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dem dirigierenden Alban Berg, die Wachner selbst in diversen Konzerten gehört hatte. Eine Sonderstellung nimmt der von ihr hochgeschätzte Cellist und Komponist Pablo Casals (1876 — 1973) ein, den sie mehrmals porträtiert hat. Der Katalane Casals, der offen mit der spanischen Republik sympathisierte, ging 1936 ins französische Exil in Prades, wo er sich für spanische Flüchtlinge einsetzte. 1950 begründete er dort das bis heute bestehende Kammermusikfestival, das Waehner oftmals besuchte. Jedes der Musikerporträts ist durch den großen, markanten Kopf charakterisiert, zu dem die bewegten Hände oder das jeweilige Musikinstrument einen Kontrast bilden. Waehner hat auch mehrere Porträts von Zuhörenden geschnitten, darunter „Die Partitur“: Es zeigt das mit ihr befreundete Ehepaar Alfons und Lillian Wallis. Alfons Wallis (1898 — 1967), ein Schönberg-Schüler und bekannter Musikkritiker des „Neuen Wiener Tagblattes“, war mit seiner Frau nach New York emigriert, wo er kärglich vom Kopieren von Noten lebte. '* Ein anderes Porträt zeigt ein in Israel lebendes Wiener jüdisches Ehepaar, das bei ihr in Dieulefit zu Besuch gewesen war. Dasselbe gilt für „Judy“, der Tochter ihrer New Yorker Freundin Elinor Siff, die, an einen Kamin gelehnt, Musik lauschend festgehalten ist. Die Idee, Personen beim Musikhören zu porträtieren, ist von Oskar Kokoschka bekannt. 1920 hatte er eine Lithografiemappe unter dem Titel „Variationen über ein Thema“ herausgegeben. Es erübrigt sich zu erwähnen, dass Waehner ihn von Wien her kannte. Anders als Kokoschka, der Camilla Swoboda, die Frau des Kunsthistorikers Carl Maria Swoboda, in verschiedenen Haltungen der Konzentration und Aufmerksamkeit skizziert hat, verwendete Waehner fiir diesen Porträtzyklus wiederum Zeichnungen älteren Datums. Von vielen der abgebildeten Personen gibt es weitere Zeichnungen, Skizzen oder Ölbilder. Der späteste, 1977 herausgegebene Zyklus ist mit Die Chöre“ / cori (9 Blätter) tituliert. Stilistisch ergibt sich der Eindruck einer Reprise der vorangegangenen Holzschnittfolgen. Inhaltlich hat Waehner Chöre und Chorstücke gewählt, die sich mit Unterdrückung, Mitleid, Trauer etc. auseinandersetzen, doch ist wiederum ihre eigene Erfahrung entscheidend. Das Beeindruckende an Chören ist die bewegte Einheit einer Vielfalt, die eben nur durch das stimmige Zusammenwirken aller Mitglieder des Ensembles zustande kommt. Neben bekannten Klassikern wie dem „Chor der Gefangenen aus Fidelio“, dem Chorfinale aus Beethovens 9. Symphonie oder den Gesängen Palestrinas etc. sei „Il canto sospeso“ von Luigi Nono hervorgehoben, den dieser auf Basis von letzten Briefen zum Tode verurteilter Widerstandskämpfer 1956 komponiert hat. Illustriert wird der „canto sospeso“ durch einen Harfenisten, der von dem mächtigen, allerdings mit gerissenen Saiten gezeigten Instrument zu Boden geschmettert wird. Ein vergleichbarer Zeitbezug liegt dem „War Requiem“ von Benjamin Britten zugrunde. Es gelangte 1962 in der wieder errichteten Kathedrale von Coventry, die im Zweiten Weltkrieg durch deutsche Bomben völlig zerstört worden war, zur Uraufführung. Das Blatt erinnert an die Darstellung der unter einem gotischen Gewölbe versammelten ausgemergelten Sänger von „Götico espanol“. Das Blatt „Chants des enfants deportes 1941-1945-1971“ zeigt singende jüdischer Waisenkinder, die nach der Befreiung Frankreichs von 1944 bis 1954 im Schloss Mehoncourt bei Le Mans eine Heimstatt fanden. Das Heim des Kinder-Hilfswerks, das von der gemeinnützigen Organisation zum Schutz jüdischer Kinder der OSE (CEuvre de Secours aux Enfants)! unterstützt wurde, unterstand für viele Jahre der Leitung der Padagogin und Journalistin Lotte Schwarz (1902 - 1984). Die auf dem Holzschnitt abgebildete Heimleiterin war die Tochter von Grete Schwarz, der Lebensgefährtin des mit Wachner befreundeten Diplomaten und Journalisten Otto Pohl.!