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7:3 # Villa Schratt, früherer Zustand Komponisten große Hoffnungen setzt. Einstweilen sind sie auf Erfolg programmiert, allerdings jetzt nicht nur beim liberalen, gebildeten Bürgertum, sondern bei allen, die von Rundfunk, Schallplatte und den massenwirksam inszenierten Operettenspektakeln (Das Land des Lächelns kommt 1930/31 sogar als Tonfilm heraus) erreicht werden. Parodie, Ironie und Satire (das Heinesche Erbe) verschwinden und geben ‚großen‘ Gefühlen Raum. Diese sind so ‚groß‘, dass hinter ihnen die ‚kleinen‘ Sorgen der an Krisen reichen Gegenwart verschwinden (sollen). Freunde, das Leben ist lebenswert oder Dein ist mein ganzes Herz werden vom Tenor Richard Tauber mit so viel Schmelz und Schmalz gesungen, dass ungestilltes Verlangen in Wonne zerfließen kann und ganz nebenbei die totgeglaubte Operette zu neuem Leben erweckt wird. Natürlich rufen solche an Klischees reiche und nahe am Kitsch angesiedelte Produktionen von Anfang an die Kritiker auf den Plan. So schreibt Karl Kraus schon 1913 in der Fackel: „Wenn man abends ‚Die lustige Witwe‘ ... genossen hat, so ist man nachher sicher nicht mehr zur Revolution aufgelegt ...“; Alfred Polgar notiert in der Iheaterzeitschrift „Die Schaubühne“ Süffisantes über das Libretto des Sterngucker: „Ein Verdienst des Librettos, das ich zu würdigen weiß, ist die Heranzichung mehrerer junger, frohgemuter Mädchen zur intensiven Beschäftigung auf der Szene ...“; und Kurt Tucholsky nennt in „Lehär am Klavier“ den Komponisten 1931 „dem kleinen Mann sein Puccini“ und kommt zu dem Schluss: „Brot und Spiele ... Mit dem Brot ist es zur Zeit etwas dünn. Na, da spieln mir halt. Lehär, mein Lehär, wie lieb ich dich -!“ Deutlich wird, auf welches Pferd Dr. Fritz Löhner (Beda nennt er sich bei den großen Produktionen immer seltener) setzt. Mit der linken, kritischen Intelligenz verbindet ihn wenig. Unruhen, gar Revolutionen und/oder Bolschewiken, selbst genossenschaftliche Versuche im „Roten Wien“ zur Regelung der Ladenschlusszeiten sind für ihn Freiheitseinschränkungen und jedes für sich ein Gräuel. Dr. Fritz Löhner-Beda - also ein Reaktionär? Ein prinzipienloser Tantiemenmillionär, der schließlich abgehoben in der Bad Ischler Villa Schratt auf mehreren Etagen mit Frau, zwei Töchtern und etlichen Dienstboten auf einem quadratkilometergroßen Grundstück residiert? Wenn man seine Werke überblickt fällt auf, dass es einige Grundüberzeugungen gibt, die er nicht aufgibt, auch wenn die Zeit dagegen steht. Da ist in erster Linie sein Judentum. Zwar ist auch er, wie die meisten Juden ein hoffnungslos treuer Staatsbürger. Doch schon sehr früh wendet er sich gegen allzu große Assimilationsbestrebungen seiner Glaubensbrüder. In den Gedichtsammlungen von 1917 Israeliten und andere Antisemiten und Getaufte und Baldgetaufte geißelt er das Dazugehören-Wollen um jeden Preis. Letzterer gibt er ein Geleitwort: Was hilft’s, dass ich mit Ernst und Hass gepredigt und geschrieben?! Sie kriechen do ch zum Weihrauchfass, das Pack ist Pack geblieben. Folgerichtig pflegt er jüdisches Leben; 1909 ist er Mitbegründer des jüdischen Sportvereins „Hakoah“ (Kraft), dem er eine Weile vorsteht, in dem er selbst — kräftig wie er ist — mit Erfolg das Leder tritt und der 1925 österreichischer Meister im Profifußball wird. Auch unter Bedrohungen — etwa als z.B. Zell am See in den späten zwanziger Jahren jüdische Touristen für unerwünscht erklärt — hält er Stand und kämpft mit ironischen Versen: Alle sind es, die wir luden, exklusive die Herrn Juden, denn wir halten unsre Sitten rassenrein und unbeschnitten; und der Gegend schönster Reiz sei fortan das Hakenkreuz! Dass es später noch ärger kommen würde, wollte er (noch) nicht glauben. Sein selbstbewusstes Judentum entbehrte jeder aggressiv-bekehrenden Note nach außen. Es war bestimmt vom Prinzip ‚leben und leben lassen‘. Nicht einmal sein früher(er) Nationalismus war ja rassistisch motiviert. Die Kriegsgegner griffer vor allem wegen des angeblichen Verratens ihrer eigenen großen Kultur an und nicht wegen ihrer Minderwertigkeit. Unter den Bedingungen der Nachkriegszeit paarte sich diese Grundeinstellung mit einer neuen Weltoffenheit, Entdeckerneugier und Freude am Lebensgenuss. Als die Nazis die Krenek-Oper „Johnny spielt auf“ störten, reagierte er mit spitzer Feder unter dem Titel Die schwarze Gefahr: Die jungen Herrn vom Hakenkreuz — Wo ist die Bonne, die sie schneuz'?! Sie planen ,gen den Johnny-Rummel Den sogenannten Straßenbummel. [J] Die Hosenträger der Kultur Sie leisten einen heil'gen Schwur, Zu tilgen diese Schmach des Johnny; Der Industriebund gibt das Monney. Oder als die schwarze Tänzerin Josephine Baker mit ihrem erotischen Bananentanz die Spießer in Rage brachte: Die Baker tanzt wohlgemut Mit baumelnden Bananen; Dass ein Malheur passieren könnt‘, Wie konnte sie das ahnen?! Kein schwarzer Mann in Afrika Hätt‘ jemals nur gewittert, Dass von dem bissel Niggertanz Die Wiener Kunst erzittert. Juni 2018 17