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Dokumentarfilm „Ich will die Sonne sehen“ von Gerhard Pazderka und Robert Streibel, der über die Homepage des Verlages der Provinz leicht zugänglich ist, schen. Wehrmachtssoldaten im Widerstand in Jugoslawien, der sich gegen die Barbarei der Besatzungsarmee und die Grausamkeit von Tschetnikbanden richtet — darüber ist heute fast nichts bekannt. Louis Mahrer, der in der Erzählung in Alfred Kroneck sein Alter ego findet, freundet sich in Kraljevo mit Gerhard Chmiel an, der im Text den Nachname Schmiel erhält. Beide müssen als Funker Militärsender der Partisanen abhören, deren Codes von der Wehrmacht entschlüsselt worden sind. Wegen der Massenmorde in Serbien und der Ukraine, die sie miterlebt haben, entscheiden sie sich dafür, über Mittelsmänner Kontakt mit den Partisanen aufzunehmen und diese zu warnen. „‚Da gilt auch ein Eid nichts mehr‘, sagt Gerhard. ‚Schon gar nicht ein erzwungener!‘, antwortet Kroneck.“ Ihr Vorhaben gelingt, doch im Juli 1944 wird die Zusammenarbeit Chmiels mit den Partisanen aufgedeckt. Er sowie andere Soldaten der Nachrichtenkompanie — darunter Mahrer — werden verhaftet. Aber trotz schwerster Folter verrät Chmiel sie nicht, und ihnen kann keine Beteiligung nachgewiesen werden. Gerhard Chmiel wird zum Tod verurteilt, Mahrer muss der Hinrichtung beiwohnen. „Die Salve krachte. Elf Kugeln rissen das Herz ins zerfetzte Gras, hoch bäumte sich der Körper, fiel dann vornüber und hing, vom Strick am Fallen gehindert, frei über brauner Erde. Dunkel und rasch floss das Blut.“ Mahrers Arbeitstitel für das Buch lautete „Gerhard. Ein Buch der Treue“. Er wollte nach 1945 auch Gerhard Chmiels Mutter besuchen, wie sich seine Tochter Eva im Kommentarteil von Robert Streibel erinnert: „Es hat ihn immer gequält: ‚Ich sollte zu dieser Frau und ich bring das nicht zusammen.‘ Das habe ich noch im Ohr. Der Frau gegenüberzutreten und sagen, ‚ich lebe noch‘, und ihr die Geschichte zu erzählen.“ Der Erzählung merkt man an wenigen Stellen an, dass sie eigentlich unfertig ist, noch Für Freunde von Stefan Zweig und für Exilliteratur-Forscher ist dieses Buch, dessen portugiesische Ausgabe 2014 erschien, gleichermaßen ein wichtiger Beitrag. Nach einer Einleitung von Alberto Dines, der 2006 eine Biographie über Zweig publiziert hatte, beschreibt Klemens Renoldner, Direktor des Stefan Zweig Centre in Salzburg, die Lebenssituation Zweigs und versucht die Frage zu beantworten, warum von Personen wie Ernst Feder und Romain Rolland keine Einträge zu finden sind. 158 Personen wurden in Lotte Zweigs Handschrift in das Adressbuch eingetragen. Neben Dines haben die brasilianischen Forscher Kristina Michahelles und Israel Beloch die Biographien recherchiert. Neben vielen bekannten Namen und lokalen Persönlichkeiten gibt es The missing image Mit den Mitteln des Films und mit Hilfe von Interviews erkundet die in Wien lebende Filmemacherin Ruth Beckermann Orte, Landstriche, Geisteshaltungen — es ist gar nicht einfach einen brauchbaren Ausdruck für diese Räume zu finden, vielleicht umreißen es englische Begriffe wie cultural spaces oder cultural landscapes noch eher. Diese mögen geografisch anderswo liegen (erwa „Nach Jerusalem“, „American Passages“) oder buchstäblich nebenan oder vor der Haustür („Zorros Bar Mizwa“, „homemad(e)“). In „Die papierene Brücke“ (1987) begibt sich Beckermann in die chemalige Bukowina, aus der auch Überraschungen wie den hebräischen Publizisten Abraham