‚Mary Steinhauser gewidmet
Dass die Freimaurerei in der österreichischen Exilforschung bis
jetzt noch kaum Beachtung fand, ist verwunderlich. In diesem
Zusammenhang gibt es, was Österreich betrifft, gerade einmal
„Österreichische Freimaurer im Nationalsozialismus. Treue und
Verrat“ des langjährigen Redaktionsmitglieds der ZW Marcus G.
Patka aus dem Jahr 2010. Es gilt, einiges nachzuholen.
FreimaurerInnen wurden von den Nazis und ihren Verbündeten
in ganz Europa verfolgt, zugleich waren, vor allem in Frankreich,
viele FreimaurerInnen Widerstand. Sie haben mancherorts die
ersten Netzwerke der Resistance gebildet. Auch gab es schon
bald seitens der Freimaurerorganisationen eine breit angelegte
Hilfestellung für Exilierte und Verfolgte. Man finanzierte Un¬
terkünfte, versorgte die Flüchtlinge medizinisch, mit Arbeit, half
ihnen, soweit sie FreimaurerInnen waren, bei der Gründung von
Exillogen.
Wie schon in der Besprechung in ZW Nr. 3/2010 zu der von
Günter K. Kodek in Buchform publizierten Mitgliederliste der
Großloge von Wien festgestellt, waren etliche österreichische
Exilschriftsteller Freimaurer: Emil Müller-Sturmheim, Hanns
Margulies, Moritz Scheyer, Max Prager, Ernst Lothar, Max Roden,
Felix Salten, Fritz Brügel, Heinrich Glücksmann. Max Fleischer
wurde 1941 im KZ Wiodawa, Fritz Griinbaum 1941 in Dachau,
Alexander Emanuely
Eine kurze Chronik zur Freimaurerei
1717 Gründung einer ersten Großloge in London, bestehend aus
vier einzelnen Logen. Diese erste Großloge wird das Vorbild für
alle zukünftigen Logenzusammenschlüsse.
Wieso London? England hatte sich nach einem Jahrhundert
Bürger- und Religionskriegen, Pestepidemien und dem großen
Brand von London 1666 neu erfinden müssen. Es folgte 1688 die
„Glorious Revolution“, die das Parlament zur bestimmenden poli¬
tischen Instanz im Land machte. Aus Untertanen wurden Bürger,
es entstand eine Urform der Zivilgesellschaft und diese brauchte
Organisationen. Eine dieser Organisation wurde die Freimaurerei.
Von Anfang an wird in den Logen in drei Erkenntnisgraden
gearbeitet, welche den Handwerksgilden nachempfunden sind:
Lehrling, Geselle, Meister. Mehrere gewählte Meister bilden als
sogenannte Beamte den Vorstand einer Loge, ein Meister wird zum
Vorsitzenden, auch Meister vom Stuhl (MvSt.) genannt, gewählt.
Bei den Treffen der Freimaurer kommen altmodische Rituale der
Steinmetzgilden und moderne Formen der gleichberechtigten Mit¬
bestimmung zusammen. Man arbeitet an sich, am Rauhen Stein.
Die Arbeitam „Rauhen Stein“ symbolisiert für die Freimaurer die
Selbstvervollkommnung, die Entwicklung zu einem mündigen
und freien Individuum. Man sammelt Spenden für Bedürftige, für
die Witwen von Freimaurern, pflegt Kontakte zu anderen Logen,
feiert und/oder diskutiert.
Ludwig Brügel 1942 im KZ Theresienstadt, Max Hayck in der
Pogromnacht vom 9. November 1938 ermordet.
Rechtzeitig zum 300-jährigen Jubiläum der Gründung einer
ersten Großloge 1717 in London, und erstmals im Kontext der
österreichischen Exilforschung, haben Alexander Emanuely und
Marcus G. Patka, der auch Herausgeber des Wiener Jahrbuch für
historische Freimaurerforschung „Quatuor Coronati“ (QC) ist,
einen ZW-Schwerpunkt zu Exil und Widerstand der Freimaurer
gestaltet.
Beitragende sind: Fritz Brügel, der einige Wochen, bevor er
selbst 1923 Freimaurer wurde, einen Aufsatz über die Wiener
Jakobiner verfasst hat; Andre Combes, der über Widerstand
und Verfolgung der Freimaurer und Freimaurerinnen in Frank¬
reich sowie über das Schicksal der spanischen FreimaurerInnen
im Exil schreibt; Lisa Fischer, welche uns einen Essay über das
musikalisch-philosophische Vermächtnis des Komponisten und
Freimaurers Viktor Ullmann zur Verfügung gestellt hat; Marcus
G. Patka, der über die österreichische Freimaurerei in der Zeit des
Nationalsozialismus und im Exil schreibt; Alexander Emanuely,
der eine Arbeit über Ermordung und Vertreibung der Freimaurer
Spaniens durch Franco veröffentlicht.
Einige der Texte erscheinen gleichermaßen in ZW und im Jahr¬
buch „Quatuor Coronati“ 2017.
Alle Mitglieder sind Brüder, gleich welcher Klasse, welcher Kon¬
fession sie angehören. Die Treffen finden in der Loge statt (Lodge
bedeutet englisch Hütte). Zu den ersten Mitgliedern zählten ne¬
ben einigen Steinmetzen vor allem Handwerker, Geschäftsleute,
Aristokraten, Militärs, auch viele Gelehrte, meist aus der Royal
Society kommend. John Theophilus Desaguliers, Mitglied der
Royal Society, bekannter Physiker und Astronom, war eine trei¬
bende Kraft in der jungen Freimaurerei, nicht nur in England,
sondern in halb Europa.
1723 Der Pastor James Anderson verfasst, neben einer fanta¬
siereichen Vorgeschichte der Freimaurerei, die „Constitutions of
the Free-Masons“. Er schuf damit ein Regelwerk, welches als eines
der Vorbilder für das moderne Verfassungsrecht geschen werden
kann. Diese Constitution, also Verfassung, schaffte jedoch auch
erste Ausgrenzungen: So wurde Atheisten und Frauen die Mit¬
gliedschaft verwehrt.
Um 1730 wird Charles Montesquieu Freimaurer, er beteiligt sich
an ersten Logengründungen in Frankreich. Da die bedeutenden
philosophischen Salons in Paris immer strenger vom Staat kon¬
trolliert wurden, verlegten sich die dort geführten Diskussionen
in die neumodischen, besser geschützten, da nur für Mitglieder
zugänglichen Logen. Während in England die Freimaurerei Teil
der neuen politischen Realität ist, wird sie in den absolutistischen
Monarchien Europas bald als Brutstätte des Aufruhrs betrachtet.