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eigens dafür geschaffene Abteilung des Innenministeriums hieß „Delegaciön del Estado para Recuperaciön de Documentos“. Juan Tusquets Terrats hatte übrigens Anfang 1934 auf Einladung einer internationalen Anti-Freimaurer-Vereinigung das am 22. März 1933 eröffnete Konzentrationslager Dachau besucht, um vor Ort anzumerken, dass man in Spanien eine ebensolche Instirution benötige. Eine schon seit vielen Jahren unter Rechtsextremen und an Militärakademien Spaniens verbreitete Verschwörungstheorie besagte, dass es ein „Contubernio“, ein geheimes Bündnis zwischen Juden, Freimaurern und Kommunisten gäbe, welches man mit allen Mitteln bekämpfen müsse. Idente Verschwörungstheorien gab es in Berlin, Rom und weltweit in den Zentralen vieler konservativer und aller rechtsextremen und faschistischen Gruppierungen. Sollte das neue, in Wirklichkeit schr alte Spanien verwirklicht werden, durfte es keine Kommunisten, keine Freimaurer, keine Juden mehr im Land geben. Franco und seine Anhänger handelten, als sei dieses „Contubernio“ Realität. Die Verfolgung der Juden und Jüdinnen ließ Franco jedoch trotz vieler antisemitischer Aussagen bis 1975 aus. Im Gegenteil, Spanien wurde das wichtigste Transitland Europas für viele Exilierte. Ca. 25.000 bis 35.000 Menschen aus ganz Europa konnten über die Pyrenäen nach Spanien flüchten. Es gab in Spanien nach 1939 keine antisemitischen Gesetze. Spanische Diplomaten stellten in etlichen europäischen Ländern Juden und Jüdinnen, welche nachweisen konnten, dass sie Sepharden waren, die spanische Staatsbürgerschaft aus bzw. deklarierten sie zu „Schutzgenossen“. Ein dementsprechendes Dekret gab es schon seit 1924. Somit waren sie Angehörige eines neutralen Staates und theoretisch vor der Deportation durch die Nazis geschützt. Francos Regierung war jedoch mehr am Vermögen als am Schutz der Sepharden interessiert. In Frankreich z.B., wo dank dem Dekret 2.000 Menschen die spanische Staatsbürgerschaft besaßen, sah in manchen Fällen der Deal zwischen den quasi verbündeten Spaniern und Deutschen folgendermaßen aus: sollten Juden und Jüdinnen trotz ihrer spanischen Staatsangehörigkeit deportiert werden, würde ihr Vermögen unbedingt Spanien zufallen. War ein Sepharde „unehrenhaft“ gewesen, hatte er also nachweislich die Republik unterstützt oder war er Freimaurer, dann durfte ihn die spanische Botschaft sowieso nicht unterstützen. In den meisten Fällen hing das Schicksal der verfolgten Juden und Jüdinnen ausschließlich von der Einstellung der einzelnen Diplomaten ab. So setzte sich der spanische Generalkonsul in Frankreich, Bernardo Rolland, für alle spanischen Staatsbürger ein, während Botschafter Lequerica offen antisemitisch handelte und nichts von jüdischen Schutzgenossen oder Staatsbürgern wissen wollte. Für ihn galten die fast 500 Jahre alten antijüdischen Dekrete aus dem Jahr 1492. Dafür machte der spanische Botschafter in Budapest, Ängel Sanz Briz, sogar Tausende nicht-sephardische Juden und Jüdinnen zu spanischen Staatsbürgern. Gleichzeitig wurde, wie seit 2010 bekannt, in Spanien eine Liste von 6.000 Juden erstellt und 1941 in Berlin vom spanischen Botschafter José Finat an Heinrich Himmler übergeben, wohl als Zeichen dafür, dass Vorbereitungen für eine mögliche Kooperation in Sachen Verfolgung, Auslieferung und Deportation getroffen worden seien. Die Landesverräter Im Allgemeinen hatte Franco beschlossen, vorerst nur Freimaurer und Kommunisten zu