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von seiner Ideologie, Tradition und Geschichte, sondern von seinem fortwaltenden Schicksal auferlegt ist. 5) Glaubte ich der österreichischen socialistischen Politik entgegenhalten zu müssen, daß sie sich nicht nur mit der Weltentwicklung, sondern mit der Politik ihrer socialistischen Schwesterparteien in Konflikt zu setzen droht; so glaube ich, Ihnen das Bedenken vortragen zu müssen, daß sich die österreichisch-jüdische Politik mit der Politik des internationalen Judentums in Konflikt zu begeben droht: Dem nichtzionistischen österreichischen Juden vermag nicht zu entgehen, daß sich die Mehrheit der in den westlichen Ländern vor unserer Einwanderung angesiedelten Juden nicht in das zionistische Fahrwasser zu begeben wünscht. Sondern, seiner Tradition entsprechend, die übernationale Mission der nationalen voranstellt. Sie sind daher entschlossen, für ihre jüdisch-britische oder jüdisch-amerikanische Doppelnationalität zu kämpfen, ja sie sterben dafür! Und gestatten Sie, daß ich meiner Überzeugung Ausdruck verleihe, welche die Überzeugung vieler, wenn nicht der meisten österreichischen Emigranten ist: sie tun Recht daran! Und sie dienen damit auch dem Judentum! Ja, sogar Palästina! Wie überhaupt Palästina keineswegs nur ein Werk des betonten jüdischen Nationalismus war, ist und sein kann! 6) So wenig ich den Versuch unternehme, doktrinären Sozialismus davon zu überzeugen, daß er Unrecht hat; so wenig unternehme ich den Versuch, jüdischen Nationalismus zu überzeugen, daß er Unrecht hätte, wenn er zum nationalen Isolationismus übergeht! Wofür ich nur kämpfe, ist die nächste Zukunft! Und von der scheint mir gebieterisch zu gelten, daß jüdischer Universalismus sich behaupten muß! Wie ich an Dr. Pollak schreibe: ich versteh das Dilemma gar nicht! Ich könnte es noch verstehen, wenn Sie in das gleiche Horn blasen würden, wie die englischen Juden oder die amerikanischen, gleichgültig, ob Sie seine Töne für richtig oder falsch halten! Aber schen Sie denn nicht, daß Ihr Standpunkt rettungslos utopisch für die nahe Zukunft ist? Daß Ihrem Kampf für die jüdische Weltarmee nicht nur die Welt, sondern die erdrückende Mehrheit des westlichen Judentums entgegensteht? Daß Ihr Kampf hoffnungslos ist, würde ihn nicht verurteilen! Aber, daß er die ganze Emigration gefährdet, das muß ich Ihnen zu bedenken geben! Die Undankbarkeit der Aufgabe, gegen den reißenden Strom zu schwimmen! 7) Das Memorandum bemüht sich, jene Aufgaben zu umreißen, welche sich dem Judentum im Zusammenhang mit der österreichischen Frage eröffnen werden. Ich traue mich nicht zu sagen: in Österreich eröffnen werden! Denn, ob die jüdische Emigration in der Lage sein wird, nach Österreich zurückzukehren - so weit sie es überhaupt will - kann nur die Zukunft entscheiden! Damit meine ich nicht den Sieg, an dem wir alle nicht zweifeln; sondern die Struktur, welche ein Österreich der Zukunft haben wird. Mir scheint nur schwer erfindlich, wer in aller Welt die emigrierte Judenschaft in der Erfüllung ihrer Aufgabe sollte ersetzen können? Wer die ärztlichen, wissenschaftlichen, kulturellen, juristischen, wirtschaftlichen Funktionen übernehmen soll, nachdem jene wieder verdrängt sein werden, die uns daraus im Jahre 1938 verdrängt haben? Es mag naheliegend sein, darauf die Antwort zu geben: was kümmerts uns? Nach all dem, was uns, unseren Eltern und unseren Kindern an Körper und noch ärger an Seele angetan worden; und noch immer wird! Wie hat es der selige König von Sachsen gesagt? Sollen sie sich ihren Dr... allens machen! Aber Halt! Zunächst: was für ein häßlich-egoistischer Satz eines Duodezfürsten, dem am Herzen lag, sich auf seine Sineküren