6 Marcus G. Patka: Eine Propaganda-Aktion des NS-Regimes. Die Ver¬
ächtlich-Machung der Freimaurerei im Rheinischen Karneval 1935, in:
Quatuor-Coronati Berichte 32/2012, 175-188.
7 Franz Alfred Six: Freimaurerei und Judenemanzipation. Hamburg 1938.
(Ders.): Freimaurerei und Judenemanzipation. In: Der Schulungsbrief. Das
zentrale Monatsblatt der NSDAP und DAF 7/1939, S. 263-365 (Themen¬
heft „Gegen die Freimaurerei“). Ders.: Studien zur Geistesgeschichte der
Freimaurerei. Hamburg 1942. Lutz Hachmeister: Der Gegenerforscher. Die
Karriere des SS-Führers Franz Alfred Six. München 1998.
8 Dieter Schwarz [Ps. für Alfred Franz Six]: Die Freimaurerei. Weltanschau¬
ung, Organisation und Politik. Berlin 1938, S. 67. Siehe auch Helmut
Neuberger: Winkelmaß und Hakenkreuz. Die Freimaurer und das Haken¬
kreuz. München 2001, S. 354-356.
9 Elisabeth Gotschim-Jauk: Hans Becker. Ein Beitrag zu seiner Biographie
unter besonderer Berücksichtigung seiner Opposition zum Nationalsozia¬
lismus. Diss. Wien 1990.
10 Marcus G. Patka: Österreichische Freimaurer im Nationalsozialismus.
Treue und Verrat. Wien u.a. 2010. Walter Göhring: Die turbulenten Jahre
nach dem Krieg. Die Wiedergeburt der österreichischen Freimaurerei 1945,
in: QC-Berichte 25/2005, S. 7-109.
Erstdruck unter dem Titel „Revolutionäre II. Die Jakobiner in Öster¬
reich“ in „Die Wage“ (Wien), 31. März 1923, 195f.
Der aufgeklärte Absolutismus in Österreich hat zu dem großen
Gegensatz zwischen Zentralgewalt und Fürstenmacht, der für
Jahrhunderte hin die deutsche Geschichte bestimmt, ein merk¬
würdiges Widerspiel geschaffen. Ein Widerspiel, das seinen Aus¬
druck findet in der gewaltsamen Zentralisierung, die im Sinne
des Merkantilismus Handel und Industrie, das sind die Bürger,
unterstützt, und die im Sinne des gleichen Systems gegen den
Feudaladel die Agrarreform anstrebt. Alle Reformen Josefs I.
sind nur vom Standpunkte des Merkantilismus und des Absolu¬
tismus verständlich. Sie zeigen ein Streben, die Gesellschaft nach
bestimmten Grundsätzen zu ordnen. Die Gewaltsamkeit dieser
Ordnung verhindert sie. Sie strebt nicht von der Einsicht in die
Wirtschaft eine Regelung aller gesellschaftlichen Verhältnisse an, sie
zeichnet ein Idealbild und will den gezeichneten Typus erreichen,
indem sie die Realität abstrahiert. Zum ersten Mal ersteht so die
Erscheinung einer nicht existenten Nation der Österreicher, die
durch rücksichtslose Germanisierung Wirklichkeit werden soll und
die in Beamten und Offizierskorps Wirklichkeit zu werden scheint.
So sind Bürger, Offiziere und Beamte die Träger der josephini¬
schen Ideologie, die, was immer gegen sie einzuwenden ist, diesen
Gesellschaftsklassen die Wurzeln einer Gedankenfreiheit gegeben
hat. Aber sie sind zu schwach, um sich behaupten zu können;
ein wirtschaftliches System, dem ein so straff organisierter Staat
wie Frankreich gerade reif genug war, mußte im agrarfeudalen
Österreich zum Zerrbild werden.
