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vorbei, singen, spielen Harmonika und schlagen ihre Frauen. Die ewige Harmonika!“ Schließlich: „Überall Derbheit, Schlechtigkeit, Wildheit.“ — Wäre sein Leben bereits VOR 1938 bedroht gewesen, wenn Derartiges damals ins Deutsche übersetzt worden wäre? Dennoch soll eine irritierende Seite seines Schreibens in der Zwischenkriegszeit nicht unterschlagen werden. Manchmal schlägt Schoffmanns Gegenwartsskepsis um in eine seltsame Verklärung der Vergangenheit, die sich mit einem reaktionären Gesellschaftsbild verbindet. So, wenn er anlässlich des Todes des letzten k. & k.- Henkers Josef Lang (1925) nicht nur diesen befremdend idealisiert („Er war der Tag, der mit der Nacht kämpft“), sondern auch die (abgeschaffte) Todesstrafe. Ähnlich in einer anderen Geschichte: „Die Todesstrafe ist abgeschafft und die Richter neigen zur Milde, ermutigen damit zu neuem Morden.“ Hinzu kommen dann seltene, aber nicht zu leugnende Anklänge an eine bereits lange vor dem Nationalsozialismus weltweit verbreitete Rassenbiologie, die aber in einem Text aus dem Jahre 1942 (dem vorletzten „Otti“ Bartfeld Othmar Bartfeld, liebevoll „Otti“ genannt, wurde 1931 in Czernowitz in der Bukowina geboren, hatte eine neun Jahre ältere Schwester Margit. In einer einst österreichisch-ungarischen jüdischen Familie wuchs er heran, ging in Czernowitz in die Schule, sein kindliches Leben fühlte sich aufgehoben in der Familie und der Stadt Czernowitz. 1940 fällt die Nordbukowina mit Czernowitz an die Sowjetunion, im Juni 1941 wurden 2.800 Menschen aus der Nordbukowina aus ihren Wohnungen geholt und in Viehwaggons tage- und wochenlang in Richtung Sibirien deportiert. In die Taiga, in die Wassjuganje, eine wenig lebensfreundlichen Landschaft, wurden sie verbannt und sollten verrecken, wie sich Stalin das wiinschte. Der zehnjahrige Otti leistete in der Verbannung Schwerstarbeit, kampfte ums Leben und Uberleben. Als geschickter und musisch begabter Mensch ertrug er das schwere Leben, die Schulzeit wurde eine kurze Episode. Spater heiratete er Wilma, die Lettin, seine große Liebe, die ebenfalls eine Deportierte war, bekam zwei Söhne, Leonid und Marek, und baute ein Häuschen. 1990 machten sich seine Mutter Cilly, die Schwester Margit mit Tochter, Schwiegersohn und Enkeln auf den Weg nach Israel, sie durften Sibirien nach fünfzigjähriger Verbannung verlassen. „Otti“, der kleine Bruder blieb im Land. Fünfundsiebzig Jahre lebte er dort. Margit, die Schwester, heiratete in der Taiga 1948 den ebenfalls aus Czernowitz stammenden Kurt Feller, der Architekt geworden war; 1950 bekam das Paar eine Tochter, 1979 starb Kurt Feller und wurde in Tomsk begraben. Vater Moritz Bartfeld starb 1942 den Hungertod. des Buches) doch befremdlich erscheinen: (Über die Tochter eines „Ariers“ und einer Jüdin): „In ihren Gesichtsziigen sieht man das Spiel der einander feindlichen Rassenelemente und ihre Konflikte.“ Ich habe bereits die ganz eigene, von der Ubersetzerin beeindruckend ins Deutsche iibertragene Sprache hervorgehoben. Und war anfangs angesichts des doch über weite Strecken als österreichisch empfundenen Sprachduktus wegen mancher, weniger Teutonismen verunsichert („hatte gestanden“, „gucken“, „Heiligabend“) und erklärte mir dies mit den deutschen Wurzeln der Übersetzerin und dem Schielen des Verlages auf den deutschen Markt. Aber als ich dann auf Seite 263 in einem Text aus dem Jahr 1930 über eine Szene in einem Grazer Gericht las: „Und hier, im Deutschen Reich“, da war ich mit den paar Teutonismen versöhnt. Für Schoffmann war das nach dem Ende des Habsburgerreiches übriggebliebene Österreich Teil des „Deutschen Reiches“, so wie es wohl auch nicht wenige nicht zuletzt Grazer mit ihrem Grenzlanddeutschtum damals empfanden. Also Bei meinen Begegnungen und Besuchen mit und bei Margit in der Nordau Sderot in Tel Aviv erfuhr ich immer wieder etwas über ihre wunderbaren