht mehr erscheinen, nicht mehr gespielt werden“ dürften.'* Die österreichischen PE.N-Mitglieder mussten also damit rechnen, dass ihre Werke in Nazi-Deutschland verboten würden, wenn sie sich an der Resolution beteiligten. Dass sie trotz dieser Bedrohung aktiv wurden, zeigt ihren Mut. Und die Sanktionen Nazi-Deutschlands ließen nicht lange auf sich warten: Die „Mächtigen Deutschlands“ reagierten schnell, so Amann, und setzten die Unterzeichner auf „Schwarze Listen“, so dass sie ihre Bücher in Deutschland nicht mehr verbreiten durften; genauso wurden diejenigen bestraft, die zwar nicht unterschrieben hatten, aber es wagten, im PE.N. zu bleiben." Der „Bannstrahl ideologischer und ökonomischer Ächtung‘“, von dem Amann’ spricht, traf auch Kreutz: In einem Brief an Kreutz vom 6. April 1936 meldete der Berliner Theaterverlag „Die Rampe“, dass das Reichsministerium für Volksaufklärung und Propaganda das Theaterstück „Preisträger Gottes“ von Kreutz für „unerwünscht“ erklärt habe; der Befehl des Ministeriums an Juni 2017 13