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Klaus Taschwer Zur Erinnerung an den Rechtswissenschaftler Josef Hupka (1875 — 1944), einen allzu lange vergessenen Kämpfer gegen Antisemitismus und anderes Unrecht! Wer vor dem Frühjahr 2014 im Netz nach „Josef Hupka+ Wien“ suchte, erhielt nicht allzu viele Ireffer. Einer der ersten Links führte zum Online-Gedenkbuch der Universität Wien, wo es einen kurzen Eintrag inklusive Geburts- und Sterbedatum gab. Man erfuhr, dass Hupka ordentlicher Professor für Handels- und Wechselrecht an der Juridischen Fakultät gewesen war. Dann folgte der oft kopierte Stehsatz vieler dieser Einträge: „Er wurde im Nationalsozialismus aus rassistischen Gründen verfolgt und 1938 seines Amtes enthoben (zwangspensioniert) und von der Universität Wien vertrieben.“ Einen Wikipedia-Eintrag zu seiner Person gab es bis zum 70. Todestag von Josef Hupka ebenso wenig wie einen brauchbaren Nachruf der Universität Wien, an der Hupka fast vier Jahrzehnte lang gelehrt hatte. Der einzige Nekrolog, der sich im Archiv der Universität Wien findet, ist ein undatiertes und unveröffentlichtes Typoskript von Heinrich Demelius, Hupkas Nachfolger nach dem „Anschluss“ im März 1938. Demelius erinnerte sich auf nicht einmal eineinhalb maschingeschriebenen Seiten an seinen Lehrer. Am Ende dieses kurzen Texts heißt es, dass „eine unmenschliche Idee“ Hupka „in das Judenlager Theresienstadt brachte, wo er schon schwer krank eingelangt, nach wenigen Wochen im Mai 1944, 69 Jahre alt, verstarb“.? Einträge in alten Lexika zeichnen ein eindrucksvolleres Bild des Rechtsgelehrten als die trockenen Sätze von Demelius?: Hupka promovierte mit 22 Jahren zum Dr. jur., eine erste Habilitation folgte mit 26 Jahren, eine zweite Habilitation ein Jahr später. Mit 31 wurde er außerordentlicher Professor. Gründlichere Nachforschungen offenbaren freilich nicht nur die beeindruckende Lebensgeschichte eines international renommierten Rechtswissenschaftlers. Die Recherchen machen zudem klar, dass Hupka einer der engagierten Intellektuellen der Zwischenkriegszeit war, der mit Erfolg gegen antisemitisches Unrecht innerhalb und außerhalb der Universität Wien ankämpfte. Die Suche nach Josef Hupka führt aber auch zur bewegenden Geschichte einer gescheiterten Flucht, die für ihn und seine Frau besonders tragisch endete. Wer war Josef Hupka? Geboren wurde Josef Franz Hupka am 22. Februar 1875 als Sohn des Rechtsanwalts Ludwig Hupka in Wien. Die Volks- und Mittelschule besuchte er in der südmährischen Stadt Znaim, wo er mit 17 Jahren maturierte, um danach ein Jusstudium an der Universität Wien anzuschließen. 1897 promovierte er 22-jährig und konvertierte im gleichen Jahr vom Judentum zum Protestantismus.* Von 1899 bis 1901 forschte Hupka in Leipzig, ehe er sich 1901 in Wien mit dem Buch Die Vollmacht für römisches und deutsches biirgerliches Recht habilitierte und in die niederösterreichische Finanzprokuratur eintrat. Ein Jahr später wurde Hupka aufgrund seiner umfangreichen Habilitationsschrift auch noch die Lehrbefugnis für Handels- und Wechselrecht zuerkannt. Ab 1904/05 hielt er an der Uni Wien die ersten Vorlesungen über das Privatversicherungsrecht, seinen hauptsächlichen Forschungsbereich bis 1918. Dazu publizierte er auch mehrere Bücher und leistete wesentliche Beiträge zur Formulierung der österreichischen Gesetze in diesem Bereich.° Nach dem Ersten Weltkrieg wandte er sich stärker Fragen des Wechselrechts zu, das 1912 zwar von 27 Staaten unterzeichnet, aber wegen des Krieges nie ratifiziert worden war. Der Völkerbund organisierte 1930 in Genf eine internationale Konferenz, die ein neues Wechselrecht bringen sollte. Darüber verfasste Hupka sein letztes großes Werk: Das einheitliche Wechselrecht der Genfer Verträge (1934). Zumindest in den zeitgenössischen Medien galt Hupka übereinstimmend als einer der „namhaftesten Professoren der Fakultät“, als „wissenschaftliche Autorität“ in seinem Fach, als „Gelehrter von Weltrang“ und als „Mann von erprobter Unparteilichkeit“.* 1910 heiratete Hupka eine Tochter des heute etwas in Vergessenheit geratenen Komponisten Ignaz Brüll, eines engen Freundes von Johannes Brahms. Josef und Hermine Hupka hatten zwei Kinder: Sohn Robert wurde 1919 geboren, Tochter Marie 1924. Das kunstsinnige Ehepaar interessierte sich sowohl für Musik wie vor allem für die bildenden Künste. Hupka war unter anderem Mitglied der Gesellschaft für vervielfältigende Kunst und Kuratoriumsmitglied des Österreichischen Museums. Zu seinen engen Freunden zählten der Kunsthistoriker Josef Meder, der von 1905 bis 1923 die Albertina leitete, und der Druckgrafiker und Fotograf Ferdinand Schmutzer, der 1916 ein Porträt Hupkas anfertigte. Der Jurist und seine Frau besaßen eine recht bedeutende Kunstsammlung. Prunkstück war eine Mappe mit 30 Federzeichnungen von Moritz von Schwind aus dem Jahr 1825, die den Titel Die Hochzeit des Figaro wägt und die Ludwig van Beethoven auf dem Totenbett bei sich hatte.’ Spätestens nach dem Ersten Weltkrieg nahm Hupka immer wieder in der Neuen Freien Presse gegen große und kleine Ungerechtigkeiten Stellung. Er berief sich bei einer der ersten Interventionen im Jahr 1922 auf den berühmten Rechtswissenschaftler Rudolf von Jhering und dessen genau 50 Jahre zuvor erschienenen Klassiker Der Kampfums Recht. Die Lektüre dieser Schrift würde, so Hupka, „manchen aus der trägen Indolenz gegen die großen Juni 2017 63