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der das Geschehen verdichtet und ihm dennoch Leichtigkeit verleiht, vermochte er wie nebenher große Themen zu behandeln. Mancher Einakter, der späterhin enorme Wirkung entfalten sollte, war zunächst als Sketch, als Skizze für einen Freundeskreis gedacht, bevor er in die Welt geriet.“ Havels stets pointiert gefasste Stoffe bieten hier statische Situationen ebenso wie jähe Wendungen; ihre Realisierung in der kleinen Form, die zugleich niemals eng oder begrenzt wirkt, gleicht einem Witz, der kunstvoll ins moderne Drama transferiert wurde. Peter Roessler war Mitgestalter der Veranstaltung zum 80. Geburtstag von Vaclav Havel am 19. Oktober 2016 im Kasino des Burgtheaters. Joachim Bifsmeier, Sylvie Rohrer und Daniel Jesch lasen dort Texte von Havel, präsentiert wurden Bildmaterialien und Ausschnitte aus Aufzeichnungen von Inszenierungen. Ein anschließendes Gespräch über den Autor führten Anna Freimanovd, Bruno Aigner, Achim Benning, Joachim Bifsmeier und Peter Roessler (Moderation). Von September 2016 bis April 2017 war im Theatermuseum in Wien die von Anna Freimanovd (Väclav-Havel-Bibliothek in Prag in Zusammenarbeit mit dem Tschechischen Zentrum Wien) konzipierte Ausstellung „Seine Freiheit, unsere Freiheit. Väclav Havel und das Burgtheater“ zu sehen. Anmerkungen 1 Vgl. zum Thema: Hans Haider: Väclav Havel 1976 bis 1989. Die Uraufführungen der Stücke von Väclav Havel im Wiener Burgtheater 1976 bis 1986. Mit einer Fortsetzung in Zürich. Eine Ausstellung des Österreichischen Theatermuseums in Wien vom 11. Juni bis 28. November 1999. (Katalog); Carol Rocamora: Acts of Courage. Vaclav Havel’s Life in the Theater. Hanover, New Hampshire 2005, S. 350 — S. 355; Robert Pejsek: Suche nach Paradoxen bei der Realisierung von Stiicken Vaclav Havels am Wiener Burgtheater. Mag.-Arb. Brünn 2016 (https://is.muni.cz/th/64978/ pedf_b/BP_Robert_Pejsek.pdf); Edith Lackner: Vaclav Havel. Untersuchung zur Dramaturgie und zum soziohistorischen Kontext des dramatischen und essayistischen Werks. Dipl.-Arb. Wien 1988. Vgl. auch: Peter Roessler: Rückblick und Spiegelung. Historische Betrachtungen zu Flucht, Exil, Theater. In: Birgit Peter / Gabriele C. Pfeiffer (Hg.): Flucht — Migration — Theater. Dokumente und Positionen. Mainz, Wien 2017, S. 397 — 416, insb. S. 411-416. Einige Passagen und Formulierungen aus meinem Aufsatz sind im vorliegenden Beitrag übernommen und eingearbeitet worden. 2 Vgl. Stefan Maurer: Wolfgang Kraus‘ Netzwerke im kulturellen Kalten Krieg. In: Maximilian Graf / Agnes Meisinger (Hg.): Österreich im Kalten Krieg. Neue Forschungen im internationalen Kontext. Wien 2016, S. 221. 3 Vgl. Väclav Havel: Fern vom Theater. In: Reinhard Urbach / Achim Benning (Hg.): Burgtheater Wien 1776 -1986. Ebenbild und Widerspruch. Zweihundert und zehn Jahre. Wien 1986, S. 48 - 50. 4 Vgl. Einmaliges Einlageblatt zum Akademietheater-Programmheft vom 9. Oktober 1976. Das dritte an dem Abend gezeigte Stück war Polizei von Stawomir Mro;ck, der bei der Premiere anwesend war. 5 Vgl. Haider, S. 15. 6 Väclav Havel: Auszüge aus dem „Offenen Brief“ Väclav Havels an Dr. Gustav Husäk [...] vom 8. April 1975. In: Einlageblatt, Programheft, 0.S. 7 Ebd. 8 In einem Brief an Achim Benning (17.4.1983) schrieb Vaclav Havel: „Ich denke, dass Sie nicht nur ein einfaches menschliches Interesse für das Schicksal Ihres schon Stammautors fühlen, aber, dass Sie dieses Interesse als einen Ausdruck Ihrer Überzeugung, dass geistige und bürgerliche Freiheit unteilbar ist, verstehen. Es gibt Werte, die gelten und keine Staatsgrenze haben können, und die wir alle verteidigen müssen.“ (Sammlung Achim Benning). 9 In der Untersuchungshaft war Havel von den Behörden gefragt worden, ob er die Einladung zu einem Arbeitsaufenthalt in den USA annehmen würde. Diese war auf Initiative des Filmregisseurs Milos Forman erfolgt, der 1968 in die USA emigriert war. Vgl.: Aus der Verteidigungsrede Vaclav Havels vor 24 ZWISCHENWELT dem Senat des Stadtgerichts in Prag (22. — 23.10.1979). In: Vaclav Havel: Briefe an Olga. Betrachtungen aus dem Gefangnis. Aus dem Tschechischen von Joachim Bruss. Für die deutsche Ausgabe bearbeitet von Jiri Grusa. Reinbek bei Hamburg 1990, S. 320; Michael Zantovsky: Vaclav Havel. In der Wahrheit leben. Die Biographie. Berlin 2014, S. 254ff. 10 Vgl. Rocamora: Acts of Courage, $. 