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Die Schwestern Auch die Schriftstellerinnen und Frauenrechtlerinnen Rosario de Acufa und Angeles Lopez de Ayala waren Freimaurerinnen. In Spanien gab es ab den 1880er Jahren viele Freimaurerinnen. So gehörten fast alle führenden Frauenrechtlerinnen des beginnenden 20. Jahrhunderts einer Loge an. Belen de Särraga Hernändez war seit 1896 Mitglied der Loge „Severidad“ im Orient von Valencia. Im selben Jahr gründete sie die „Asociaciön de Mujeres Librepensadoras“ (Vereinigung der Freidenkerinnen) und war neben ihren Aktivitäten als Freimaurerin und Freidenkerin aktive Anarchistin. 1897 wurde sie Präsidentin des Frauenvereins von Valencia. Als Belen de Särraga Hernändez am 10. September 1950 im Exil und in Armut in Mexiko-Stadt starb, organisierten ihr ihre WeggefährtInnen und mexikanischen Freimaurer-Geschwister ein maurerisches Begräbnis. Eine ihrer Mitstreiterinnen war die Schriftstellerin Ängeles Löpez de Ayala, Mitglied der Loge „Constancia“ im Orient von Barcelona. Und in Barcelona hatte Angeles Löpez de Ayala 1892 die „Sociedad Autönoma de Mujeres de Barcelona“ (Autonome Frauenvereinigung von Barcelona) gegründet, die erste Frauenvereinigung Spaniens überhaupt. Eine weitere Anführerinnen der spanischen Frauenbewegung war die erwähnte Rosario de Acuna, seit 1886 Mitglied der Loge „Constante Alona“ im Orient von Alicante. Logen, in denen ab den 1880er Jahren Frauen aufgenommen wurden, waren Adoptionslogen, also solche, die unter dem Schutz einer Männerloge stehen. Die Loge „Constante Alona“ hatte 143 männliche Mitglieder, als sie 1886 in ihre Zusatzloge für Frauen 15 Schwestern aufnahm. Fast in jeder großen Stadt bildeten sich Adoptionslogen. Während in Spanien Ende des 19. Jahrhunderts die Zahl solcher offiziell von Männern abhängigen Frauenlogen wuchs, ging sie z.B. in Frankreich, wo sie im 18. Jahrhundert und am Beginn des 19. Jahrhundert ihre Blütezeit hatten, stark zurück, vor allem ab ca. 1890, als der Freimaurerorden „Droit Humain“, in dem Männer und Frauen formal gleichgestellt sind, gegründet wurde. In Spanien sollte sich der „Droit Humain“ erst ab 1915 langsam etablieren. Die maurerische Republik Dass 1931, als die Zweite Republik ausgerufen wurde, so viele Politiker, aber auch hochrangige Militärs, VertreterInnen der Arbeiterbewegung, Liberale, Bürgerliche, Revolutionäre Freimaurer waren, dürfte die Konsequenz einer langen Entwicklung und Geschichte sein — es war das Lebenszeichen für das „zweite Spanien“. Kurz vor dem Militärputsch war die Freimaurerei folgendermaßen aufgestellt: der Großorient hatte 105 Logen mit ca. 5.000, die Großloge 52 Logen mit ca. 1.800 Mitgliedern. Weiters gab es ca. fünf Logen des „Droit Humain“ und andere Obödienzen in der Provinz sowie etliche Adoptionslogen. In der linksliberalen Regierung von 1932 gab es 17 Brüder unter den Ministern, weiters waren 183 von 470 Abgeordneten des Cortes Freimaurer, genauso wie die 20 höchstrangigen Generäle des Landes. Franco, seine Anhänger und die katholischen Kirche sahen einen direkten Zusammenhang zwischen der Republik und dem Bund und interpretierten die Lage folgendermaßen: ohne Logen keine Republik. Die Konsequenz daraus lautete: Wenn die Freimaurerei ausgelöscht wird, verschwindet mit ihr die Republik. Und Ziel der Putschisten war ja genau das Verschwinden der Republik, des „zweiten Spaniens“. 