Josef II. kann die Realität nicht überwinden; sein Nachfolger
weiß sich besser als er in die Wirklichkeit zu schicken und zerstört
den begonnenen Bau. Aber Leopold II. macht es gut. Er nimmt
den Schichten, die mit seinem Bruder sympathisiert hatten, nichts,
ja er fördert sie zuerst scheinbar. Die geheimen Gesellschaften,
Freimaurer und Iluminaten, in deren bergendem Dunkel sich
philosophische Köpfe über die besten Regierungsformen und die
angeborenen Rechte des Menschen unterhalten hatten, finden
in ihm keinen Feind: denn wenn auch eine seiner ersten Regie¬
rungshandlungen darin bestand, daß er zahlreiche josephinische
Angestellte entließ, so wußte er doch — aus Toskana, dem Lande
einer sorgfältig organisierten Geheimpolizei kommend — das Dun¬
kel der geheimen Gesellschaften zu schätzen und, indem er diese
mit seinen Agenten durchsetzte, sich dienstbar zu machen. In den
zwei Regierungsjahren, die ihm beschieden waren, nahm er die
wesentlichsten Verfügungen seines Bruders zurück. Die Bedeutung
dieses Habsburgers, der, nach dem Zeugnis eines Zeitgenossen.
ganz das Anschen eines aufsagenden Schulknaben hatte, beruht
darin, daß er die Geheimpolizei zur Methode der österreichischen
Politik machte. Was er säet, erntet sein Bruder Franz II (es war der
Sohn, Anm. Verf.).
Dem Vater war es gelungen, einen Bund zwischen den geheimen
Gesellschaften und der geheimen Polizei zu Wege zu bringen. Der
Sohn zerstört diesen Bund und hat, je weiter die französische Revo¬
lution fortschreitet, immer leichteres Ziel. „Mit Franz“, sagt (Georg
Friedrich) Rebmann, der Verfasser des 1798 anonym erschienenen
Obscurantenalmanachs, „waren die Männer der Finsternis wieder
in voller Arbeit. Eine geheime Hofkamarilla, die Pinselgesellschaft,
arbeitete unermüdet darauf los, das 13. Jahrhundert wieder in
einer Form und Gestalt herzustellen, indem sie die Periode des
Mittelalters für den deutschen Charakter am passendsten hielt“.
Die geheime Polizei sprengte ungeheuere Gerüchte von der Macht,
dem Einfluß und den unmenschlichen Verbrechen der Jakobiner
aus. Man verstand es, Mißtrauen und Angst in die Massen zu
werfen, ja, man scheute sich nicht, zu diesem Zwecke ein Memo¬
randum an die Reichsstände des Heiligen Römischen Reiches
deutscher Nation zu geben, in dem Schutz gefordert wurde gegen
die Iluminaten, Gesellschaft „teils schr mächtiger Männer“, die
seit 1787 an allen „jämmerlichen“ Ereignissen in Europa Schuld
trügen. Es wurde der Rat gegeben, Rußland um Hilfe anzugehen.
„Es läßt sich begreifen“, sagt Rebmann, „welch einen schweren
Stand das verlorene Häuflein hatte, die man überhaupt zählen
konnte in dem großen Wien.“
Dem Willen der Geheimpolizei, eine Jakobinerverschwörung
zu entdecken, war 1793 ein Erfolg beschieden.
Die Grafen Colloredo, Pergen, Franz Saurau und der Freiherr
von Schloissnigg leiteten die Jakobinerjagd. Als Haupt der Ver¬
schwörung wurde Franz von Hebenstreit, ein am Hofe angeschener
Offizier und Platzoberleutnant von Wien, festgenommen. Er war
1759 in Böhmen geboren worden und hatte in mehreren Feldzü¬
gen seine Tapferkeit bewiesen. Er galt als Anhänger der Ideen des
Jahrhunderts und hatte an geheimen Gesellschaften teilgenommen.
Die grafliche Kamarilla des Hofes machte ihn zum Haupte einer
über die ganze Welt verstreuten Jakobinerverschwörung. Die An¬
klage bezichtigte ihn der Ausstreuung französisch-demokratischer
Grundsätze, der Volksaufwiegelung, der Majestätsbeleidigung, des
Aufruhrs, der Störung der Ruhe und der Ordnung, der Verfassung
eines aufrührerischen Volksliedes und des von Kriegsmaschinen
nach Frankreich und Polen, ein Vorwurf, mit dem auch die ande¬
ren Verschwörer belastet wurden. Hebenstreit wurde zum Verlust
von Adel, Charge und Vermögen und zum Tode durch den Strang
verurteilt. Das Urteil wurde am 8. Jänner 1795 vollzogen.