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wurde ein hohes Potential zugeschrieben: Von „Revolution im Medienwesen“ und „einer neuen Ära demokratischer Informationsformen“ war die Rede, auch weil Material und Equipment zu dieser Zeit halbwegs erschwinglich wurden. Angesichts der Unmengen öder Urlaubsvideos, die dann leider das hauptsächliche Ergebnis des Homevideobooms waren, sollte man die überzogen wirkenden Hoffnungen dennoch nicht belächeln. Jedes Aufkommen eines neuen Mediums wird von euphorisch-utopischen Erwartungen begleitet, die sich dann mehr oder weniger (meist weniger) einlösen. Als „Herausgeber meiner selbst“ bezeichnet sich Siehler in der Einleitung des Buchs. Die subjektive Edition veröffentlichter und unveröffentlichter Filmtexte, von Autobiografischem und Lyrik, relativ locker nach Themen geordnet, Begrüßungsworte Klaus-Dieter Mulleys bei der Präsentation des Jahrbuches 14 der Theodor Kramer Gesellschaft, „Rote Tränen. Die Zerstörung der Arbeiterkultur durch Faschismus und Nationalsozialismus“, in der Studienbibliothek der Arbeiterkammer Wien, 16. Mai 2017. Lassen Sie mich mit einem Zitat beginnen: Die Arbeiterbewegung wird heute als eine der geschichtlichen Wurzeln unserer Gesellschaft anerkannt. Ihre Ideen werden als entscheidender Beitrag zum geistigen Leben der Gegenwart gewürdigt, und die wissenschaftliche Geschichtsschreibung hat sich des Lebens und Werkes ihrer Theoretiker und Politiker angenommen. Diese Worte schrieb die „grande dame“ der Sozialdemokratie der 1970er Jahre, Herta Firnberg, 1981 in das Vorwort von Ernst Glasers Buch „Im Umfeld des Austromarxismus“, ein Buch, das sich auch ganz besonders mit den Grundlagen der Arbeiterkultur befasst. Zu jener Zeit erschienen noch die ausgezeichneten Arbeiten von - Dieter Langewiesche: Zur Freizeit des Arbeiters. Bildungsbestrebungen und Freizeitgestaltung österreichischer Arbeiter im Kaiserreich und in der Ersten Republik (1980); - Alfred Pfoser: Literatur und Austromarxismus (1980); - Franz Kadrnoska: Aufbruch und Untergang. Osterreichische Kultur zwischen 1918 und 1938 (1981); - Josef Weidenholzer: Auf dem Weg zum »Neuen Menschen“. Bildungs- und Kulturarbeit der österreichischen Sozialdemokratie in der Ersten Republik (1981); - Der große Ausstellungskatalog „Mit uns zieht die neue Zeit. Arbeiterkultur 1918-1938“ (1981); - Fritz Stadler: Arbeiterbildung in der Zwischenkriegszeit (1982). Wir miissen uns heute kritisch fragen, ob die von Firnberg 1981 geschriebenen Worte heute noch Gültigkeit haben: Seit Beginn der achtziger Jahre sind kaum mehr größere Publikationen über die Arbeiterbewegung und über ihre Kultur erschienen. Über die Leistungen der ArbeitnehmerInnenBewegung wird kaum noch gesprochen, geschweige denn geschrieben. Die Gesellschafisgeschichte, in der das Soziale im Mittelpunkt des Forschungs- und Publikationsinteresse stand, wurde abgelést durch eine ,,postmoderne“ Geschichte des Einzelnen, des Individuums. Das Soziale, das Sozialkulturelle, das Bewusstsein und der Glaube an eine Veränderung der Gesellschaft — etwa im Kleinen durch die Hinwendung zur Erforschung der Alltagskultur und mithin der Initiierung von Veränderungen in der Region — hat — so scheint es — abgedankt. Man könnte auch sagen: Der Neoliberalismus hatte ganze Arbeit geleistet. Die Theodor Kramer Gesellschaft war eine der ganz wenigen Institutionen, in welcher über all die Jahre seit Mitte der 1980er Jahre der Diskurs über Arbeiterkultur, Exil und antifaschistischen Widerstand aufrecht gehalten wurde. Eine Fülle von Publikationen und Tagungen zeugt davon. Für dieses jahrzehntelange Engagement, für dieses Durchhalten über all die Jahrzehnte neoliberaler Hegemonie kann man den Kolleginnen und Kollegen der Iheodor Kramer Gesellschaft nicht genug danken. Und ich danke auch meiner Kollegin Sabine Lichtenberger, die diese Kooperation mit Freude und Einsatz mitgestaltet hat. Wenn wir heute das Produkt unserer so fruchtergibt ein sympathisches „Sammelsurium“, das einlädt zum Schmökern und das beweist: der „Planet Film“ ermöglicht unendliche Entdeckungsreisen. Jenny Legenstein Horst Dieter Siehler: Mein Kino des 20. Jahrhunderts. Erlebte Filmgeschichte. Klagenfurt/Celovec: Wieser 2016. 391 S. € 29,95 hoffe ich, dass sich diese Kooperation auch in den nächsten Jahren fortsetzt. Denn liebe Freundinnen und Freunde, unsere gemeinsame Aufgabe ist und bleibt es, dem Neoliberalismus, dem Rechtradikalismus und dem Populismus zumindest auf intellektueller Ebene klar und eindeutig Paroli zu bieten! Klaus-Dieter Mulley ist wissenschaftlicher Leiter des Instituts für Geschichte der Gewerkschaften und Arbeiterkammern in der Arbeiterkammer Wien. Er publizierte und publiziert zur Lokal- und Regionalgeschichte Niederösterreichs, zu Nationalsozialismus, Entnazifizierung und Besatzungszeit sowie zur Geschichte der ArbeiterInnenbewegeung und der Sozialpartnerschaft. — Bei der Präsentation sprach Sabine Lichtenberger für die Herausgeber des Buches, im Anschluß daran erörterten Derek Weber, Primus-Heinz Kucher, Eva Geber, Traude Bollauf und Konstantin Kaiser Themen des Buches, das die Ergebnisse der Tagung vom November 2014 zusammenfaftt. Auch die Tagung fand in Kooperation von Theodor Kramer Gesellschaft und Institut für Geschichte der Gewerkschaften und Arbeiterkammern statt. Juni 2017 99