48 _ ZWISCHENWELT Die Auslöschung der Freimaurerei in Spanien ging so weit, dass ab 1938, nachdem fast alle Tempel, Logenhäuser und sonstigen Einrichtungen, meist durch Artilleriebeschuss, zerstört waren, ebenfalls alle Grabsteine mit maurerischen Symbolen verschwanden. In Salamanca wurde nach 1940, im ehemaligen Hauptquartier Francos, ein Freimaurer-Museum eingerichtet, das den Menschen beibringen sollte, wie diabolisch die Machenschaften dieses Bundes gewesen seien. Den diister-bunt nachgebauten Tempel kann man sich heute noch anschauen, er ist inzwischen Teil des Museums des Spanischen Biirgerkriegs, in dem auch Millionen von Geheimdienstakten aufbewahrt, alle inzwischen der Öffentlichkeit zugänglich, und recht intensive Forschungen zum Krieg betrieben werden. Dank dieser Akten und Karteikarten im Archiv von Salamanca konnten in den Jahren nach der Rückkehr zur Demokratie Entschädigungszahlungen, eine symbolische Wiedergutmachung für die Angehörigen der Ermordeten und Verfolgten, ausbezahlt werden. Das Zerstörungswerk Im Jahr 1963 war es offiziell: In Spanien gab es keine aktiven Freimaurer mehr, zumindest keine spanischen. Zuvor wurde immer wieder behauptet, es würden sich Logen im Untergrund bilden. Diese Behauptungen waren meist Vorwand für Verhaftungen „unerwünschter Elemente“. Die Regierung Francos nannte 1945 ca. 500 von ca. 950 inhaftierten Freimaurern, welche sich wieder auf freiem Fuß befanden. Schätzungen gehen davon aus, dass nach 1940 über 2.000 Freimaurer im Gefängnis saßen. Ein Großteil von ihnen wurde zu einer Haftstrafe von 12 Jahren plus einen Tag verurteilt, ca. 160 zu 30 Jahren plus einen Tag. Mit dem Nato-Beitritt Spaniens stellte sich jedoch bald eine Situation wie im Jahre 1728 ein — ausländische Militärs gründeten Logen in den Nato-Stützpunkten. So gab es 1969 fünf solcher Logen. Mitglieder waren Belgier, Niederländer, US-Amerikaner. Natürlich durften, wie 1728, unter keinen Umständen Spanier beitreten. Exil und Rückkehr Die spanische Freimaurerei überlebte im Exil. Der Großorient von Spanien im Exil war in Mexiko-Stadt, wo auch die Exilregierung der Spanischen Republik, deren Mitglieder fast zur Gänze dem Bund angehörten, ihren Sitz hatte. Es gab in Frankreich zahlreiche spanische Logen innerhalb der französischen Großlogen (siche den Beitrag von André Combes in diesem Heft). In den spaten 1970er Jahren verhalfen die spanischen Briider und Schwestern des Exils der Freimaurerei in ihrer alten Heimat zur Wiedergeburt. Das erste offizielle Treffen von Freimaurern in Spanien nach der langen Zeit des Schreckens fand im November 1977 in Madrid statt. Bei diesem Treffen handelte es sich um den Konvent, also die Generalversammlung des Großorients von Spanien im Exil, welcher sich bei dieser Gelegenheit auflöste, um den Großorient von Spanien neu zu gründen. Erst 1979 verloren Francos antimaurerische Gesetze ihre Rechtskraft. 2017 gibt es in Spanien ca. 5.000 Freimaurer und Freimaurerinnen. Sie sind in einem Land aktiv, „wo man den Schatten Kains noch irren sieht“, wie Antonio Machado 1912 in seinen Kastilische Landschaften in einem Gedicht über Spanien schreibt.