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gemacht, einen eigenen Weg zu suchen jenseits der etablierten Institutionen und der üblichen Karrierewünsche. Dafür werde ich ihnen immer dankbar sein. Und ich freue mich auch, dass ich diesen Preis zusammen mit Stefan Horvath bekomme. Hier gibt es eine Art ‚unterirdischer‘ Verbindung in unserem Schreiben. Es ist derselbe politische Abgrund, der uns verbindet — auch wenn das Leid, das Stefan Horvath angetan wurde, zugleich es verbietet, hier von Gemeinsamkeit zu sprechen: Der Anschlag in Oberwart vor über 20 Jahren war für mich damals von entscheidender Bedeutung, die politische Gewalt und den ideologischen Wahn, der dahinter steht, der Hass auf die Juden und die Roma, unmittelbar zum Gegenstand meines Schreibens zu machen. Davor hatte ich mich fast nur mit Literatur, Musik Von 13. bis 14. Februar 2017 fand an der Universitat Wien der von Marianne Windsperger und Olaf Terpitz organisierte und durch die European Association for Jewish Studies finanzierte Workshop Yiddish Language and Culture statt. Im Fokus standen Fragen der literarischen Übersetzung in und aus dem Jiddischen. Die BeiträgerInnen kamen aus Rumänien, Deutschland, Kanada, USA, Israel, Polen, Frankreich, Großbritannien und Österreich und repräsentierten die vielfältigen Institutionen, die heute für das Erforschen und die Vermittlung des Jiddischen von Bedeutung sind. Bei der Eröffnung durch Prof. Melanie Malzahn, Dekanin der Philologisch-Kulturwissenschaftlichen Fakultät, wurde deutlich, dass Jiddisch an der Universität Wien keine disziplinäre Verankerung hat und Initiativen von verschiedenen Seiten nie in die Einrichtung eines Lehrstuhls oder eines Arbeitsbereichs mündeten. Bereits im Sommersemester 2016 organisierte Marianne Windsperger die interdisziplinäre Ring-Vorlesung Localizing Yiddish Language and Culture — Funktionsweisen des Jiddischen in diversen Räumen, Sprachen und Kontexten an der Universität Wien. Dank des vielfältigen Lehrveranstaltungsprogramms, das zahlreiche spannende Forschungsimpulse bot, wurde jede einzelne Sitzung von Studierenden der unterschiedlichsten Fakultäten bestens besucht. Es ist dem unermüdlichen Engagement von JungwissenschafterInnen wie Marianne Windsperger zu verdanken, dass trotz fehlender institutioneller Strukturen wissenschaftliche Veranstaltungen zur Jiddistik in Wien nahtlos aufeinanderfolgen. Diese Veranstaltungen verdeutlichen den großen Gewinn, der aus interdisziplinären, komparatistischen und Konzepte der Weltliteratur kreativ aufgreifenden Zugängen für die Erforschung und Rekontextualisierung des Jiddischen im 21. Jahrhundert gezogen werden kann. In ihrem Eröffnungsvortrag stellten Marianne Windsperger und Olaf Terpitz die Frage, wo und in welchen Sprachen heute die jiddische Literatur fortlebt und wiesen auf den Einfluss von Politik, Diplomatie, kulturellen Institutionen 88 _ ZWISCHENWELT und bereitgestellten Förderungen auf den literarischen Übersetzungsmarkt hin. Gleichzeitig betonten sie, dass gerade neue digitale Plattformen im Internet eine wichtige Rolle in der Sichtbarkeit und Verfügbarkeit jiddischer Texte spielen und die Übersetzungstätigkeit befördern und erleichtern. Jiddische Texte finden über diese digitalen Kanäle wieder vermehrt Verbreitung. Im ersten Panel wurden unterschiedliche Übersetzungsstrategien anhand konkreter Textbeispiele diskutiert. Monika AdamczykGarbowska (Universität Lublin) zeigte, wie Übersetzungen aus dem Jiddischen ins Englische beispielsweise durch die Transformation von Ortsnamen amerikanisiert wurden. Ihre Beobachtungen untermauerte sie mit konkreten Beispielen aus yizker bikhern, jüdischen