verfolgen, also alle Menschen aus dem 44 ZWISCHENWELT progressiven Bürgertum und der revolutionären Arbeiterschaft. Anhand der Archive und etlicher Denunziationen wurde im Laufe der Zeit eine Liste von ca. 80.000 verdächtigen Freimaurern zusammengestellt. De facto gab es 1936 in Spanien 5.000 bis 10.000 Freimaurer und Freimaurerinnen, nach 1939 maximal nur noch 1.000, wobei die allermeisten von ihnen zu diesem Zeitpunkt im Gefängnis saßen. Die Verschwörungstheorie von Franco oder Tusquet hatte lebensgefährliche Konsequenzen für die spanischen Freimaurer und Freimaurerinnen, sie bedeutete für viele Tod, lebenslange Haft oder Exil. Im Februar 1940 wurde in Spanien ein Gesetz verabschiedet, dass die Mitgliedschaft in einer Loge oder in der kommunistischen Partei mit Kerker oder dem Tode bestraft werden solle. Freimaurer galten nun per Gesetz allesamt als Landesverräter. Einem eigenen Sondertribunal saßen anfangs meist die blutrünstigen Generäle Mariano Gämir Ulibarri und Andres Saliquet vor. In der Annahme, dass die Hochgrade etwas mit einer Hierarchie zu tun hätten, wurde auch in diesem Sinne bestraft. Das Erschießungskommando, die Garrotte oder 30 Jahre Haft drohten z.B. all jenen, die den 18. Grad (von insgesamt 33) erreicht hatten. Fallende Generäle Der Putsch begann am 17. Juli 1936 um 17 Uhr in Melilla, im spanischen Teil Marokkos. Der Oberkommandierende der Truppen der Stadt, der Freimaurer und General Manuel Romerales Quintero, wurde von seinen Offizieren zum Rücktritt gezwungen. Diese hielten ihm drohend eine Pistole an die Schläfe, um ihn zum Aufgeben zu zwingen. Die ersten Massenverhaftungen und -exekutionen folgten. Dem General wurde im August 1936 der Prozess gemacht. Er rief noch: „Lange lebe die Republik!“, als er am 29. August hingerichtet wurde. Der nächste General, den die Putschisten im Juli zum Rücktritt zwangen, war der Oberkommandierende der spanischen Truppen Nordafrikas, General Agustin Gömez Morato, ebenfalls ein Freimaurer. Er kam ins Gefängnis, wurde 1941 zu weiteren 12 Jahren Haft verurteilt, bald jedoch aus der Haft entlassen und lebte bis zu seinem Tod 1952 in Valencia unter Hausarrest. Jene Militärs, die dem Freimaurer-Bund angehörten, blieben der Republik treu, zumindest in den meisten Fällen. Bei General Queipo de Llano, General der Grenzpolizei, Anführer des Putsches in Sevilla, war dies jedoch nicht der Fall. Obwohl er noch Mitglied einer Loge zu sein schien, schloss er sich Franco an. Er rechtfertigte seinen Entschluss damit, dass er das Land durch die Kommunisten bedroht sehe. Nachdem de Llano den Oberkommandierenden der Stadt Jose Fernändez de Villa-Abrille, ebenfalls Freimaurer, eigenhändig verhaftet hatte und die Stadt von den Rebellen übernommen wurde, beschlagnahmte man die Mitgliederlisten der Logen, und monarchistische Milizionäre, die Requet£, richteten ca. 200 Brüder sofort hin. General Queipo de Llano war ebenfalls Kommandant jener Iruppen, die am 8. Februar 1937 Mälaga einnahmen. 4.000 Hinrichtungen erfolgten in den Wochen nach der Eroberung. Bei den 80 verhafteten Freimaurern wurde das Todesurteil mit der Garrotte, der Wiirgeschraube, vollstreckt. De Llano war ein Sadist, der beweisen musste, dass er tatsächlich das Lager gewechselt hatte; seine Brutalität ging jedoch sogar einigen Putschisten zu weit. General Mola, neben Franco der zweite Führer der Putschisten, war chemaliger Freimaurer. Dies war der Regierung in Madrid bekannt, weshalb man noch am 19. Juli versuchte, mit ihm zu