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Millionen vergleichen. Aber so wenig, mindest ich, den Fehler mache, mir ihr Los und das jener Kollegen leicht vorzustellen, die unschuldig in das Hitlerabenteuer verstrickt wurden; so verfehlt wäre es sich das Los der aus Heimat und Beruf Vertriebenen rosig vorzustellen. Darf ich nunmehr die Zukunftsprobleme analysieren, wie sie sich in meinen Augen aus all diesen Dingen ergeben. Wobei ich ebenfalls formlos Persönliches und Sachliches, Individual- und Sozialprobleme so vermische, wie es der Fall ist. Persönlich habe ich den Wunsch so rasch als möglich nach Wien und in meinen Beruf zurückzukehren! Dieser Wunsch wird von einer Reihe anderer Kollegen geteilt. Anderen kann kaum verdacht werden, daß Gegenwart und erst recht Vergangenheit sie zu einer zögernd-zweifelnden Haltung veranlaßt. Genau so wie ich haben die meisten mit ihrer Wohnung auch ihre Möbel, mit ihrer Kanzlei auch die Kanzleieinrichtung, ihre Bücher, ihr berufliches Rüstzeug verloren. Dazu mag auch gehören, daß 7 Jahre Berufsunterbrechung ein Problem schafft, zumal nur wenige so glücklich waren, wie ich, wenigstens zum Teil juridische Betatigungsfelder zu finden. Es liegt auf der Hand, daß wir zur Lösung all dieser Probleme weitgehender Hilfe und Mitwirkung sowohl der österreichischen Behörden, als auch der Kollegen bedürfen werden. Ich habe mit großer Befriedigung geschen, daß sich die provisorische Regierung dieser Probleme nicht nur bewußt ist, sondern auch die ersten rechtlichen Grundlagen zu deren gerechter Lösung geschaffen hat. Innerhalb unseres Standes gilt aber verstärkt, daß all dies nicht nur Rechtsprobleme, sondern auch moralische Probleme aufwerfen wird. Vielleicht darf ich sie persönlich so ausdrücken: wir erhoffen, daß die Kollegenschaft sich kollegial dazu berufen fühlen wird, die Initiative dazu zu ergreifen, den seinerzeit Vertriebenen zur Restitutio in integrum ihrer widerrechtlich verlorenen Positionen zu verhelfen, soweit eine solche Restitutio möglich und erwünscht ist. Wobei ich unter Restitutio nicht nur de jure, sondern viel mehr de facto verstehe. Und hinsichtlich der Jahre des Exils mindest mit einer der Billigkeit entsprechenden Anerkennung gerechter und moralischer Ansprüche rechnen möchte. Wenn ich mich zur Rückkehr berufen, ja gedrängt fühle, so hat dies nicht zuletzt den Grund, daß ich mich zur Mitwirkung an der Herbeiführung gerechter Lösungen berufen fühle; berufen auch im Andenken an meinen Vater.* Mir liegen dabei, nicht zuletzt, auch die Interessen jener Kollegen am Herzen, die zu alt oder zu krank sind, in den alten Beruf zurückzukehren! Und noch mehr die Interessen der Hinterbliebenen jener Opfer, die keine Restitution in integrum mehr entschädigen kann. Ich hoffe und glaube, daß bei allseitigem guten Willen, an dem ich nach der Säuberung des Standes nicht zweifeln möchte, angemessene Regelungen werden findbar sein. Man sollte meinen, daß dabei der Umstand zu Hilfe kommen wird, daß der Umfang beruflicher Aufgaben - sozial und individual — voraussichtlich das größte Anbot überschreiten wird, das aus Emigrationskreisen zu erwarten ist. Wenn ich wieder mehr zum Persönlichen zurückkehren darf: für meine eigene Zukunft würde ich mir schr wünschen, daß Wege gefunden werden, die es mir ermöglichen in der Linie weiterzuarbeiten, die ich im Exil eingeschlagen habe. Also die zahllosen Fäden nicht abreißen lassen zu müssen, die ich persönlich und sachlich angeknüpft habe. Dieser Wunsch ist offenbar weniger ein persönlich materieller, als ein sachlicher. Ich kann aber von hier