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Kauft bei Juden! Das Begleitbuch zur Ausstellung „Kauft bei Juden!“, die noch bis zum 19. November 2017 im Wiener jüdischen Museum zu schen ist, erzählt die Geschichte der jüdischen Beteiligung an der Gründung von 27 Waren-, Kaufhäusern und Einzelhandelsbetrieben. Nur über eines dieser Häuser, das Kleiderhaus Jacob Rothberger gegenüber dem Stephansdom, bei dessen Eröffnung 1886 der Wiener Rabbiner Adolf Jellinek sprach, erschien schon 2010 ein eigener Band. Einer seiner Autoren, der Provenienzforscher Leonhard Weidinger, beschreibt im Katalog das Schicksal der Familie in der NS-Zeit. Der Wiener Wirtschaftshistoriker Roman Sandgruber schildert in seinem Beitrag, wie „Juden zum Kern des liberalen Wirtschafts- und Bildungsbürgertums“ wurden. Elana Shapira, die an der Universität für angewandte Kunst in Wien lehrt, beschreibt einfühlsam die Geschichte des Herrenausstatters Michael Goldman, der Adolf Loos mit dem Entwurf seines Geschäftshauses am Michaelerplatz beauftragte und damit die Wiener Moderne förderte. Georg Gaugusch berichtet aus erster Hand von der Geschichte seines 150 Jahre alten Geschäftes Jungmann & Neffe, das er seit 2005 leitet. Ein derartiges Buch- und Ausstellungsprojekt kann keinen Anspruch auf Vollständigkeit erheben. So ist das Kaufhaus der Brüder Schiffmann auf der Taborstrafe, das durch besonders große Werbeeinschaltungen in jiidischen Zeitungen aufhel, nur ein Mal kurz erwähnt. Zu Max Delfiner, der 1933 das Kaufhaus Herzmansky erwarb, wäre zu ergänzen, dass er ein Freund und Förderer des hebräischen Nationaldichters Chaim Nachman Bialik war. Zum Warenhaus Dichter in Ottakring wären weitere Details in dem 2013 erschienenen Buch „Jüdisches Leben in der Wiener Vorstadt: Ottakring und Hernals“ nachzulesen gewesen. Ein berührender Abschnitt des Buches von Astrid Peterle widmet sich den Geschäften des Textilviertels als Symbol des Wiederaufbaus der Wiener jüdischen Gemeinde nach 1945. Die beiden letzten bis heute bestehenden Unternehmen sind Wachtel & Co und Haritex. Der Die unlängst in Berlin und Frankfurt am Main vorgestellte Reprint-Ausgabe Pasaremos — Organ der XI. Brigade, der von März 1937 bis Oktober 1938 von der Presseabteilung fiir die internationalen Einheiten der Spanischen Volksarmee in Albacete herausgegebenen Zeitschrift, bedeutet eine wichtige Ergänzungen zur Vielzahl von Neuerscheinungen über den Bürgerkrieg in Spanien 1936 bis 1939. Damit werden unverfälschte Einblicke in das historische Geschehen jener Jahre vor und hinter den Frontlinien aus Sicht einfacher Kämpfer, Offiziere oder Ärzte, ebenso über Kulturaktivitäten oder das von der Brigade betreute Kinderheim ermöglicht; stets bereichert durch Fotos und Illustrationen. „Der Spanische Bürgerkrieg (1936-1939) war nicht nur die erste militärische Konfrontation mit dem Faschismus in Europa und durch seine internationale Dimension ein Vorspiel des Zweiten Weltkrieges (1939-1945), er war auch ein Krieg der Worte und der Bilder“, heißt es einleitend im kurzen informativen Vorwort des Herausgebers (auch in englischer, französischer und spanischer Übersetzung). Bei Pasaremos handelt sich zwar um eine von mehreren sogenannter Brigade- oder Frontzeitungen, aber wohl eine der qualitativ besten; herausgegeben für die sogenannte „deutsche Sprachgruppe“ der XI. Internationalen Brigade, die neben Deutschen auch Österreicher, Schweizer, Niederländer