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Wer einmal war Georg Gaugusch, Wiener Genealoge und Mitarbeiter der heraldisch-genealogischen Gesellschaft „Adler“, hat auch im zweiten Band seines genealogischen Handbuchs des Wiener jüdischen Grossbürgertums ein faszinierendes und wichtiges Grundlagenwerk vorgelegt. Das Buch enthält zu jeder Familie eine allgemeine Einleitung über ihre historische Bedeutung und spezielle Leistung, die in Textform gegossenen genealogischen Informationen mit den genauen Lebensdaten, Hinweise auf die Vernetzung und eine Auflistung der Quellen. Das Buch kann, ein Nachschlagwerk für bestimmte Berufsgruppen wie Fabrikanten, Unternehmer, Ärzte, Rechtsanwälte, Musiker, Schriftsteller, als Basis für viele weitere detaillierte Forschungen dienen. Die angegebenen Taufen verweisen auf die Assimilationsgeschichte des mitteleuropäischen Judentums. So führt die Familie Rie beispielsweise zur Geschichte der Psychoanalyse, die Familie Naschauer zu Theodor Herzl, Markbreiter zu den Schnitzlers und „Oberländer, Morawetz und Pick“ zu Käthe Leichter. Bei den beiden rabbinischen Familien Mannheimer und Neuda fand BUCHZUGÄNGE Gaugusch besonders viele interessante, aber im ersten Fall auch tragische Details. Das Konzept des Buches macht es verständlich, dass die Berufe und Funktionen der erwähnten Personen nur kursorisch erwähnt werden. Nur in einem Fall sei ergänzt, dass der Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde Jakob Ornstein auch Präsident der Union österreichischer Juden war. Gaugusch hat für diese Grundlagenarbeit nicht nur in Bibliotheken, Internetdatenbanken und Archiven (im Wiener Stadt- und Landesarchiv, im Österreichischen Staatsarchiv und in diversen Pfarrämtern) geforscht. Er suchte auch auf zahllosen jüdischen Friedhöfen in Österreich, Deutschland, Frankreich, Italien, Kroatien, Polen, Rumänien, Slowakei, Slowenien, Ischechien, der Ukraine und Ungarn nach zusätzlichen Informationen. Die Suche nach Todesanzeigen in zahlreichen europäischen Zeitungen wurde seit dem Erscheinen des ersten Bandes durch die fortgesetzte Digitalisierung auf der Website anno der österreichischen Nationalbibliothek sehr erleichtert. Auch viele archivalische Quellen und Datenbanken wurden inzwischen weiter digitalisiert und online gestellt. Das Buch ist eine wichtige Quelle für die Geschichte der Israelitischen Kultusgemeinde. Der Autor schreibt allerdings auf der S. LXIH: „Leider gab es auch Archive und Archivalien, die dem Verfasser nicht mehr zur Verfügung standen. Am schmerzlichsten ist hier sicher der Verlust des Matrikenamts der Wiener Israclitischen Kultusgemeinde fühlbar, das mit der Pensionierung des letzten Matrikenführers Wolf-Erich Eckstein aufgelöst und dem Gemeindearchiv eingegliedert wurde. Das Arbeiten mit den Originalmatriken wurde streng reglementiert und so standen diese dem Verfasser nicht mehr zur Verfügung.“ Dazu kommt als zweite Erschwernis noch die für BenutzerInnen teure Gebührenordnung, die mit der Öffnung des Archivs in Kraft getreten ist. E.A. Georg Gaugusch: Wer einmal war L-R. Das jüdische Großbürgertum Wiens 1800-1938. Wien: Amalthea 2016. 3078 5. € 148, Hermann Konradowitsch Abraham: Unter rotem Nordlicht. Aus dem rumänischen Gura Humora im sowjetischen Polarzonen-Gulag Workuta verbannt und ein aktiver Lebensabend in Israel. 1924-2012. Jüdische Schicksale im 20. Jahrhundert. Mit Beiträgen von Iakov Abram und Bärbel Rabi. Hg. von Erhard Roy Wien. Konstanz: Hartung-Gorre 2017. 