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Verfolgung durch die Nationalsozialisten Hupkas Engagement für Gerechtigkeit nahm aber auch formelle Formen an: 1934 wurde er in den Zentralvorstand der Österreichischen Liga für Menschenrechte gewählt.‘ Die älteste Menschenrechtsorganisation Österreichs war erst 1926 gegründet worden und vollzog nach dem ‚Anschluss‘ von 1938 vorsorglich ihre Selbstauflösung. Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten gehörte er zu den 252 Universitätslehrerinnen und -lehrern der Universität Wien, die bis zum 23. April 1938 entfernt wurden. Als erste individuelle Verfolgungsmaßnahme gegen seine Person verfügte das Devisenfahndungsamt am 12. Mai 1938 die Sperre von Hupkas Bankkonto wegen der ‚Gefahr der Verschleppung von Vermögenswerten in das Ausland‘. Dann machte man sich an sein Vermögen und das seiner Frau heran, insbesondere an das Prunkstück ihrer wertvollen Kunstsammlung, die erwähnte Zeichnung Die Hochzeit des Figaro.” Wie die Restitutionsexpertin Sophie Lillie 2003 rekonstruierte, wurde die Mappe den Hupkas von den Städtischen Sammlungen abgepresst - zwar noch verhältnismäßig gut bezahlt, aber unter Ausnützung der Zwangslage, in der sich das Ehepaar befand.” Bereits vor dem erzwungenen Verkauf am 18. März 1939 war Hupkas Vermögen wohl vor allem wegen der zu entrichtenden ‚Reichsfluchtsteuer‘ für seine Kinder wesentlich geschmolzen. Damit konnte Hupka immerhin die Ausreise seines 1919 geborenen Sohns Robert nach England ermöglichen. Die fünf Jahre jüngere Tochter Marie stellte im September 1938 ihren Ausreiseantrag nach England, am 12. Januar 1939 reiste auch sie aus Wien ab. Es war der letzte Tag, an dem sie ihre Eltern sah.” Josef Hupka war laut seiner Tochter Marie auch Anfang 1939 noch nicht zur Flucht zu bewegen. Er habe darauf bestanden, dass er nach 38 Dienstjahren für die Universität ein Anrecht auf seine Pension habe, und er wollte nicht auf die Wohltätigkeit anderer Leute angewiesen sein.” Währenddessen wurde Heinrich Demelius am 28. Januar 1939 zu Hupkas Nachfolger als Ordinarius für Handels- und Wechselrecht ernannt. Demelius war ein Schüler Hupkas und hatte dieses Fach zuvor an der Hochschule für Welthandel (der heutigen WU Wien) vertreten. Demelius war nach eigenen Angaben ab 1940 als Blockleiter der Wiener Ortsgruppe Hietzing mit der Wahrung der Geschäfte betraut und trat Anfang 1941 der NSDAP bei. Er hoffte 1945, „was mir das wichtigste ist, auch in den sieben Jahren des Nationalsozialismus im großen und ganzen ein anständiger Mensch gewesen zu sein“.°? Die Frau seines Bruders, die jüdischer Herkunft war, kam im November 1945 freilich zu einer anderen Einschätzung: „Ideologisch ist er unter allen Akademikern, die ich kenne, der größte und unbeirrbarste Nazi.“ Demelius konnte seine Lehrtätigkeiten im Wintersemester 1945/46 sowohl an der Universität Wien wie auch an der Hochschule für Welthandel fortsetzen, wurde aber im April 1946 vom Lehramt enthoben. Diese Zwangspause sollte nur knapp drei Semester lang bis zum Wintersemester 1947/48 dauern. Ende 1948 erhielt er auch wieder seine ordentliche Professur. Für das Studienjahr 1952/53 wählte ihn die Fakultät das erste Mal zum Dekan, das zweite Mal 1961/62. Demelius wurde 1962 wirkliches Mitglied der Österreichischen Akademie der Wissenschaften und emeritierte erst 1965 mit 72 Jahren.