aus einstweilen unmöglich beurteilen, in wie weit dies möglich sein wird. Darf ich aber, trotz Ihrer Belastung, die ich mir wohl vorstellen kann, an Sie persönlich appellieren, daß Sie sich der vorher skizzierten persönlichen und kollegialen Probleme annehmen. Ich glaube zu einem solchen Appell nicht nur im Rahmen des früheren allgemeineren an Kollegialität berechtigt zu sein; auf lange Sicht glaube ich auch die Inanspruchnahme dadurch rechtfertigen zu können, daß ich ja auch anbiete, Lasten zu tragen! Zu meinem Appell gehört auch die Bitte, Sie mögen sich mit Dr. Oskar Pollak in Verbindung setzen. Ich kann mir auch den Grad seiner Belastung vorstellen, glaube aber aus den gleichen Gründen auch seine Zeit in Anspruch nehmen zu dürfen. Meine hauptsächliche Anregung geht dahin, für mich die Voraussetzungen eines Besuches zur Anbahnung persönlicher Kontakte zu schaffen! Und zwar dringend! Dr. Pollak wird wohl auch jene Kontakte herstellen können, soweit Sie sie nicht ohnedies haben, die notwendig sind, um allfällige Schwierigkeiten zu überwinden. Nicht nur aus familiären, sondern auch aus sachlichen Gründen bitte ich aber Ihr Augenmerk darauf zu halten, daß mindest meine erste Reise nur ein „Besuch“ ist, mir also die Möglichkeit offen bleibt, zu Verhandlungen auch wieder herzukommen. Die erfreuliche Tatsache der Anerkennung der provisorischen Regierung müßte dies ermöglichen. Sobald die Voraussetzungen dort geschaffen sind, wird es mir wohl gelingen, hier die entsprechenden Gegenvoraussetzungen zu schaffen; hiebei würde ich aber bitten, mir möglichst geeignete Legitimationen für hier zu beschaffen. Wie Sie wohl wissen, habe ich bis zu meiner Vertreibung einen recht ansehnlichen Klientenkreis vertreten. Viele dieser Klienten sind auch in der Emigration und sie und andere treten an mich mit Ersuchen um Übernahme der Vertretungen heran. Ich habe mich einstweilen in all diesen Dingen aus mehreren Gründen etwas reserviert verhalten. Zunächst weil mir scheint, daß die Dinge ohnedies noch nicht reif für das Stadium der Individualvertretung sind. Dann auch, weil ich sie in erster Linie als Teil von Sozialproblemen sehe. Da ich mich in erster Linie zur Mitwirkung an der Ausarbeitung gerechter Soziallösungen berufen fühle, bzw. zum Dienste in Sozialaufgaben, so habe ich bisher eine zuwartende Haltung gegenüber Anboten der Übertragung individueller Aufgaben an den Tag gelegt. Aber natürlich wird meine endgültige Entscheidung davon abhängen, ob und welche Möglichkeiten zu Sozialwirkungskreisen sich mir bieten werden. Auch darüber möchte ich mir am liebsten an Ort und Stelle ein Bild machen. Wie immer aber die Möglichkeiten und Entschlüsse aussehen werden, möchte ich grundsätzlich als ersten Schritt in meinen ererbten Beruf zurückkehren und sohin allfälligen Berufungen als Anwalt Folge leisten. Soweit Klienten dringende Agenden zu vertreten haben (oder glauben drängen zu sollen), verweise ich sie an Ihre Kanzlei, obwohl mir klar ist, daß sie kaum all diese Lasten wird tragen können. Auch daraus ergeben sich Probleme, die wir am besten mündlich besprechen mögen. Also ein Grund mehr! Zum Schluß noch die Wiederholung einer Anfrage, auf die ich bisher ohne Antwort blieb: ich bin sehr auf [sic!] den Verbleib des Bruders meine Mutter (die mit mir hier in Cambridge lebt) besorgt. Es handelt sich um Dr. Hans Tauszky.’ Er war bis zu meiner Flucht Anwalt und müßte es jetzt wieder sein! Ich hoffte, Sie könnten bei der Wiederanknüpfung von Kontakten mit ihm, oder seiner Frau (Marie) oder seines Sohns Hans, behilflich sein. Falls Juni 2017 77