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als auch in unserem Interesse die Sprache schnell lernen, Arbeit finden und sich voll integrieren. Das Grundgesetz und die säkulare freiheitliche Demokratie unserer Republik garantieren für alle Sicherheit, Würde, Freiheit und Gleichheit vor dem Gesetz. Alle ohne Ausnahme haben sich vorbehaltlos zu diesen Werten und Christel Wollmann-Fiedler Meine Gedanken sind bei Hedy Hedwig Brenner aus Czernowitz So manche Nacht kramten wir in Kisten und Kästen in alten Fotos und Dokumenten. Kaum zu glauben, was es da alles zu sehen gab. Erinnerungen gab es bei Hedy viele und Erzählen war ihre Leidenschaft. Ich habe in den Jahren in der Silver Street in Haifa ihre Czernowitzer Familie, die Eltern, die Großeltern, die Großmutter aus dem Leipziger Zirkus und viele andere in Galizien, Wien, der Schweiz und London kennengelernt, selbst auf die lange Schiffsreise der Großeltern nach Indien 1885 nahm sie mich gedanklich mit. Sie wuchsen mir alle ans Herz, als gehörten sie zu mir. Durch Czernowitz begleitete ich Hedy in ihre Kindheit und Jugend, konnte ihrer Begeisterung für die einst multikulturelle Stadt nicht widerstehen. Mental hat sie diese Stadt, diese Heimat, ihre Lebensliebe am Pruth in der Bukowina nie verlassen, auch nie verstanden, dass sie sich verändert hat im Laufe vieler Jahrzehnte. Verwandte und Freunde verschwanden in den 1940er Jahren im eisigen Winter Sibiriens, verhungerten, erfroren oder wurden erschossen, andere starben in den Lagern Transnistriens. 1945 floh sie mit ihrem Mann ins Erdölgebiet nach Rumänien. Vor über dreißig Jahren konnte sie mit Mann und Kind ins Gelobte Land Israel ausreisen. Rentner waren sie und ihr Mann bereits. Hedy akzeptierte das Leben, wie es ihr begegnet war, mit allen Höhen und Tiefen und dem erfahrenen Leid. Gefordert und ermuntert hat sie mich, nicht nur Freundin wurde sie, eine mütterliche Freundin war sie mir in den Jahren. Fast täglich telefonierten oder skypten wir, oft nach Mitternacht. Neues und Wichtiges gab es immer. Alljährlich bildeten wir eine Wohngemeinschaft in ihren kleinen vier Wänden in Neve Shafanan auf einem der hundert Hügel in Haifa. Unser mehrwöchiges Zusammenleben wurde oft strapaziös, Hedys Schwerhörigkeit tat das Ihre, immer waren die Nächte zu kurz, die Gespräche sehr lang. Essays schrieb sie bereits in Rumänien, die Bücher über ihre Familie und die Lexika über jüdische Künstlerinnen entstanden in Israel. Das Finden von Künstlerinnen in der weiten Welt begeisterte sie, die Korrespondenz und die Telefonate mit ihnen ebenso. Jeder, der sie kennenlernte, bewunderte diese umwerfende Persönlichkeit, diese großzügige, disziplinierte Frau. In der winzigen Sitzecke neben der Küche saßen wir oft wie die Heringe aneinandergedrückt beim Essen. Bekocht wurden wir alle von ihr, bekamen die Wiener Schnitzel, den Totsch, und die Mehlspeis*. Die Schmettentorte, wie zu Hause in Czernowitz, war der Höhepunkt. Besucher aus der gesamten Welt campierten für ein, zwei Nächte in ihrer kleinen Wohnung, oft lernte sie diese Gäste erst kennen, wenn sie an die Tür klopften. In meinem Berliner Zuhause empfing sie ihre Gäste, die von weit angereist waren, um sie wiederzuschen oder sie kennenzulernen. 38 _ ZWISCHENWELT zum Grundgesetz zu bekennen, Pflichten zu erfüllen und gesellschaftliche Verantwortung zu tragen. Freiräume für Extremismus und Parallelgesellschaften dürfen nicht zugelassen werden. Denn Demokratien sind, wie wir alle wissen, leicht verletzlich. Selbst aus den USA und aus Siidamerika kamen sie, aus Frankreich, der Schweiz und von anderswo. Mit ihrer Lebendigkeit und ihrem großartigen Gedächtnis verführte uns Hedy bis zuletzt. Ihre beiden Söhne und ihre drei Enkelsöhne liebte sie über alles, Pauls Tod vor drei Jahren hat sie nie überwunden. Adam, der kleine Urenkel in Tel Aviv, wurde ihre übergroße Freude. Am Morgen des 23. Januar 2017 verabschiedete sie sich kurz und bündig mit achtundneunzig Jahren ohne Aufhebens von dieser Welt, die sie so schr liebte. Haifa ohne Hedy ist nicht mehr mein Haifa. Ihre Leidenschaft zum Leben ist mir ein Vermächtnis geworden. Hedwig Brenner, geb. 1918 in Czernowitz, studierte Kunstgeschichte in Wien und Genf; März 1938 Studienabbruch; heiratete 1939 Gottfried Brenner (1913 — 1998). Überlebte im Czernowitzer Ghetto. Nach 1945 in Rumänien; diplomierte Physiotherapeutin. 1982 Auswanderung nach Israel. Langjährige Arbeit und viele Reisen, um ein sechsbändiges Lexikon jüdischer bildender Künstlerinnen zusammenzustellen (erschienen 1998-2016 im Verlag Hartung-Gorre, Konstanz). 2005 und 2006 erschienen ihre Bücher „Leas Fluch. Eine Familiengeschichte — ein Zeitdokument 1840-2003“ und „Mein 20. Jahrhundert“ beim munda-Verlag in Brugg (Schweiz).