“' Ausgerechnet Demelius war es, der irgendwann nach 1945 den eingangs zitierten Nekrolog über Hupka als Rechtwissenschaftler verfasste. Angesichts dieser lange klaffenden wissenschafts- und universitätshistorischen Forschungslücke stellt sich die Frage, ob es Zufall war, dass ausgerechnet jener Rechtswissenschaftler, der sich in der Zwischenkriegszeit am erfolgreichsten gegen den universitären Antisemitismus zur Wehr setzte, bis weit in das 21. Jahrhundert hinein so wenig Aufmerksamkeit fand. Vergebliche Fluchtversuche Ende März 1939 wurde Josef Hupka dann die Pension gestrichen. Zu diesem Zeitpunkt waren die Flüchtlingsquoten in allen Botschaften längst überschritten. Deshalb füüchteten Josef und Hermine Hupka vermutlich Mitte Juli 1939 nach Zürich, wo es ihnen aber nicht gelang, Asyl zu erhalten. Wahrscheinlich kamen sie Mitte August 1939 in Amsterdam an. Dort schien die Rettung abermals greifbar nahe: Die Hupkas hatten laut Marie Parkinson für den 9. September 1939 einen Flug von Amsterdam nach London gebucht. Doch am 1. September brach der Zweite Weltkrieg aus, die Flüge wurden gestrichen.“ Das war nicht der letzte geplante Fluchtversuch, der nur knapp scheiterte. Insbesondere ihr Sohn Robert ließ nichts unversucht, seine Eltern zu retten: Er reiste im November 1939 von England in die USA, um sie in die Vereinigten Staaten zu holen. Angeblich bat Robert Hupka die Leitung der Columbia University in New York, seinen Vater für eine Stelle an der dortigen Juridischen Fakultät in Betracht zu ziehen. Wie die Tochter in ihren unveröffentlichten Erinnerungen schrieb, scheiterten angeblich im letzten Augenblick auch Pläne, nach Südamerika zu emigrieren.“ Die Ursache lag darin, dass die deutsche Luftwaffe in einem Überraschungsangriff im Mai 1940 Rotterdam nahezu dem Erdboden gleichmachte und Deutschland die Niederlande okkupierte. Das war auch der Zeitpunkt, an dem der briefliche Kontakt zwischen Josef Hupka und seinem Sohn abriss, der angesichts der Ereignisse in den Niederlanden einen Nervenzusammenbruch erlitt und über mehrere Monate in psychiatrischer Behandlung war. Robert fühlte sich schuldig, seine Eltern nicht rechtzeitig gerettet zu haben - eine Schuld, unter der er sein weiteres Leben lang leiden sollte.“ Das Ehepaar Hupka verbrachte spätestens die Jahre 1941 und 1942 in der niederländischen Stadt Bilthoven, in unmittelbarer Nachbarschaft von Irene Hellmann, der Mutter von Bernhard Hellmann. Der 1903 in Wien geborene Bernhard Hellmann war der beste Freund des Verhaltensforschers Konrad Lorenz und bereits in den frühen 1930er Jahren von Wien nach Rotterdam iibersiedelt.* Das Haus, in dem sie sich versteckt hielten, gehörte einer Frau, die im Widerstand tätig war und ‚Tante Kee‘ genannt wurde. Dort trafen sich weitere Widerstandskämpfer, und in dem Haus wurden auch Waffen versteckt.“ Irgendwann dürften die Verzweiflung und die Angst so groß geworden sein, dass die Hupkas rund um den 12. November 1942 mit Bernhard Hellmann und seinem damals siebenjährigen Sohn Paul den Fluchtversuch über die Grenze wagten. Ein Schlepper brachte sie gegen Geld an die Grenze, weil sie vermutlich über Belgien in jenen Teil Frankreichs gelangen wollten, der von Hiders Truppen nicht besetzt war — vermutlich in der Hoffnung, dass Juden dort weniger brutal verfolgt würden als in den Niederlanden. Doch niemand holte die vier Leute von der anderen Seite der Grenze ab. Die hoffnungslos Umherirrenden wurden vom niederländischen Militärpolizisten Gerrit van Kasbergen entdeckt.” Trotz des großen Risikos für alle Beteiligten gelang es dem erst Juni 2017 67