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Ich hatte ihn ebenfalls geklagt und in dieser Sache urteilte am 1.8.2002 als Senatsvorsitzender der inzwischen zum OLG Wien berufene Richter Dr. Werner Röggla, der sich auf das vorhergehende Urteil des OLG unter Dr. Doris Trieb berief: „Im gegenständlichen Fall hat“ Karl Pfeifer „Prof. Pfeifenberger zunächst vorgeworfen, sein Artikel im ‚Freiheitlichen Jahrbuch‘ würde ‚Nazitöne‘ enthalten und er betreibe ‚die Verherrlichung der Volksgemeinschaft‘, was der Vorwurf nach $ 3 VG ist. Dementsprechend scharf darf auch die Kritik an diesem Vorwurf (und deren Folgen) sein.“ Dieser Vorwurf war schlicht und einfach unwahr. Hatte ich doch mit keinem Wort das Verbotsgesetz erwähnt und hatte doch Dr. Werner Röggla als Richter im Landesgericht für Strafsachen gegen Dr. Werner Pfeifenberger keine Strafanzeige wegen $ 3 des Verbotsgesetzes erhoben. Der Historiker und Schriftsteller Doron Rabinovici: Ist in diesem Fallnicht ein Wandel der Rechtsprechung unverkennbar? Ist es überzogen zu behaupten, ein jüdischer Journalist, der über Rechtsextreme berichtet, werde vom österreichischen Gericht nur ein Bruchteil jenes Schutzes zugebilligt, der Freiheitlichen zuerkannt wird? Muss nicht festgestellt werden, dass die Wiener Justiz mit dem nach den Erfahrungen mit dem Nationalsozialismus fundamentalen Prinzip gebrochen hat, die demokratische Meinungsfreiheit vor Hetze zu bewahren? Die Rechtsextremen im Alpenland dürfen triumphieren. Viele kritische Periodika leiden unter Kürzungen der Regierung, doch „Zur Zeit“ wird unter der neuen Koalition mit rund 62.000 Euro subventioniert, obgleich einer ihrer Mitarbeiter vergangenen Jahres wegen nazistischer Wiederbetätigung verurteilt wurde. Keine Nummer ohne rassistische oder geschichtsrevisionistische Artikel ...'° So wurde das NS-Verbotsgesetz von der Republik Osterreich gegen ein Opfer des Nationalsozialismus verwendet. Die Kosten dieses Verfahrens gegen Andreas Mölzer wurden von der IKG Wien übernommen und Dr. Gabriel Lansky, der mich all die Jahre hervorragend vertreten hatte, reichte 2002 eine Beschwerde gegen die Republik Österreich beim Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) ein. Dieser in Straßburg befindliche Gerichtshof urteilte fünf Jahre später am 15.11.2007 mit 5:2 Stimmen, dass mit der inkriminierten Textpassage in „Zur Zeit“ eine kausale Verknüpfung zwischen dem vom mir 1995 veröffentlichten Artikel und dem Selbstmord des Prof. Pfeifenberger im Jahr 2000 hergestellt werde.!° Diese Tatsachenbehauptung sei allerdings unbewiesen geblieben. Die im Artikel aufgestellte Behauptung, ich hätte Prof. Pfeifenberger in den Selbstmord getrieben, habe die Grenzen zulässiger Kritik überschritten, weil ich dadurch der Begehung einer strafbaren Handlung bezichtigt worden sei. Selbst wenn man die Aussage aber als Werturteil ansähe, basiere dieses nicht auf einer ausreichenden Tatsachengrundlage. Die Verwendung des Begriffs „Mitglied einer Jagdgesellschaft“ bedeute, dass ich koordiniert mit anderen mit dem Ziel vorgegangen bin, Werner Pfeifenberger zu verfolgen und anzugreifen. Ausgehend von dieser Auslegung lägen aber keine ausreichenden Hinweise für ein derartiges Vorgehen vor, zumal ich mit Ausnahme des zu Beginn der Ereignisse publizierten, sich innerhalb der Grenzen zulässiger Kritik bewegenden Artikels nichts mehr in Bezug auf Prof. Pfeifenberger unternommen hatte. Der Präsident der Journalistengewerkschaft, Franz C. Bauer, meinte dazu: „Aus unserer Sicht ist das Urteil ein Sieg für die Meinungsfreiheit.