und sogar Skandinavier umfasste. Und alle benötigten neben Waffen, Munition, Kleidung und Verpflegung, auch 72 ZWISCHENWELT dringend Informationen nicht nur über das Kampfgeschehen. Pasaremos wurde also sehnsüchtig vor Ort erwartet und intensiv gelesen, wie Zeitzeugen berichteten. Von der Vielfalt und noch heute beeindruckenden journalistische Qualität dieser Zeitschrift kann sich nun jeder selbst anhand dieser drucktechnisch ausgezeichneten ReprintAusgabe überzeugen: von der Startauflage mit 14.000 am 2. März 1937 bis zur Abschiedsnummer im Oktober 1938 mit etwa 2.500 Exemplaren. Die Mehrsprachigkeit widerspiegelt dabei die Kommandostrukturen der internationalen Brigaden, weshalb französische und spanische Ausgaben anfangs dominierten, bevor in Zwischenstufen die Ausgaben völlig in deutschsprachige Verantwortung kamen. Diese erstmalige Reprint-Edition wird besonders auch für nachfolgende Generationen eine Fundgrube nicht nur für Forschungsprojekte sein, sondern vor allem eine unwiderlegbare Dokumentation zur Beweisführung gegen zunehmende Geschichtsfälschungen bieten. Für diese Publikation zum bleibenden Gedenken an das republikanische Spanien und seiner selbstlosen Verteidiger hat sich der gemeinsam mit dem Verein der „Kämpfer und Freunde der Spanischen Republik 1936-1939“ engagierende Historiker Werner Abel besonders verdient gemacht (der übrigens auch ein eifriger Sucher und Sammler nicht nur spanischer revolutionärer Literatur und Presseerzeugnissen ist). „Außer dem von Vittorio Vivaldi (in Spanien unter dem Namen Carlos Contreras aktiv) 1973 ORF- Korrespondent für Israel Ben Segenreich war das Kind einer dieser Familien; er schrieb für das Buch seine lebendig gebliebenen Erinnerungen an den Salzgries, das Milieu seiner Kindheit, auf. Die Illustrationen sind ein wichtiger Teil des Buches. Die Kataloge des Museums werden sicher auch weiterhin im Museum erhältlich sein, nicht aber vielleicht viele wichtige Bücher, denn der Pachtvertrag des gut sortierten und engagierten Bookshops Singer wurde von der Museumsleitung mit Ende des Jahres aufgekündigt, wogegen über 2000 Personen in einer Online-Petition protestierten. E.A. Kauf bei Juden! Geschichte einer Wiener Geschäftskultur. Buy from Jews! Story of a Viennese Store Culture. Hg. von Astrid Peterle im Auftrag des Jüdischen Museums Wien. Wien: Amalthea 2017. 239 5. € 29,95 in Italien herausgegebenen Nachdruck der Milicia popular, der Zeitschrift des 5. Regiments, liegt bisher kein Reprint einer Brigade-Zeitschrift vor. Auch existiert in keiner deutschen Bibliothek und in keinem deutschen Archiv ein vollstandiger Bestand der Pasaremos, oder einer anderen Brigade-Zeitschrift ... Sind schon allein die Illustrationen der Zeitschrift wertvoll und wichtig, so ist es auch die mehrsprachige Berichterstattung, die von den bedeutendsten Kämpfen des Krieges ebenso wie vom Alltag der Freiwilligen erzählt“, erläutert der Herausgeber und betont: „Beigetragen dazu haben damals die politischen und militärischen Verantwortlichen der Internationalen Brigaden ebenso wie weltbekannte Journalisten und Schriftsteller, aber auch einfache Freiwillige, die wohl zum ersten Mal in ihrem Leben zur Feder griffen.“ Helga W. Schwarz Pasaremos — Organ der XI. Brigade. Reprint der Zeitschrift. Hg. von Werner Abel unter Mitarbeit von Karla Popp und Hans-Jürgen Schwebke. Berlin: Karl Dietz Verlag 2017. 430 S., gebunden. € 39,90