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Sie erfolgreich sind, bitte - mit unsern Grüßen — unsere Adresse weiterzugeben; und auch , daß seine zweite Schwester, Fr]. Marie Tauszky, vormals Professor am Neuen Wiener Konservatorium, in Holland lebt und sich nach Nachrichten sehnt. Ihre Adresse ist: Dr. Cyperslaan 11, Hemsted, Holland. Ich bitte ob der Ausführlichkeit dieses Schreibens um Entschuldigung! Aber: wes das Herz...! Ich glaube damit Sachen zu dienen, von denen ich zu wissen glaube, daß sie auch Ihr Herz schwer machen! Mit sehr herzlichen Empfehlungen, Ihr ergebener, Die Antwort Emmerich Hunnas vom 20. November 1945 Die Antwort Emmerich Hunnas muss für Otto Harpner eine herbe Enttäuschung gewesen sein. Zusammenfassend wiedergegeben, wufßte der amtierende Präsident der Rechtsanwaltskammer in Wien dem Kollegen in London nur Folgendes mitzuteilen: Die Kammer werde sich bemühen, doch nicht nur die „Emigranten“ bräuchten Hilfe, sondern auch die „hier zurückgebliebenen Kollegen“, da Kanzleien durch „Kriegshandlungen“ zerstört seien. Es fehle an allem, er selbst habe z.B. kein Brennmaterial. Es werde auch nicht genügend „Nazi“-Kanzleien geben, die den zurückkehrenden „Kollegen“ zur Verfügung gestellt werden könnten. Doch nächstes Jahr dürften die „allgemeinen Lebensbedingungen [...] etwas leichter“ sein. Was die Reise nach Wien betrifft, so könne er nicht helfen, da die zuständigen Militärverwaltungen in ganz Europa dafür verantwortlich seien, auch könnten derzeit „viele 10.000 Wiener“ nicht in die Bundesländer reisen. Die Kammer könne Dr. Harpner erst eine Legitimation ausstellen, wenn er eingetragen ist, doch dafür müsse er erst in Österreich sein, „aus diesem Zirkel sche ich keinen Ausweg“. Doch in nächster Zukunft werde viel Arbeit auf Anwälte zukommen, genügend auch für zurückgekehrte Emigranten. Dr. Hans Tauszky habe seine Praxis in der Wiesingerstraße 16 und „wird Ihnen direkt berichten“. Karl Pfeifer Dr. Emmerich Hunna (1889 — 1964) war in der Ersten Republik Partner in der Wiener Kanzleigemeinschaft Rosenburse von Dr. Paul Abel, der im Exil Vorsitzender der Study Group of Austrian Lawyers in Great Britain und ein Freund Otto Harpners war. 1938 und 1939 gehörte Emmerich Hunna zu jenen wenigen Wiener Anwälten, welche die Genehmigung vom „Gaurechtsamt“ hatten, Juden zu vertreten. Im September 1945 wurde von der Wiener Rechtsanwaltskammer eine neue Mitgliederliste angelegt. Noch durften keine Nazis Mitglieder sein. Nummer 1 auf der Liste der zugelassenen Anwälte war Emmerich Hunna, der auch der erste Präsident der Wiener Kammer wurde und es bis 1963 blieb. Er wurde zum „Rückstellungs-Staranwalt‘, vertrat die rechtmäßigen Besitzer z.B. des Zsolnay- oder des Ullstein-Verlages. 1946 war er dem Handelsregister zufolge neben Paul Zsolnay (noch im Londoner Exil) Gesellschafter des Verlages. Später war er u.a. Anwalt von Ernst Lothar. Anmerkungen 1 Dieser Brief E. Hunnas ist im Nachlass nicht erhalten. 1 Vermutlich Dr. Otto Zucker (1893 — 1980), 1938 Exil USA, Rechtsanwalt in New York. Vgl. Barbara Sauer, Ilse Reiter-Zatloukal: Advokaten 1938. Das Schicksal der in den Jahren 1938 bis 1945 verfolgten österreichischen Rechtsanwältinnen und Rechtsanwälte. Wien (2010), 37. 2 Die „Study Group of Austrian Lawyers“, in Großbritannien aktiv seit spätestens Anfang 1943, verabschiedete im Juni 1946 den „Entwurf eines Gesetzes über die Wiedergutmachung bestimmter Vermögensschäden aus der Zeit der nationalsozialistischen Herrschaft in Österreich“ — als Gegenentwurf zu jenem der Wiener Rechtsanwaltskammer vom 23.3.1946. — Die Restitutionsfragen und die „Rückstellung entzogener Vermögen“ waren in Österreich zum gegebenen Zeitpunkt (und vielfach auch Jahrzehnte später) nicht geklärt. 3 Gustav Harpner (1864 — 1924), führender Anwalt der österreichischen Sozialdemokratie, 1919 von Staatskanzler Karl Renner zum „Anwalt der Republik“ bestellt und Mitglied des Verfassungsgerichtshofes; 1922 Präsident der Rechtsanwaltskammer Wien. Vgl.: Ilse Reiter: Gustav Harpner (1864 — 1924). Vom Anarchistenverteidiger zum Anwalt der Republik. Wien u.a. 2008. 4 Der Konvertit Hans’ Tauszky (1882 — 1949) überlebte, offenbar in „geschützter Mischehe“, in Wien und wurde am 25.9.1945 neuerlich als Rechtsanwalt eingetragen. Vgl. Barbara Sauer, Ilse Reiter-Zatloukal, wie Anm. 1, 31. Als Redakteur der „Gemeinde“, des offiziellen Organs der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) Wien, erhielt ich Anfang 1995 den Aufirag, das Jahrbuch der Freiheitlichen Partei Österreich (FPÖ)' zu rezensieren. Schon damals bemühte sich die FPÖ - insbesondere im Ausland — um das Image einer demokratischen Partei, freilich ohne ihre Verbindungen zur rechtsextremen Szene zu kappen. Als ich meine kurze Rezension verfasste, konnte ich nicht ahnen, dass man mich deswegen zunächst über den Zeitraum von drei Jahren hinweg vor drei Gerichte zitieren würde und ich danach noch Jahre prozessieren würde müssen, bis mir das Europäische Menschenrechtsgericht in Straßburg Recht gab. Im Jänner 1995 hatte ich nicht einmal zwei Spalten für meine Rezension zur Verfügung. Ich blätterte zunächst die 908 Seiten 78 ZWISCHENWELT des freiheitlichen Jahrbuches durch und stellte fest, dass ein Viertel aller Autoren bereits im „Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus“? vermerkt war. Dann nahm ich mir den Rest vor und stieß dabei auf den 52 Seiten langen Artikel „Internationalismus gegen Nationalismus — eine unendliche Todfeindschaft?“ von Werner Pfeifenberger (WP), damals Professor für Politikwissenschaft an der Fachhochschule Münster.? Beim ersten Überfliegen seines Textes fiel mir der Name Tucholski (sic) auf. Wer so wie ich zu den wenigen Juden gehörte, die nach Österreich zurückgekehrt sind und hier massive Dumpfheit bei gleichzeitiger Propagierung der Opferthese seit 1951 erleben mussten, für den waren die ersten Taschenbücher mit Texten von Kurt Tucholsky eine Ermunterung und ein Beweis dafür, dass Journalisten rechtzeitig vor Hitler gewarnt hatten.