“ Die Gewerkschaft begrüße außerdem, „dass es in Österreich auch künftig nicht möglich sein wird, einen 82 — ZWISCHENWELT Journalisten, nur weil er die Wahrheit geschrieben hat, verbal in die Nähe eines Mörders zu stellen“. Bauer hielt es für „alarmierend, dass die österreichische Justiz zu diesem Akt der Selbstreinigung nicht fähig war“. Im Umgang mit jeder Form des Extremismus legten Österreichs Gerichte immer wieder eine „auffällige Großzügigkeit“ an den Tag. Die Schlampigkeit und Einäugigkeit, mit der meine Anträge abgelehnt wurden, und die Häufigkeit, mit der Österreich damals verurteilt wurde, wiesen auf grundsätzliche Probleme der Justiz hin. Für kritische österreichische Journalisten ist es ein wahres Glück, dass wir uns an das Europäische Menschenrechtsgericht wenden konnten und können, um von der Republik Österreich die strikte Einhaltung der Menschenrechte einzufordern. Anmerkungen 1 Lothar Höbelt u.a. (Hg.): Freiheit und Verantwortung — Jahrbuch für politische Erneuerung 1995. Wien: Eigenverlag Freiheitliches Bildungswerk, Politische Akademie der FPÖ 1995. 2 Vgl. Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstandes (Hg.): Handbuch des österreichischen Rechtsextremismus, 2. Aufl. 1993. 3 Vgl. Werner Pfeifenberger: Internationalismus gegen Nationalismus - eine unendliche Todfeindschaft? Geschichtlicher Werdegang und heutige Gestalt. In: siehe Anmerkung 1. 4 „Die Umerziehungsexperten des Zweiten Weltkrieges erfanden dafür den mit politischen Aufträgen und ideologischen Auflagen versehenen Zeitgeschichtler, dessen Nützlichkeit vor allem darin besteht, daß er historische ‚Schuld‘ verläßlich immer an der ideologisch gewünschten Stelle ortet.“ (Pfeifenberger, wie Anm. 3, 509). 5 Eine Fußnote in Pfeifenbergers Artikel: „Gemäß den Ergebnissen der letzten freien Reichstagswahl im März 1933 [sic! K.P.] dachte die Mehrzahl der Deutschen damals immerhin noch nicht nationalsozialistisch, wurde gleichwohl aber in die jüdische Kriegsdrohung [Hervorhebung K.P] mit eingeschlossen.“ (Pfeifenberger, wie Anm. 3, 521). 6 Pfeifenberger bemerkte dazu in seiner Klage: „Auch ist es sachlich nicht gerechtfertigt, von einer ‚Mär vom jüdischen Krieg gegen Deutschland‘ zu schreiben, weil es derartiges vom gedanklichen Ansatz tatsächlich gegeben hat. So trug die Titelseite des Daily Express vom 24. März 1933 die Überschrift: JUDEA DECLARES WAR ON GERMANY“. 7 Diese Behauptung ist unwahr, wie aus dem Schreiben von Prof. Dr. Gerhard W. Wittkämper, Direktor des Instituts für Politikwissenschaft an der Universität Münster, hervorging: „Allenfalls kann sich Herr Pfeifenberger darauf berufen, daß er vor etwa 20 Jahren unter meinem Amtsvorgänger (...) eine zeitlang Lehrbeauftragter des Fachbereichs 10 (Geschichte) war.“ 8 Der Strafbestand der „üblen Nachrede“ kann mit einem Jahr Haft oder entsprechenden Tagessätzen bestraft werden. 9 Vgl. Gutachten in der Medienstrafsache des Privatanklägers Prof. Dr. Werner Pfeifenberger und Israelitische Kultusgemeinde Wien wegen $ 111 StGB, IbE Vr 4166/95, Hv 2466/95, vom 19. März 1997. Rudolf G. Ardelt lehrte am Institut für Neuere Geschichte und Zeitgeschichte der Universität Linz. 10 Am 23. November 1999 sprach Mahler im Wiener Freiheitlichen Akademikerverband zum Ihema „Der Verrat Adolf Hitlers an der deutschen Linken. Der Verrat der Linken an Deutschland. Hat das deutsche Volk eine Zukunft?“ Die Zuhörer, in der Mehrzahl deutschnationale Burschenschafter, wurden von Mahler als „liebe Landsleute“ angesprochen. Dann gab er seiner Bewunderung Hitlers unverhohlen Ausdruck: „Hitler hat die nationalrevolutionären und sozialrevolutionären Kräfte dieses Volkes aufgegriffen und gebündelt.“ Jedoch habe der Führer den Fehler gemacht, die „Volksgemeinschaft“ durch die Verfolgung von Kommunisten und Sozialdemokraten zu spalten. Dann wandte sich Mahler aktuellen Bedrohungen zu: den „Türken“, welche sich anschickten, Deutschland „von innen her“ zu übernehmen, der „Umerziehung“, die dafür verantwortlich sei, daß „unser Volk es nicht mehr wagt, sich der Auslöschung durch Überfremdung zu widersetzen“, und dem „jüdischen Volk“, das der „Feind“ der Deutschen sei. (Die Presse, 25.11.1999).