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Ab Jänner 1939 mussten Juden und Jüdinnen zusätzlich den Vornamen „Israel“ bzw. „Sara“ annehmen. Dies stand auch auf dem Meldezettel, wenn dieser nach 1939 ausgestellt war. Im Mai 1939 verlor die jüdische Bevölkerung schließlich gänzlich ihr Mietrecht. Ihre Wohnungen waren begehrt. Als Baldur von Schirach zum Gauleiter von Wien ernannt wurde, ordnete er im September 1940 systematische „Judenumsiedlungen“ innerhalb der Stadt an, um einzelne Teile von der jüdischen Bevölkerung frei zu machen. Im Oktober 1940 brachte er schließlich das Argument des Wohnungsmangels bei Adolf Hitler vor und erreichte damit die Genehmigung zu den frühen Deportationen der Wiener Jüdinnen und Juden im Februar und März 1941. Im Zuge der „Wohnungsarisierungen“ wurden Jüdinnen und Juden gezwungen, ihre Wohnungen gegen kleinere und schlechtere zu tauschen, die sie meist mit anderen jüdischen BewohnerInnen teilen mussten. Durch die Zwangsübersiedlung entstanden sogenannte „Judenhäuser“ mit „Judenwohnungen‘“, die in Wien „Sammelwohnungen“ genannt wurden. Das Wohnungsamt der Stadt Wien wies Delogierte in Wohnungen ein, die bereits jüdische Mieter hatten. Viele jüdische Mieter stammten aus Galizien oder der Bukowina, sie waren Ärzte, Rechtsanwälte, Kaufleute. Der Arzt Dr. Max Roll und seine Frau konnten emigrieren, der Rechtsanwalt Dr. Samuel Ringer starb 1939, Blanka Apfelbaum, die 1939 15 Jahre alt war, kam vermutlich mit einem Jugendtransport nach England, ihre Schwester Wilma, die schon Rechtsanwältin war, konnte ebenfalls nach England emigrieren. Der Kaufmann Abraham Kritzmann und der Arzt Dr. Hoffmann konnten ebenfalls emigrieren, alle anderen Mieter mussten zunächst in Sammelwohnungen ziehen, bis sie schließlich deportiert wurden. Manche mussten bis zur Deportation in drei verschiedene Wohnungen ziehen. Zynischerweise steht auf den Meldezetteln „abgemeldet nach“, „fortgezogen nach“, womit zuerst der unfreiwillige Umzug in eine Sammelwohnung bezeichnet wurde und schließlich der Weg in den Tod. Auf dem Meldezettel der Familie Apfelbaum steht „Polentransport“. Vermutlich sind Moses und Henriette nach Litzmannstadt oder Riga deportiert worden. Gustav und Theresa Pisk wurden vermutlich aufgrund ihres hohen Alters nach Theresienstadt deportiert, Frau Ringer nach Minsk, von wo aus die Leute ins nahe gelegene Vernichtungslager Maly Trostinec kamen, wo sieim Wald erschossen wurden. Herr Leuchter wurde ins Ghetto Litzmannstadt, LödZ, deportiert. In die leeren Wohnungen zogen Nazis oder Profiteure, denen die Wohnungen vom Wohnungsamt zugewiesen wurden. Viele der neuen Mieter hatten Positionen inne, die darauf schließen lassen, dass sie Nazis mit oder ohne Parteibuch waren: Regierungsoberinspektor, Obersteuersekretar, Polizeisekretarin, Oberwachtmeister usw. Raimund Strobl und Karl Schiitzenhofer waren nachweislich NSDAP- Mitglieder.” Im Zuge der Entnazifizierung wurde am 6. Juni 1945 das Gesetz erlassen, dass sich Personen, die NSDAPMitglieder oder Anwärter auf eine Mitgliedschaft in der NSDAP oder einem ihrer Wehrverbände waren, behördlich registrieren lassen miissen.? Die Entnazifizierung umfasste die Registrierung der ehemaligen NSDAP-Mitglieder, deren zeitweiligen Ausschluss von bestimmten Berufen sowie den Verlust der staatsbürgerlichen Rechte. Von den fast 700.000 ehemaligen NSDAP-Mitgliedern wurden nach 1945 rund 540.000 registriert, davon galten 98.330 als „Illegale“, die bereits zur Zeit des Verbots der NSDAP (Juli 1933 bis März 1938) in Österreich Parteimitglieder gewesen waren. Diese wurden zusätzlich von den Volksgerichten als „Hochverräter“ verfolgt. Alle ehemaligen Parteimitglieder waren zur Entrichtung von „Straf-Steuern“ und Sühneabgaben verpflichtet. [...] Am 17. Februar 1947 trat nach Berücksichtigung zahlreicher alliierter Abänderungswünsche das „Nationalsozialistengesetz“ (NSG) in Kraft. Die registrierungspflichtigen Personen wurden nun in „Belastete“ und „Minderbelastete“ eingeteilt und nach dem Anteil ihrer Betätigung innerhalb der NSDAP beurteilt. Fast alle Registrierten waren „sühnepflichtig““ So weit bekannt soll nun das Schicksal der Mieter, die nach 1940 eingezogen sind, beleuchtet werden. Karl Schützenhofer ist am 7. August 1939 eingerückt, war eineinviertel Jahre in Gefangenschaft und wurde am 19. Februar 1946 entlassen. Er galt als „Alter Kämpfer“, daer schon 1933 in die Partei eingetreten war. Juni 2018 7