zurückzuzichen! Wie falsch für Menschen, die ein sociales Gewissen, aber dafür keine Sineküren haben! Die Zukunft der Welt gestattet nicht, daß man Österreich sich selbst überlasse! Schon weil sich Dreck nicht „allens macht“, sondern die Welt besudelt! Nein! Entzöge sich das Judentum einer so aufliegenden Pflicht, noch dazu einer, welche aus der Aufgabe der Wiederbesetzung eben erst verlorener Positionen resultiert, es gäbe sich selbst auf! 8) Ich bin davon durchdrungen, daß allein der wirtschaftliche Druck der kontinentalen Emigration keine andere Auswahl lassen wird, als neuerlich ihr Glück auf dem Kontinent zu versuchen. Das gilt natürlich nicht für jeden, aber für viele! Wobei die Stärke dieses wirtschaftlichen Druckes heute noch gar nicht meßbar ist! Auch die Emigration scheint zu illustrieren, daß das Judentum — getreu seiner übernationalen Tradition und Mission — die Tendenz beibehält, sich um jene Berufe zu bewerben, in denen es Gelegenheit zu übernationalem Wirken findet. Die Zahl solcher Funktionen in jedem Lande, unter Einschluß Amerikas, ist gezählt; besonders dann, wenn das Judentum die Gefahr monopolistischer Besetzung von Berufszweigen vermeiden will, der man sich auch in Mitteleuropa zu schr genähert zu haben scheint. Schon aus solchen wirtschaftlichen Ursachen scheint mir das Judentum — gleichsam wie nach den Gesetzen vom kommunizierenden Gefäße — genötigt, keine Länder unbesetzt zu lassen. Es wird aber durch seine Ideologie auf der einen Seite, durch die Nachfrage auf der anderen, und nicht zuletzt durch seine jeweiligen Wirte von den Plätzen geringeren in die Plätze größeren Bedarfes getrieben. 9) Es scheint mir kaum zweifelhaft, daß sich Juden, österreichische oder andere, trotz aller Erfahrungen und Warnungen, bereit finden werden, von sich bietenden Gelegenheiten der Wiederoder Neuansiedlung Gebrauch zu machen, selbst wenn nicht der geringste Druck in dieser Richtung auf sie ausgeübt würde. Gar aber unter einem Drucke, von dem ich völlig mit Ihnen übereinstimme, daß man alles zu seiner möglichsten Verminderung tun muß, den man aber dennoch kaum aus der Welt wird schaffen können. Einmal bei diesen Erkenntnissen angelangt, müßte sich die Plattform einer Verständigung von selbst finden: der Zionismus sollte erkennen, daß eine, wenn schon nicht für gebieterisch, so für unaufhaltsam zu erkennende Mission unter den bestmöglichen persönlichen und sachlichen Voraussetzungen unternommen wird. 10) Ich stimme mit Ihnen völlig überein, wenn Sie auf die ungeheuren Risiken und Gefahren einer Rückkehr aufmerksam machen. Damit leisten Sie jenen Emigranten einen Dienst, welche sich unter Rückkehr das Wiedersehen mit ihren Häusern und Fabriken vorstellen; oder doch mindest vom Wiedersehenstraum mit Backhendeln und Kipferln genarrt sind. Sie haben ganz Recht, wie Churchill, nur Blut, Schweiß und Tränen zu versprechen! Aber auch da muß man aufpassen, nicht ins falsche Extrem zu verfallen. Die Sicherheitsfrage einer Expeditionstruppe, ob sie jetzt militärische, kulturelle, politische, wirtschaftliche oder sociale Missionen zu erfüllen hat, darf nie zur Primärfrage werden. Was nicht heißt, daß sie keine Frage oder sogar wichtige Frage ist. Aber primär bleibt doch immer der Erfolg einer Mission! Schon weil Erfolg der beste Garant der Sicherheit ist; und Mißerfolg die schönsten Sicherheiten illusorisch macht. Auch vom jüdischnationalen Standpunkt aus scheinen mir daher jene Probleme von primärer Wichtigkeit, von denen der Erfolg der Mission abzuhängen scheint! Wie: Zusammensetzung der Emigration; Führung; politische Vorbereitung; sachliche Ausrüstung; Information der Mitwelt — unter Einschluß des Weltjudentums — über Juni 2017 73