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im Mai 1945 frei. Sie heiratete in St. Johann im Pongau Franz Vogl und starb im Jahr 2006. Johann Oblasser wurde am 11. August 1944 ins Konzentrationslager Dachau gebracht, später ins Konzentrationslager Natzweiler-Struthof. In den Tagen seiner Einlieferung gebar seine Frau das Mädchen Maria. Laut Aussage von Katharina Spindelböck, einer Tochter Oblassers, war es eine außergewöhnlich schwere Geburt, und das Leben der Mutter hing an einem seidenen Faden. Durch den unermüdlichen Einsatz des Sprengelarztes Dr. Siegfried Schernthaner, der selbst ein überzeugter Nationalsozialist war'’, konnte sie gerettet werden. Dr. Schernthaner stellte sein ärztliches Ethos über seine nationalsozialistische Ideologie, während von anderen Nazis angedroht wurde, man werde den Vorderbrandstätthof niederbrennen. Im Konzentrationslager Buchenwald fand Oblasser einen Pinzgauer Leidensgenossen, den Pfarrer Andreas Riceser, der bereits sieben Jahre Haft hinter sich gebracht hatte. Durch Riesers Hilfe konnte Oblasser überleben. Am 12. April 1945 wurden die Häftlinge nach Flossenbürg überstellt, da die amerikanischen Truppen in Deutschland bereits im Vormarsch waren. Auf einem Marsch nach München konnte Oblasser flüchten und verbrachte sechs Wochen beim Bauern Xaver Simel, bis er sich nach der Kapitulation Hitler-Deutschlands zu Fuß auf den Weg nach Hause machen konnte. Geschwächt von den Lagerstrapazen konnte er als Bauer keiner schweren Arbeit mehr nachgehen und starb im Alter von 69 Jahren am 6. Dezember 1971. Zusammenfassung Die Mitglieder der Nationalsozialistischen Arbeiterpartei (NSDAP), ob bloße Mitläufer, gesinnungslose Opportunisten oder hardcore-Nazis, haben nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches — wie in einer geheimen Verschwörung — jedes Schuldgefühl verdrängt, teilweise absurde Loyalitäten jahrzehntelang gepflegt und eine ehrliche Konfrontation mit dem tatsächlichen Geschichtsverlauf abgelehnt. Eine natürliche Scham über die Tatsache, dass sie Mitschuld trugen am Tod von 60 Millionen Menschen, ein ehrliches Bekenntnis, einem verbrecherischen Diktator und seinen Vasallen gedient zu haben, widersprach dem heldischen Ideal des germanischen Menschen. Dieser willfährigen Unterordnung von Millionen Mitläufern unter ein verbrecherisches Regime mit seiner menschenverachtenden rassistischen Ideologie standen nur wenige Tausende von moralischer und ethischer Verantwortung sowie von Opfermut geprägte Persönlichkeiten entgegen, die in Zeiten eines blindwütigen Genozids ihre Humanität bewahrten. Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang, dass gerade in einer Region, die hauptsächlich durch ihre starke agrarische Struktur und ihre überwiegend katholische Orientierung geprägt war, solche menschlichen Diskrepanzen aufbrachen. Fast sieben Jahrzehnte konnte das Schweigen über die Zeit des Nationalsozialismus als eine Form der Unterdrückung des nationalen Gedächtnisses diese Gräben zuschütten. Dieser Aufsatz ist eine kurze Zusammenfassung dokumentarischer Essays aus dem Buch: Walter Thaler: Pinzgauer! Helden — Narren — Pioniere. Portraits aus der Provinz. Wien: new academic press 2017. 342 5. € 25,Walter Thaler, geb. 1941; Studium der Germanistik und Anglistik, Mag.phil. (1965), AHS-Lehrer und Direktor des Bundesrealgymnasiums Zell am See (1963 — 2000); Autor einer zweibändigen Literaturgeschichte für AHS; Lehrerbildner am Päd. Institut des Bundes in Salzburg. Ab 1969 kommunalpolitische Tätigkeit als Gemeinderat, Vizebürgermeister (1974 —- 1982) und Bürgermeister (1982 — 1993) von Zell am See; Landtagsabgeordneter, Zweiter Präsident des Landtages und Klubvorsitzender der SPO im Salzburger Landtag (1982 — 2004); Studium der Politikwissenschafien, Dr. phil. (2005). Seit 2005 Buchpublikationen zu Politik, Kultur und Regionalgeschichte. Anmerkungen 1 Norbert Frei: Karrieren im Zwielicht. Hitlers Eliten nach 1945. Frankfurt, New York 2001. 2 Karl Miiller: Karl Heinrich Waggerl. Eine Biographie mit Bildern, Texten und Dokumenten. Salzburg 1997. 3 Anders Rydell: Hitlers Bilder. Kunstraub der Nazis — Raubkunst in der Gegenwart. Frankfurt/M., New York 2014, 114. 4 Zu Josef Mühlmann (1886 — 1972) vgl. Gerhard Plasser: Kustoden und Mitarbeiter der Residenzgalerie [Salzburg]. In: Roswitha Juffinger/Gerhard Plasser: Salzburger Landessammlungen 1939-1955. Land Salzburg 2007, 278-282, hier 278-280. 5 „Unser einziger Weg ist Arbeit“. Das Getto in Lödz, 1940 — 1944. Eine Ausstellung des Jüdischen Museums Frankfurt am Main 30. März bis 10. Juni 1990, in Zusammenarbeit mit Yad Vashem. Red. Hanno Loewy u. Gerhard Schoenberner. Wien: Löcker 1990. 6 Wie Anm. 5. 7 Ernst Hanisch: Gau der guten Nerven. Die nationalsozialistische Herrschaft in Salzburg 1938 — 1945. Salzburg, München 1997, 103. 8 Ebenda. 9 From the records of the Nuerenberg tribunals. http://www.yadvashem. org/untold stories/database/german Reports asp?/cid=667 &site. Abgerufen 25.1.2016. 10 Margit Reiter: Die Generation danach. Der Nationalsozialismus im Familiengedachtnis. Innsbruck, Wien, Bozen 2006. 11 Rudolf Ardelt: Individueller Widerstand. In: Christa Mitterrutzner, Gerhard Ungar: Widerstand und Verfolgung in Salzburg 1934 — 1945. Bd. II, Wien 1982, 354-360. 12 Daniel Heinz: Kriegsdienstverweigerer und Pazifist. Der Fall Brugger und die Haltung der Siebenten-Tags-Adventisten im Dritten Reich. Wien: Jahrbuch des DOW 1996, 41-56. 13 Zit. nach Mitterrutzner/Ungar, wie Anm. 11, 353. 14 Ebenda, 402. 15 Salzburger Nachrichten, 19.9.1972. 16 Zit. nach Hans Hönigschmid: Bramberg am Wildkogel. Bramberg 1993, 530. 17 Siehe Robert Stadler, Michael Mooslechner: St. Johann/PG 1938 — 1945. St. Johann im Pongau 1986, 125-142. 18 Lieselotte Eltz-Hoffmann: Vom Vorderbrandstätthof und dem Schicksal des Pinzgauer Bergbauern Johann Oblasser. Typoskript. Salzburg 2004. Dezember 2017 21