° Die Familie hatte sich von ihrem Fxil in Paris in das unbesetzte Südfrankreich geflüchtet; in schier auswegloser Lage nahmen sich die Eltern am 9. Juli 1940 in Vaison-leRomaine das Leben. Wenige Tage danach berichtet Lotte Schwarz brieflich vom Tod der Eltern sowie ihrer eigenen Situation: „I think I must try to come over now. But how? I am in my castle’, miles and miles from all civilization. War was all around us — we remained untouched.“!” Lotte Schwarz hatte schon von 1939 bis 1943 ein OSE-Kinderheim im Schloss Chaumont bei Mainsat in der Creuse geleitet, wo sie, den Quellen zufolge, fiir ihre moderne und fortschrittliche Padagogik Anerkennung fand.'* Waehner hat Lotte Schwarz nach dem Krieg im Schloss Mehoncourt bei Le Mans besucht und zahlreiche Zeichnungen vor Ort gemacht, die die Grundlage des Holzschnittes bilden. Es handelt sich dabei um die einzige Darstellung eines nicht professionellen Chors, eines von traumatisierten Kindern, die im gemeinsamen Singen Zutrauen in sich und die Gemeinschaft finden sollten. Seit kurzem ist es möglich, die Holzschnitte Trude Wachners im Online-Katalog der Albertina abzurufen und die einzelnen Blätter dieser z.T. recht umfassenden Zyklen einzuschen, die als politisches und künstlerisches Vermächtnis einer außergewöhnlichen Künstlerin gewertet werden können.” Anmerkungen 1 Trude Waehner: Una cosa sola, Autobiografie, 1976 (Unpubl. Typoskript), Österreichisches Literaturarchiv (ÖLA), 244/W12. 2 1950 hatte sie in Dieulefit ein kleines Häuschen erworben, wo sie bis 1963 den Großteil der So€mmer- und Herbstmonate verbachte. 1963 wurde die Gegend zum militärischen Sperrgebiet erklärt. 3 Buschbeck organisierte im Jänner 1955 zwei zeitgleich abgehaltene Ausstellungen, eine in der Neuen Galerie und die andere im Ausstellungsraum des Kulturamtes der Stadt Wien. 4 Walter Koschatzky: Zum Geleit, in: Trude Waehner, Zeichnungen und Aquarelle, Albertina, Wien 1966, 2. 5 Die meisten Matteotti-Zeichnungen sowie andere antifaschistische Grafiken und Bilder gingen verloren, als sie 1933 von Berlin nach Wien floh. 6 Z.B. Mostra di Trude Waehner in collaborazione con il Comitato SpagnaLibera, 1974/75, Reggio Emilia, Sala comunale delle Esposizioni. Comitato Spagna-Libera mostra di Trude Waehner, Bologna, Galleria di Palazzo d Accursio. Trude Waehner, Universita degli Studi di Pisa, Pisa 1975. 7 Trude Waehner, Universita degli Studi di Pisa, Pisa 1975, 0.S. 8 Trude Waehner, Zyklus Schöpfung und Vernichtung. Text und 69 handgedruckte Holzschnitte, Vorwort. Aus dem Manuskript wird ersichtlich, dass Waehner die einzelnen Blätter den sieben noch nicht benannten Gruppen in ganz anderer Reihenfolge zugeordnet waren. Jedes Blatt hat Wachner einer bestimmten Person aus dem Familien- und Freundeskreis gewidmet. ÖLA 244/W27. 9 http://archivi.ibc.regione.emilia-romagna.it/ibc-cms/cms.item?munu_st r=0_1_0&numDoc=8&flagview=viewltemCaster&typeltem= 2&itemRef=IT-ER-IBC-037006-004-035 (Zugriff 27.2.2017). 10 Trude Waehner, Dear Friend, Autumn 1973, ÖLA 244/B322. Ausführliche Berichte über die Spanienreise finden sich auch in den diversen Ausstellungskatalogen. 11 Trude Wahener, Amici della Spanga Libera: Miei Amicil, in: „Götico espafiol“, Mosaico di Trude Waehner, Bologna 0.D. (Flugblatt 1974). 12 Die Ausführung erfolgte mit Unterstützung der Mosaikwerkstätte der Akademie der schönen Künste in Ravenna. 13 Raccolta d’Arte della reggione, Bologna, Viale Aldo Moro, 38. Orlando Piraccini, Quadri in Regione: le collezioni d’arte moderna del Consiglio e della Giunta dell’Emilia-Romagna, Bologna 1998, 166. Oktober 2017 15