158. 11 Vgl. Achim Benning: Anwesend, abwesend. In: Presse (Spectrum), 4. November 2016 (Rede zur Eröffnung der Ausstellung im Theatermuseum). Vgl. auch: Hans Haider: Ein „Muttertheater“ jenseits der Sprachgrenze. In: Ders.: Vaclav Havel, S. 9 — 11. 12 Die Behörden der CSSR hatten Pavel Landovsky, der legal nach Wien gereist war, ausgebiirgert, als er an einem geplanten Gastspiel des Burgtheaters in Moskau teilnehmen sollte. Da er durch dieses Manöver über keinen gültigen Pass mehr verfügte, wäre ihm die Teilnahme nicht möglich gewesen. Die Direktion des Burgtheaters sagte daraufhin aus Solidarität mit ihrem Ensemblemitglied das Gastspiel ab. Auch Fred Sinowatz, Bundesminister für Unterricht und Kunst, sagte seinen vorgesehenen Besuch in Moskau ab. 13 Vgl. Väclav Havel: Fernverhör. Ein Gespräch mit Karel Hvid’ala. Reinbek bei Hamburg 1991, S. 28. Mit „48er-Exil“ sind jene Personen gemeint, die nach der alleinigen Machtübernahme der Kommunistischen Partei die CSSR verließen. 14 Vgl. Väclav Havel: Versuch, in der Wahrheit zu leben. Essay. Aus dem Tschechischen von Gabriel Laub. Reinbek bei Hamburg 1989, S. 47ff. 15 Vgl. Angelika Hurwicz: Die Nische des Insekts. Engelsbach/Frankfurt a. M. u.a. 1989. Vgl. auch meinen Beitrag: Das Wissen der alten Meisterinnen. Pionierinnen und Antipodinnen heutigen Theaters. Mit einem besonderen Augenmerk auf Angelika Hurwicz. In: Andrea Ellmeier, Doris Ingrisch, Claudia Walkensteiner-Preschl (Hg.): Ratio und Intuition. Wissen|s|Kulturen in Musik. Theater. Film. Wien, Köln, Weimar 2013, S. 138ff. 16 Angelika Hurwicz legte die Regie während der Proben (1986) zurück, die Inszenierung wurde von Hans Kleber fertiggestellt, es existieren jedoch ausführliche Überlegungen von ihr zum Stück Vgl. Maschinschriftl. Manuskript. (Sammlung Achim Benning). 17 Vgl. Evelyne Polt-Heinzl: Kulturskandale der 1970er Jahre. Lauter kleine Staatsoperetten. In: Dies. (Hg.): Staatsoperetten. Kunstverstörungen. Das kulturelle Klima der 1970er Jahre. ZIRKULAR. Sondernummer 75 (Dokumentationsstelle für neuere österreichische Literatur). Wien 2010, S. 14. 18 Vgl. die von der Dramaturgie des Burgtheaters erstellte Dokumentation: Die Kampagne der Kronen Zeitung gegen Achim Benning und das Burgtheater. Maschinschriftl., 0.J., S. 16. (Sammlung Achim Benning). 19 Vgl. Kampagne, S. 19ff.; Achim Benning: Jiti GruSa — Mein bisschen Tschechien. In: Ders.: In den Spiegel greifen. Texte zum Theater. Hg. v. Peter Roessler. Wien 2012, S. 278f.; Ders.: Elias Canetti — Erinnerungen in Ruse. In: Ebd., S. 298. 20 Vgl. Burgtheater intern. Dezember 1981, S. 12f. Regisseur der Uraufführung am Akademietheater (1981) war Peter Palitzsch, der am Berliner Ensemble gewirkt hatte, 1961 nicht mehr in die DDR zurückgekehrt war und seitdem erfolgreich im ‚Westen‘ tätig gewesen war. 21 Vgl. Burgtheater intern. Dezember 1981, S. 13. 22 Vgl. Pejsck, S. 24ff.; Haider, S. 15f., der auch auf die Ablehnung durch die kommunistische Volksstimme zu sprechen kommt. Die Kampagne der Kronen Zeitung gegen die Burgtheaterdirektion erstreckte sich auch auf "Theaterkritiken zum tschechischen Exil. 1981 schrieb der Journalist Viktor Reimann in seiner Premieren-Kritik von Pavel Kohouts Maria kämpft mit den Engeln: „Aber das Burgtheaterregime unter Bennings Führung schließt hervorragende Mitglieder seines Hauses vom Bühnenleben aus. Ähnlich dem Prager Regime.“ Seitens des Bundestheaterverbandes wurde deshalb beim Österreichischen Presserat eine Beschwerde gegen Viktor Reimann eingereicht. Der Presserat stellte fest, dass Viktor Reimann Berufspflichten der Presse verletzt habe. Vgl. Kampagne, S. 26 (Zitat aus der Kronen Zeitung ebd.); Peter Roessler: Erkundungen. Uber Achim Benning. In: Benning: In den Spiegel greifen, S. 19. 23 Benning: Jifi GruSa — Mein bisschen Tschechien, S. 278. 24 Vgl. Pejsck, S. 31, der sich auf Viktor Reimanns Besprechung von Largo Desolato in der Kronen Zeitung (15.4.1985) bezieht. 25 Die Umfrage erfolgte 1981 im Rahmen eines wissenschaftlichen Forschungsprojektes des Instituts für Völkerrecht und internationale Beziehungen der Karl-Franzens-Universität Graz und wurde vom Fessel + GfK-Institut durchgeführt. Vgl. Auszug aus einem Referat von Renate Kicker anlässlich des XIV. Außenpolitischen Gesprächs der Österreichischen Gesellschaft für