Erinnerungsbüchern, und literarischen Texten Isaac Bashevis Singers. Im zweiten Referat stellte Augusta Radosav Costiuc (Babes-Bolyai Universität Cluj-Napoca) ihre eigenen Übersetzungen von Gedichten Itzik Mangers ins Rumänische vor und betonte die zentrale Bedeutung von Rhythmus und Melodie in der Übersetzung von Lyrik. Die Transformation der David-Geschichte aus der Bibel im frühneuzeitlichen jiddischen Shmuel bukh stand im Mittelpunkt von Rachel Wamsleys Vortrag (Ihe Hebrew University of Jerusalem). Die Aufgabe und Figur des Übersetzers wurde im zweiten Panel beleuchtet. Daniel Kennedy (Maison de la culture Yiddish — Bibliothéque Medem) widmete sich in seinem Vortrag der Tätigkeit Hersh D. Nombergs (1876 — 1927), der es sich zum Ziel gemacht hatte, wichtige Werke der Weltliteratur ins Jiddische zu übertragen, so z.B. Gedichte des persischen Dichters Hafıs oder des bengalischen Literaturnobelpreisträgers Rabindranath Tagore. Kennedy zeigte, wie die Übersetzungstätigkeit Nombergs eigenes Schreiben beeinflusste. Isaac Bashevis Singers Übertragungen aus dem Jiddischen ins Englische wurden von Khayke Beruriah Wiegand (Oxford Centre for Hebrew and Jewish Studies) analysiert, sie wies auf die Diskrepanz zwischen den englischen und jiddischen Texten hin. 1.B. Singer wandte sich mit seinen Übertragungen und Theater beschäftigt. Die Bücher aber, die ich seither geschrieben habe, wollen zuallererst dem kategorischen Imperativ nach Auschwitz Rechnung tragen, „Denken und Handeln so einzurichten, dass Auschwitz nicht sich wiederhole, nichts Ähnliches geschähe“, wie das Adorno ausgedrückt hat. ins Englische an ein amerikanisches Publikum und erfand sich als Autor in den USA neu. Holger Nath (Universität Regensburg) betrachtete in seinem Vortrag den Zusammenhang zwischen der Übersetzungstätigkeit Nokhem Shtifs (1879 — 1933) und seinen Bemühungen um Standardisierung der jiddischen Sprache. Im letzten Referat dieses Panels reflektierte Thomas Soxberger (Wien) über die Rolle Josef Leftwichs (1892 — 1983) als Botschafter jiddischer Literatur mit dem Anspruch, die jiddische Kultur an die kommenden Generationen sowie an ein breiteres Publikum der nicht-jüdischen Welt zu vermitteln. Am Abend des ersten Konferenztages stand eine Roundtable-Diskussion auf dem Programm. Unterschiedliche Konzepte der Ubersetzung wurden in den Blick genommen und diese in verschiedenen medialen Settings — Literatur, Kunst und Musik — diskutiert. Sarah Ponichtera (YIVO Institute, New York) zeigte in ihrem Impulsreferat, dass Louis Zukofsky seine eigene poetische Sprache entwickelte, indem er aus dem Jiddischen übersetzte Passagen in seine eigenen amerikanischen Texte integrierte. Susanne Marten-Finnis (University of Portsmouth) stellte die von Rachel Wischnitzer herausgegebene jiddische Zeitschrift für Kunst Milgroym (erschienen 1922 bis 1924 in Berlin) vor. Marten-Finnis betonte, dass die Herausgeberin durch ihren Anspruch, Kunst aus unterschiedlichen kulturellen Kontexten an jiddische LeserInnen zu vermitteln, neue intermediale Verknüpfungen ermöglichte. In dem dritten Kurzreferat stellte der Musiker Benjy Fox-Rosen (Wien), die Frage, welche Rolle dem Künstler und Performer in der Vermittlung von jiddischer Musik an ein nichtjiddischsprachiges Publikum zukomme. Anhand konkreter Musikbeispiele zeigte er, wie sehr die Rezeption des Jiddischen heute an Vorstellungen von dieser Sprache und Kultur gekoppelt ist. Die Rolle des Künstlers besteht darin, diese Bilder auf den Kopf zu stellen. Der zweite Tag des Workshops wurde von einer Session zu Übersetzung und Diskurs eröffnet, gefragt wurde in den Beiträgen, wie sehr Übersetzungen von aktuellen politischen,