Mibashan. Biographisch besonders interessant sind die Einträge über die Familienmitglieder von Stefan und Lotte Zweig. Im Eintrag über den New Yorker Aufbau findet sich der nicht mehr korrekte Hinweis, dass er von der Deutschen Nationalbibliothek online gestellt wurde. Der Aufbau, nicht jedoch die anderen abgeschalteten Exilzeitschriften, wurden nicht sehr benutzerfreundlich vom Leo Baeck Institut in New York digitalisiert und zugänglich gemacht. Das Adressbuch ist faksimiliert; der biographische Teil enthält auch zahlreiche Illustrationen. Adressbücher fanden bereits seit einiger Zeit Eingang in die Kulturgeschichtsschreibung. Die Berliner Kulturhistorikerin Christine FischerDefoy edierte nach einer Anregung von Walter ihre Vorfahren stammen. Eine Gegend, die sie nur aus Erzählungen kannte, die damals in den 1980ern weit hinter dem Eisernen Vorhang lag. „Ihe Missing Image“ ist der Titel einer Installation Ruth Beckermanns, die 2015 acht Monate lang bei der Skulptur des straßenwaschenden Juden auf dem Albertinaplatz in Wien aufgebaut war. Das fehlende Bild, das Beckermann dem dort befindlichen Mahnmal gegen Krieg und Faschismus von Alfred Hrdlicka hinzufügte, ist eine Filmaufnahme aus dem Jahr 1938, die lachende und feixende Personen zeigt, die sich darüber amüsieren, dass jüdische ausgebaut gehört hätte. Doch Louis Mahrer kam nicht dazu, er beendete sein Studium, dissertierte, gründete eine Familie, war Lehrer für Deutsch und Französisch an der HTL Krems und politisch aktiv in der Österreichisch-Sowjetischen Gesellschaft. Er veröffentlichte nie wieder ein Buch. Robert Streibel ist es zu verdanken, dass er diese wichtige Erzählung, die einzigartig in der österreichischen Nachkriegsliteratur ist, wieder zugänglich gemacht hat. Am Ende des Bandes befinden sich Aufzeichnungen aus Alois Mahrers Arbeitsjournal von 1939 bis 1945, eine Art Tagebuch. Am 28. August 1944 notiert er: „Heute früh wurde G. erschossen. Ich musste zuschauen. Das Grauen verlässt mich nicht.“ Und so geht es auch heutigen Leserinnen und Lesern. Mögen es viele sein! Martin Krist Louis Mahrer: Bora. Erzählung. Mit einem historischen Kommentar von Robert Streibel. Weitra: Verlag Bibliothek der Provinz 2017. 216 S. € 24,Jens ab 1999 die Adressbücher von Walter Benjamin, Hannah Arendt, Heinrich Mann, Frida Kahlo, Marlene Dietrich und — zusammen mit Susanne Schaal — von Paul Hindemith. 2011 zeigte die Wienbibliothek in einer von Marcel Atze und Kyra Waldner kuratierten Ausstellung private Adressbücher von rund dreißig prominenten Zeitgenossen aus zwei Jahrhunderten. Der Begleitband enthält auch einen Essay von Christine Fischer-Defoy. EA. Alberto Dines, Israel Beloch, Kristina Michahelles (H¢.): Stefan Zweig und sein Freundeskreis. Sein letztes Adressbuch 1940-1942. Aus dem brasilianischen Portugiesisch von Stephan Krier. Berlin: Hentrich & Hentrich 2016. 239 S. € 27,90 MitbürgerInnen den Gehsteig mit Bürsten und Lauge reinigen müssen. Mit „the missing image“ könnte man vielleicht auch einen Aspekt der filmischen Arbeit Ruth Beckermanns bezeichnen, nämlich das zu zeigen, was üblicherweise nicht im Mittelpunkt steht, das, worauf der Blick nicht als erstes fällt. So ist „Jenseits des Krieges“ (1996) kein Film über die so genannte Wehrmachtsausstellung, die Bilder der Verbrechen der NS-Armee sind nur im Hintergrund sichtbar, sondern „ein Porträt der Kriegsgeneration, ein Film über die Reste des Krieges in den Kriegsteilnehmern“ (Eva Menasse). Ebenso wie „Ein Oktober 2017 73