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Reinhard Fehling Ausgerechnet Fritz Beda Oder: Von Schlagern und Schlägern Abseits vom Gewühl und Tanze steht der Dichter von ‚det Janze‘, unbeachtet von den Leuten — denn er hat nichts zu bedeuten. (Fritz Löhner, 1928) Am 4. Dezember 2017 jährt sich zum 75. Male die Ermordung von Fritz Löhner in Auschwitz. Unter der Häftlingsnummer 68561 war er kurz zuvor — schon stark geschwächt — zu dieser Endstation seines Lebens transportiert worden, das ihn zuvor über die Höhen des Erfolges als Schlager- und Operettenlibrettist und dann durch die Höllen von Dachau und Buchenwald geführt hatte. Kaum kennt man heute seinen Namen, eher seine Operettenlieder wie Dein ist mein ganzes Herz, Immer nur lächeln oder Reich mir zum Abschied noch einmal die Hände, bekannter noch sind seine Schlager, für die Ausgerechnet Bananen, Donna Clara oder Was machst du mit dem Knie, lieber Hans? exemplarisch hier stehen mögen. Wie nur wenige verstand er es, gleichermaßen originell, geistreich und populär zu formulieren. Vor allem: Seine Pointen sitzen! Doch wer ist dieser hinter seinem Werk vollkommen zurücktretende große Unbekannte, der bis zum Jahre 1938 durch seine großen Erfolge zum Millionär aufgestiegen ist und dann mit einem Schlag aus seinen Träumen und seiner Familie gerissen und als einer der ersten Prominenten Wiens ins KZ Dachau verschleppt wurde? Wer ist dieser Hans-Dampf der Unterhaltungskunst, der in seiner zweiten KZ-Station in Buchenwald zusammen mit seinem Freund Hermann Leopoldi das international bekannte Buchenwald-Lied verfasst hat und darüber hinaus rund ein Dutzend bis heute weithin unbeachtete, anrührende Gedichte? Bedfich Löwy, Friedrich oder Fritz Löhner oder Löhner-Beda, Dr. Lohner, Fritz Beda oder kurz Beda (die Koseform von Bedfich) — das waren die verschiedenen Namen jenes Mannes, der am 24. Juni 1883 im böhmischen Wildenschwert alias Usti nad Orlici das Licht der Welt erblickte. Es war die Zeit als „Behmen noch bei Estreich war“ und er gerade im fünften Jahr, da zog die Familie um in das Zentrum des Kaiserreichs Österreich-Ungarn: nach Wien. Man deutschte bald den tschechischen Namen ein. Aus dem Löwy wurde ein Löhner, man passte sich an und mischte erfolgreich mit in der neuen Welt, aber am jüdischen Glauben hielt man fest. Auch als Fritz Löhner war Bedfich Löwy das mosaische Bekenntnis zeitlebens wichtig. Nach der Matura am Landstraßger Gymnasium (der Komponist Hanns Eisler wird 15 Jahre später ebenfalls dort maturieren) studiert er Jura und schließt als blutjunger Dr.jur. ab. Seine Karriere in diesem Metier ist aber nur von kurzer Dauer. Schon das Jahr 1910 sieht ihn als freien Schriftsteller. Er schreibt Satiren, Sketche, Gedichte und weiß schon früh, was ankommt. Er hat seinen Heine gelesen und damit ein Band zur literarischen Tradition geknüpft, vor allem aber weiß er, woher der Zeitgeist weht und welche Themen in der Luft liegen. Der Erste Weltkrieg macht ihn (ganz unheine-isch) zum eifrigen Propagandisten des nationalen Gedankens. Sein Hang zum ‚alten, lieben, guten‘ Kaiser, den er schon 1908 lieb hat „als ob's mein Vater wär“, macht ihn blind für die Vorzüge anderer. Franzosen, Engländer, Russen, Italiener, besonders die sie Regierenden übergießt er mit hämischen Versen, zwischen 1914 und 1916 von Woche zu Woche in der Wiener Sonn- und Montagszeitung erscheinend und schließlich für billige 30 Heller (davon 10 zugunsten des Kriegshilfsbureaus des k.k. Ministeriums des Innern) in der Sammlung „Bomben und Granaten“. 1915 schreibt er einen Text, der erst fast 60 Jahre spater — als gewendeter Schlager — richtig ,einschlagen‘ sollte: Rosa, wir fahrn nach Lodz. Der Franzl hat a neue Braut, seit er beim Militär ist. Die ist ganz tadellos gebaut, wenn's auch ein bisschen schwer ist. Sie stammt zwar nicht von Doda, sie stammt vielmehr von Skoda. Die Taille dieser Nymphe ist sechsunddreissig-fünfe. Lang hat der Franzl nachgedacht, wohin die Hochzeitnacht er macht. Da plötzlich kam das Kriegsgebraus, Und Franzi rief begeistert aus: Rosa, wir fahr'n nach Lodz Rosa, wir fahr'n nach Lodz Es geht direkt ein Zug von Wien. Der Hötzendorf [österreichischer Generalstabschef], der fahrt bald hin, es geht direkt der Zug von Wien. Rosa, wir fahr'n nach Lodz. Soweit die Lyrik. In Prosa ist die Rosa, die sich in ,Feindesland* aufmacht, ein 30,5 cm-Mötser der Firma Skoda und prangt in ihrer ganzen fettleibigen ‚Poesie‘ auf dem rückwärtigen Umschlag des ‚Bomben‘-Hefterls. Bedas Sinn für einprägsame Zeilen macht auch vor dieser „Rosa“, einer der tödlichsten Waffen des 1. Weltkriegs, nicht halt. Verkauft er sich wegen einer Pointe an den Teufel? Objektiv gewiss — subjektiv hat er an den Krieg als große Bewährungsprobe geglaubt, wie manche andere (Künstler) seiner Generation auch. Es lohnt, die Argumentationsgrundlinie seiner Kriegsgedichte zu betrachten. Die Kriegsgegner — in der Regel nicht die Völker (mit ihrer auch von Beda nicht zu negierenden Kultur und Tradition), sondern ihre verführenden Führer — werden als kriegslüstern, macht- und geldversessen oder als eitle Schwätzer dargestellt, wie im Gedicht ‚Franzosen‘ vom 3. Jänner 1916: So war es einst: Das Volk war stark und aufrecht wie die Tannen, es hatte Stolz und Glut im Mark und hasste die Tyrannen; es hasste Lug und Niedertracht und ihre Harlekine. Die blut'ge Wahrheit war erwacht und schuf die Guillotine. Danton, Marat und Robespierre zerschlugen die Idylle, das Volk zerriss die Lügenmär und nahm sie, die Bastille —— Juni 2018 15