Jahre mit dem Bruder Otti in der Bukowina, von den Ferien in Kimpolung, von den Freundinnen und Freunden. Nie anklagend erzählte sie all die Jahre von der Deportation und ihrem schweren Leben in Sibirien. Mysteriös, fast nebulös kommen einem Außenstehenden viele Geschehnisse und Erlebnisse vor. Wie konnte man dort in der Taiga überhaupt leben und noch dazu fünfzig Jahre? Margit BartfeldFeller, die bereits zwölf Bücher über ihr Leben damals in der Bukowina und über das spätere Leben in der Sowjetunion schrieb, ging erneut mit vierundneunzig Jahren mutig an die Arbeit, um ihren „kleinen“ Bruder Otti nicht zu vergessen, der 2016 mit fünfundachtzig Jahren in Sibirien verstorben war.. Ein literarisches Denkmal setzte sie ihm. Margit Bartfeld-Fellers Bücher sollte man lesen, einen besseren und informativeren Geschichtsunterricht gibt es nicht. Von Margit erfahren wir in dem neuen Buch über ihren Bruder Otti, das von Erhard Roy \Wiehn wie immer sehr kenntnisreich bearbeitet wurde, dass Otti auf Kimmen und der Mundharmonika musizierte, auch im Chor der Lampenfabrik leidenschaftlich gerne sang und seine große Freude das Tanzen war. Beim Aufführen von Volkstänzen war er in den Dörfern am Wassjugan stets dabei. All diese und andere Freuden mehr halfen ihm zu überleben und gaben ihm Lebensfreude. Als „Verschickter“ durfte er mit seinem Chor nicht von Tomsk nach Moskau mitfahren. Ihm wurde die Reise verwehrt, was ein großer Schmerz für ihn war und ihn demütigte. Mit Tieren kannte sich Otti aus, kümmerte hätte er wohl keinen Einwand dagegen gehabt, zu gucken statt zu schauen. Schoffmanns „Nicht für immer“ schließt eine Lücke im Mosaik der österreichischen Literatur des 20.Jahrhunderts, gerade auch wenn diese Leerstelle bisher gar nicht gesehen wurde und der Autor selbst diese Schriften vielleicht ebenfalls nicht als auch zum literarischen Österreich gehörig empfand. Er sah sich als hebräischen und, nachdem er im Juli 1938 mit seiner Familie nach Palästina gelangt war, bald wohl ausschließlich als israelischen Schriftsteller, der einer der bekanntesten hebräischen Autoren seiner Zeit war. 1972 starb er, ausgezeichnet mit mehreren Literaturpreisen. Respekt dem Herausgeber wie dem Grazer Droschl-Verlag, die den Autor mit diesem Buch erstmals in deutscher Sprache bekannt machen. Karl Wimmler Gerschon Schoffmann: Nicht fiir immer. Hg. von Gerald Lamprecht. Aus dem Hebräischen von Ruth Achlama. Graz, Wien: Droschl 2017. 350 S. € 25,sich als Vierzehnjähriger verlässlich um kranke Pferde während einer Pferdeepidemie. Mit dem alten Donkosaken Pugatsch verband ihn eine innige Freundschaft. Wir erfahren von Wintern, die bereits im September begannen und von bitterer Kälte mit minus 45 Grad Celsius, wir erfahren von zugefrorenen Flüssen, auch von Sommern, die Ende Mai begannen, wenn Schnee und Eis verschwanden. An Erlebnisgeschichten in Sibirien mit Mama Cilly und Otti, vom täglichen Kampf um Leben und Tod, von angreifenden Bären und Hungersnöten lässt uns Margit teilhaben. Otti beschreibt den schwierigen Bau eines Brunnens im Sumpfgebiet. Zuvor wurde schmutziges, öliges Flusswasser getrunken. Nun gab es frisches klares Brunnenwasser. Das war ein großer Erfolg! Ottis Nichte Anita, die in Tomsk geboren wurde und heute ebenfalls in Tel Aviv wohnt, schreibt sehr liebevoll über ihren Onkel Otti und erinnert sich gerne an ihn. Über seine technische Begabung erfahren wir von ihr und seine Leidenschaft für Fotografie und Motorradfahren. Die einzige 6x6 Box, die es im Dorf zu kaufen gab, wurde seine, die Dunkelkammerarbeit unter der Bettdecke wird beschrieben. Alles, was vor die Linse kam, wurde fotografiert. Mehrmals besuchte Otti auch seine Familie in Israel. Christel Wollmann-Fiedler Margit Bartfeld-Feller: Mein Bruder Othmar (Oiti) Bartfeld 1931 — 2016. Konstanz: Hartung Gorre 2017. 118 S. € 19,80 (Edition Schodh & Judaica / Jewish Studies. Hg.von Erhard Roy Wiehn). Oktober 2017 75