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nicht, trotz seiner Bekanntschaft mit Max Reinhardt, für den er kurze Zeit am Theater in der Josefstadt arbeitet, seine Stücke zur Aufführung zu bringen. Er wird Journalist, wird 1927 bei der Frankfurter Zeitung als ihr Wiener Kulturkorrespondent angestellt, heiratet 1928 in Wien, wird 1929 Vater eines Sohnes‘ und fängt 1930 an, eine Trilogie zu schreiben, „Funken im Abgrund“, sein Hauptwerk, das von einem assimilierten Wiener Juden handelt, der seine Wurzeln bei Verwandten in Ostgalizien sucht. Nach Hitlers Machtübernahme wird Morgenstern wie alle Juden von der Frankfurter Zeitung entlassen, flüchtet am 13. März 1938 nach Paris. (Seine Frau und sein Sohn können nicht mit ihm fliehen; die Familie wird erst nach dem Krieg wieder vereint.) In Paris verkehrt er in österreichischen Fxilkreisen und arbeitet dort auch mit dem österreichischen Widerstand zusammen - bis er 1939/40 als feindlicher Ausländer in verschiedenen französischen Anhaltelagern interniert wird. Ende Juni 1940 geling ihm die Flucht aus seinem letzten Lager, in Audierne in der Bretagne, er schafft es, nach Marseille und nach vielen weiteren Irrwegen 1941 nach New York zu gelangen. Er wird 1946 amerikanischer Staatsbürger, schreibt in den USA weiterhin auf Deutsch, nicht zuletzt auch seine Erinnerungsbücher, seine nur in Torsi fertiggestellte Autobiographie. Die Passagen, die von seinen Freunden Alban Berg und Joseph Roth handeln, wurden von Morgenstern zu zwei selbstständigen Bänden gebündelt, die uns heute auch als Quelle über sein Leben in Wien dienen.’ Der Österreicher Morgenstern kam 1912 in seine Reichshaupt- und Residenzstadt, er kam aus Galizien als Österreicher, denn, wie er betont, Galizien war ein österreichisches, ja, wie er schreibt, „ein schr österreichisches Land“.® Gerade unter den gebildeten galizischen Juden war in dieser Zeit ein österreichischer Patriotismus weit verbreitet. Einmal erwähnt Morgenstern, dass seine Familie seit langem in Ostgalizien zuhause war, und schreibt nicht etwa, dass das Land seit 1772 zu Österreich gehörte, sondern formuliert, dass „seine Familie seit 1772 österreichisch“ war. Sein Österreichertum war sehr stark präsent; er betont oft, dass er Österreicher (und kein Deutscher) sei, ärgert sich über falsche Zuschreibungen (z. B. als sein Freund Joseph Roth einmal als Deutscher beschrieben wurde). Im Gegensatz zu vielen in seiner Umgebung war Morgenstern auch immer ein zutiefst überzeugter Gegner eines Anschlusses Österreichs an Deutschland. Da sein Geburtsort nach dem Friedensvertrag von Saint Germain nunmehr in Polen lag, wurde Morgenstern in Wien zunächst ohne sein Zutun polnischer Staatsbürger. Er wollte in Wien bleiben, und die Tatsache, dass die Polen ihre Auferstehung mit einem Pogrom in Lemberg feierten, hat seinen Wunsch bestärkt, aus einem Altösterreicher ein Neuösterreicher zu werden. Das sollte kein Problem sein, denn bereits vor dem Krieg in Wien ansässige Altösterreicher bekamen in der Regel anstandslos die neue österreichische Staatsbürgerschaft — d.h. in den meisten Fällen. Das Optionsrecht ehemals (alt-Jösterreichischer Staatsangehöriger wurde 1920 im neuen Österreich, den Bestimmungen im Vertrag von Saint Germain folgend zwar gesetzlich geregelt, doch so unklar formuliert, dass die Zuerkennung weitgehend vom Gutdünken der zuständigen Beamten abhing. Morgenstern hatte optiert, aber, wie er meinte, das Pech gehabt, gerade dann „im VIII. Bezirk zu wohnen, dem einzigen Bezirk in Wien, der eine christlichsoziale Mehrheit hat“ — und diese Mehrheit hätte seine Option zurückgewiesen. Erst 1929 konnte Morgenstern schließlich die österreichische Staatbürgerschaft wiedererlangen, hatte sie dann ersessen. Aber auch vorher, ohne österreichische Staatsbürgerschaft, nachdem sein „altes Vaterland, das österreichische Kaiserreich, verschollen war“, empfand er das neue kleine Österreich als „seine Heimat“. Der „Wiener“ Für Morgenstern war es bereits in seiner Jugend in Ostgalizien klar gewesen, dass er auf Deutsch (seiner fünften von insgesamt neun oder zehn Sprachen?) schreiben und nach Wien wollte; irgendwie mochte er Wien wohl schon, bevor er es kannte. Und er kannte es wirklich nicht: Als er 1912 in Wien ankam und vom Nordbahnhofzum ersten Mal in die Stadt ging, wunderte er sich bei der Ferdinandsbrücke (der heutigen Schwedenbrücke) über den Donaukanal, wie schmal doch die berühmte Donau sei. In den nächsten 25 Jahren lernte Morgenstern allerdings Wien schr gut kennen. Der Galizianer, der sich selber als „gelernter Wiener“ bezeichnete, liebte diese Stadt, schreibt von sich selber, dass er in die Stadt geradezu „leidenschaftlich verliebt“ gewesen sei. Anlässlich seines Besuches 1957 bezeichnete er Wien etwas wehmütig als „die Stadt, die ich einst so schr geliebt habe“. Dabei machte ihn diese Liebe keineswegs blind. Einmal schreibt er in einem Brief an seinen Freund Alban Berg: „Wien [...] ist im Grunde ein lächerlicher Aufenthalt für ernste Menschen. Ein Glück, dass wir ja nicht ganz zu diesen zählen.“ Er stellt auch fest, dass nach 1918 Wien im Vergleich mit Berlin provinziell geworden sei- und 1926 geht auch er, wie damals so viele Wiener Künstler und Intellektuelle, nach Berlin; in erster Linie wegen der besseren Verdienstmöglichkeiten, vielleicht aber auch, weil, wie Anton Oktober 2017 17