438 S. Margit Bartfeld-Feller: Mein Bruder Othmar (Otti) Bartfeld 1931 — 2016. Konstanz: Hartung-Gorre 2017. 118 S. € 19,80 (Edition Schoäh & Judaica / Jewish Studies. Hg.von Erhard Roy Wiehn). Darién J. Davis, Oliver Marshall (Hg.): Stefan und Lotte Zweigs südamerikanische Briefe. New York, Argentinien und Brasilien 1940-1942. Aus dem Englischen von Karin Hanta. Berlin: Hentrich & Hentrich 2017. 335 S. Johannes Diethart & Herbert Kuhner: Gott & Teufel. God & the Devil. Aphorismen/ Aphorisms. Translation of Johannes Diethart Herbert Kuhner. (Englisch/Deutsch.) Wien, Weifenkirchen/Wachau 2017: Osterreichisches Literaturforum 2017. 69 S. Alexander Emanuely: Avantgarde II. Vom Surrealismus bis zu den LettristInnen oder Antikunst und Revolution. Stuttgart: Schmetterling Verlag 2017. 231 S. (Reihe theorie.org). Fortsetzung des 2015 erschienenen Bandes „Avantgarde I. Von den anarchistischen Anfängen 76 ZWISCHENWELT bis Dada oder wider eine begriffliche Beliebigkeit“. Im vorliegenden Band wird ausführlich auf die Auseinandersetzung der AvantgardistInnen mit Faschismus und Nationalsozialismus eingegangen, auf Verfolgung, Exil und Widerstand. Beigegeben sind auch Kurzbiographien wichtiger Akteure und eine Chronologie der Avantgardebewegungen von den Anfängen an. Torben Fischer, Matthias N. Lorenz (Hg.): Lexikon der „Vergangenheitsbewältigung“ in Deutschland. Debatten- und Diskursgeschichte des Nationalsozialismus nach 1945. (3. überarbeitete und erweiterte Auflage.) Bielefeld: transcript 2015. 488 S. Gabriel Groszmann: Jüdische Famliengeschichten in der Slowakei. Prosperität, Verfolgung und Überleben 1840-2017. Aus dem Englischen von Rudolf Barth. Konstanz: Hartung-Gorre 2017. 208 S. € 19,80 (Edition Schoah & Judaica / Jewish Studies. Hg. von Erhard Roy Wiehn). Andreas Huber: Rückkehr erwünscht. Im Nationalsozialismus aus „politischen“ Gründen vertriebene Lehrende der Universität Wien. Wien: Lit 2016. 378 S. € 39,90 (Emigration — Exil Kontinuität. Schriften zur Wissenschaftsgeschichte. Hg. von Friedrich Stadler., Bd. 14). Die Studie dokumentiert die Lebensläufe von 86 österreichischen Hochschullehrern in der Zwischen- und Nachkriegszeit. Die Rückkehrquote dieser Personengruppe betrug 76 Prozent. Der Anhang dokumentiert Biogramme von Lehrenden aller Fakultäten. Ausführlichere Fallbeispiele sind Ludwig Adamovich, Alfred Verdroß, Karl Fellinger, Richard Uebelhör, Alexander Issatschenko, Oskar Morgenstern. Simon Moser und Hans Thirring gewidmet. Franz Hütterer: Glücks-Schläge. Gedichte. Hg. von Andrea Pauli. (Wien): Eigenverlag 2017. 885. € 15,Franz Hütterer: Auch Rückschläge sind nicht von Dauer. Gedichte und Prosa. Hg. von Andrea Pauli. (Wien): Eigenverlag 2017. 88 S. € 15,Auch Franz Hiitterer (1954 — 2012) hat sich in Gedichten mit seiner Nachkriegskindheit auseinandergesetat — ihm verbindet sich die Erinnerung stets mit Angst: „wortwald steht! um die kindheit! behangen/ mit früchten der angst“. Erschütterte Daseinszuversicht paart sich in seinen Texten mit ‚feiner, gegen sich selbst gewandier Ironie. Mehr als durch seine Verse wurde er durch seine Mitwirkung an verschiedenen Kabaretts bekannt. Für die Zukunft sah er nichts Gutes voraus. Vieles, was er schrieb, war typisch für seine Generation, doch wie er es schreibt, ist markant, schwer verwechselbar. - K.K. Adele Jellinek: Das Tor. (Roman.) Hg. und kommentiert von Henriette Herwig, Sabrina Huber und Maike Purwin. Mit einem Nachwort von Sabrina Huber. Wien: LIT Verlag 2017. 298 S. € 25,- (Vergessene Schriftstellerinnen. Hg. von Henriette Herwig. Bd. 4).