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Alois Persterer (1909 — 1945) — Exekutor des Genozids Der pathologische Hass Hitlers, des einfachen Gefreiten aus dem Ersten Weltkrieg, hat die kriminellen Energien vieler seiner Mitläufer freigesetzt. Die jahrtausendealte Propaganda gegen die Juden als Gottesmörder verfestigte sich in den Gehirnen der Menschen und zerstörte in vielen von ihnen das Gewissen und ermöglichte so den Genozid. Was den Nationalsozialismus in seinem Vorgehen vom Genozid der Türken an den Armeniern, von Stalins Gulag und von den Massenmorden in China und Kambodscha unterscheidet, ist die völlig durchorganisierte und fabrikmäßige Auslöschung der Juden, der Behinderten, der Roma und Sinti, der „bolschewistischen Untermenschen“ und der politischen Gegner. Ein vom ideologischen Wahn Hitlers Infizierter war der aus Saalfelden stammende Alois Persterer, der zum willigen Vollstrecker der NS-Ideologie in der Ukraine wurde. Er war als Angestellter des österreichischen Heeres kein von der im Jahr 1929 ausgebrochenen Weltwirtschaftskrise drastisch Betroffener, sondern das Aggregat von fanatischer jugendlicher Aggressivität und untertäniger Effizienz. Den beschwerlichen Weg aus der sozialen Unterschicht und ihrer Unbildung ersparte er sich durch den bequemeren Aufstieg über den „Führer“, der ihm das Gefühl vermittelte, der Herrenschicht anzugehören. Er leitete schr bald den Abschnitt Salzburg für den nationalsozialistischen Sicherheitsdienst (SD). Dieser Sicherheitsdienst war für zahlreiche Verbrechen in den von den deutschen Truppen besetzten Gebieten verantwortlich. Persterer wurde im Jahr 1941, als Hitler der Sowjetunion den Krieg erklärt hatte, als SS-Obersturmbannführer zum Leiter des Sonderkommandos 10b auserkoren. Dieses Sonderkommando wurde der 11. Armee der Wehrmacht zugeteilt. Einsatzgebiete waren die Südukraine, die Bukowina, Bessarabien, die Krim und der Kaukasus. Persterer liel$ in Ananjew 400 Juden und in Kertsch 2.000 erschießen.’ Mit der Einsatzgruppe D kam der fanatische Nationalsozialist Persterer nach Feodosia (auch: Feodossija) auf der Halbinsel Krim. Die Stadt war von der Volkszugehörigkeit russisch dominiert und musste während des Zweiten Weltkrieges mehrere Massaker überstehen. Nach eigenen Angaben der Einsatzgruppe D wurden allein zwischen Mitte November und Mitte Dezember 1941 etwa 17.600 Juden, 2.500 Krimtschaken, 820 Zigeuner und 210 Kommunisten hingeschlachtet. Insgesamt soll die Einsatzgruppe D nach Ermittlungen des Salzburger Historikers Ernst Hanisch 91.000 Juden ermordet haben.® Nach einer Zeugenaussage von Josef Guggenberger, dem Chauffeur von Persterer, soll Persterer mit Hilfe eines Gaswagens die Leute ermordet haben: Ich erinnere mich genau, dass ich einmal zwei Gaswagen gesehen habe in Feodossija. Das war ein geschlossener Gaswagen, ich sah, wie ungefähr 25 Leute in den Wagen gezwungen wurden, in der Folge wurde der Wagen zugesperrt und fuhr davon. ... Es benötigte ungefähr fünf Minuten Fahrt ... Dieser Zeitraum genügte, um die Leute durch das ausströmende Gas zu töten. Der effektiven Tötungsmaschinerie des eifrigen Satrapen Hitlers folgte ein massiver Gegenschlag der Russen. Am 29. Dezember 1941 landeten Truppen der 44. Sowjetarmee bei Feodosia. Angesichts der russischen Übermacht befahl Generalleutnant Graf von Sponeck den deutschen Truppen, bei minus 30 Grad nach Westen zu marschieren. Sponeck wurde daraufhin von einem deutschen Kriegsgericht unter Vorsitz Hermann Görings zum Tod verurteilt. Nun begann in Feodossija ein zweites Massaker, 18 _ ZWISCHENWELT diesmal von den Russen an den in Lazaretten zurückgelassenen Soldaten ausgeführt. Persterer war ab Sommer 1943 wieder Sicherheitschef in Salzburg, zeitweise auch im besetzten Slowenien. Bei Kriegsende hielt er sich in Alm-Hinterthal versteckt und wurde von Bergführer Markus Schmuck verständigt, dass er von Einheiten der US-amerikanischen Besatzer gesucht werde. Am 30. Mai 1945 konnte er aus seinem Versteck gelockt werden. Wohl wissend, dass ihm als einem der grausamsten Vollstrecker des Holocaust die Todesstrafe drohte, wählte er den direkteren Weg. Er wehrte sich und wurde von den amerikanischen Soldaten erschossen. Sechzig Jahre nach dem Krieg erfuhr seine in Wien lebende Tochter, dass ihr Vater kurz vor Kriegsende der Mutter eine Pistole in die Hand gedrückt habe mit der Aufforderung: Erschieß zuerst die Kinder und dann dich.'’ Diese späte Erkenntnis über ihren Vater ist der Beweis, wie fanatisierte Menschen ihren Vernichtungstrieb nicht nur gegen politische Gegner und Rassen, sondern auch gegen die eigene Familie austoben. Beweis auch, wie wasserdicht die Verschwiegenheit der Nazi-Eltern gegenüber ihren Kindern gewesen ist und wie lange es gedauert hat, bis diese Traumata aufgearbeitet werden konnten. 2.Bekenner, Helden und Märtyrer Der nichtorganisierte Widerstand der hier behandelten Persönlichkeiten zeigte sich in den verschiedensten Formen: von antinazistischer Haltung über die Hilfestellung für Wehrdienstverweigerer in den Kriegsjahren ab 1943 bis zur weltanschaulichreligiösen Verweigerung des Wehrdienstes. Für die NSDAP waren alle Formen von Resistenz, ob nun eine Bauernmagd mit einem als Landarbeiter verwendeten Kriegsgefangenen schlief oder ein Fleischhauer schwarz schlachtete, ein junger Mann den Wehrdienst verweigerte oder aus Gewissensgründen den Dienst mit der Waffe ablehnte, sie alle waren gleichermaßen politische Verbrecher. Die härtesten Maßnahmen wurden daher angewendet, um nach den Misserfolgen auf den Schlachtfeldern in Russland oder Afrika wenigstens die Hegemonic an der „inneren Front“ zu garantieren. Anton Brugger (1911 — 1943) — der bekennende Pazifist Der Martyrertod des kompromisslosen Innviertler Mesners Franz Jägerstätter gehört inzwischen zum allgemeinen Wissensschatz des gebildeten Österreichers. Die Hinrichtung des aus Kaprun stammenden bekennenden Pazifisten Anton Brugger hat nicht einmal in seinem Heimatort Kaprun Spuren hinterlassen. Brugger war Mitglied der Siebenten-Tags-Adventisten und somit ein rückhaltloser Vertreter einer vom Glauben W motivierten Wehrdienstver- Anton Brugger. Fotonachweis unbekannt weigerung.